Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: März-April 2024

Schwerpunkt - Vor Ort

Wo Reiter beten und Hengste flirten

Jährlich pilgern mit wenigen Ausnahmen seit mehr als 600 Jahren Pferde mitsamt Reiter von Bad Kötzting nach Steinbühl, um Dank zu sagen und um Schutz zu bitten. Foto: privat

Pfingstritt in Bad Kötzting

An Pfingsten findet in Bad Kötzting nahe Cham in der Oberpfalz jährlich eine der größten Reiterprozessionen Europas statt. Es ist der Landkreis, in dem Pfingsten schon vor Ostern beginnt – wegen der Pfingstfreude und der langen Vorbereitungszeit. Und das seit mittlerweile mehr als 600 Jahren und mit teils über 900 Reitern – jedoch ohne Reiterinnen. Dieser Tradition geht ein heiliges Gelöbnis voraus.

Die Bittprozession hoch zu Pferde bildet eine christliche Tradition, die auf ein Gelübde von anno 1412 n. Chr. zurückgeht. Im etwa sieben Kilometern von Kötzting (noch ohne „Bad“) entfernten Steinbühl lag ein Mann im Sterben und bat um die Sterbesakramente. Damals waren die Wege noch nicht geteert, mit Ampeln und Kreisverkehr geregelt und von Leitplanken gesäumt. Neben einem schlimmen Unwetter gefährdeten auch Bären und Wegelagerer den Ritt des Pfarrers von Kötzting nach Steinbühl, weswegen er von den Burschen aus Kötzting Geleitschutz bekam. Nach unversehrter Rückkehr gelobten diese, als Dank den Ritt jedes Jahr zu wiederholen.

 

Beten statt Wischen

So ist der Ritt heute noch ein Zeugnis des christlichen Glaubens, der Heimatliebe und eine Tradition, die weite Kreise um Bad Kötzting herum über viele Wochen prägt. Aus Sicht eines Pfingstreiters wird darauf Wert gelegt, dass der Ritt als Wallfahrt erkennbar ist und nicht als Touristenattraktion wahrgenommen wird. Das Winken und Grüßen vom Pferd herab ist genauso verpönt wie auch Essen, Trinken, Rauchen, neuerdings auch Telefonieren oder sonstiges Wischen auf dem Smartphone. Es wird gebetet auf dem Pferd. Der Rosenkranz hat dabei eigene Gesetze und ist geprägt von einem Sprechrhythmus, der wohl einzigartig ist und nur von Pfingstreitern gepflegt wird. Die Pferde haben allerdings etwas anderes im Kopf als Beten, Bitten und Danken.

Wie Menschen verstehen sich auch nicht alle Pferde untereinander. Ein Hengst unter 800 anderen Pferden hat vielleicht noch nie so viele Stuten zusammen gesehen. Wenn sich ein Hengst aufplustert, wird auch dem geübteren Reiter einiges abverlangt.

Weg und Ziel des Pfingstritts

Die sogenannten Röserl aus Krepppapier zieren den Schweif, die Ohren und teils die Mähne des Pferdes. Die „Ohren“ sind ein Stoffüberzug für Ohren und Stirn des Rosses, an dem eigens für den Ritt angefertigte Röserl in den Farben der Stadt Kötzting grün und weiß befestigt werden, in Kreuzform oder in verschiedenen Mustern. Gebetet wird nicht nur dafür, dass uns der Herrgott vor Blitz, Hagel und jedem Unheil bewahren möge oder uns die Früchte des Feldes schenken und bewahren wolle, sondern auch, dass man im Sattel bleibt.

Ziel des Ritts ist neben der Erneuerung des Gelöbnisses, dem Gebet um gute Ernte und Verschonung von Gewalten, die der Mensch nicht im Griff hat, vor allem die Pfingstreitermesse in der Wallfahrtskapelle St. Nikolaus im erhöhten Zentrum von Steinbühl.

Es wird sehr viel auf Ehre, Würde, Tradition und einem dementsprechenden Verhaltenscodex gelegt. Das Allerheiligste wird in Form einer tragbaren Monstranz präsentiert. Daneben zählt vor allem, dass den Reitern, Rössern und auch den tausenden Zuschauern nichts Ernstes passiert – abgesehen von der breiten Gangweise eines Pfingstreiters am Ende des Tages, als hätte er immer noch den Sattel zwischen den Beinen. Es gibt Erholung bis zum nächsten Pfingsten, also bis vor Ostern.


Verfasst von:

Hannes Bräutigam

Redaktionsleiter