Kirchliches Engagement hat viele Gesichter
Wolfgang Beier, Jahrgang 1951, engagiert sich seit seiner Jugend ehrenamtlich in Kirche und Gesellschaft. Aktuell ist er Vorsitzender des Diözesanrates der Katholiken der Diözese Passau.
Warum engagieren Sie sich ehrenamtlich?
Diese Frage nach dem „Warum“ habe ich mir eigentlich nie gestellt. Seit meiner Schulzeit war es für mich selbstverständlich, mich für Politik zu interessieren und selbst ein „politischer“ Mensch zu sein: Über mich hinaus zu denken und mich für das Neue, das Bessere einzusetzen, etwas zu verändern. Kants kategorischen Imperativ und Goethes Anspruch „edel sei der Mensch, hilfreich und gut“ im Kopf waren meine Triebfeder und irgendwo spürte ich, dass es mehr gibt, als tägliche Aufgaben und Pflichten. Und so ist in den drei großen Lebensphasen Schule, Studium, Beruf das Ehrenamt immer die zweite Seite meiner Lebensmünze. Es ist Ausgleich, Ergänzung, Bereicherung, Bestätigung, Gewinn. Und auch mein Lebensglück: Denn ohne Ehrenamt wären meine Frau Hedwig und ich uns nie begegnet.
Wie sind Sie zum freiwilligen Engagement gekommen?
Im Juni 1969 schickte mich mein Vater zur Jahreshauptversammlung des Burschenvereins in unserem Ort, ich musste für ihn den Presseartikel übernehmen. Als ich wieder heim kam, war ich zum Schriftführer gewählt. Ein paar Wochen später schickte mich unser Ortspfarrer zur Dekanatsrunde der Landjugend, ab diesem Zeitpunkt hatte ich zwei „Standbeine“ für meine Ideen und meinen Tatendrang. Als ich dann 1972 zum Studium nach München zog, war es ein Brief mit einer Anfrage, der mich zur Landjugend der Diözese brachte und damit letztlich zum Engagement in der Kirche, bis heute. Es waren drei Menschen, die mich auf einen Weg brachten, der mich nie gereut hat.
Was beschäftigt Sie im Moment?
In meinen beiden Aufgaben als Bürgermeister und als Diözesanratsvorsitzender stelle ich mir die Frage, wohin wir uns in Gesellschaft und Kirche bewegen. Ich sehe eine Erosion unserer Demokratie, die sich ausdrückt in Desinteresse und abnehmender Beteiligung und die genährt wird von maximaler Befriedigungspolitik: Alle Leistungen so weit wie möglich kostenfrei und keine unbequemen Ansprüche stellen. Dem kann man auch in einer kleinen Gemeinde (2.500 Einwohner) kaum entgegen steuern, aber es ist noch leichter, die sozialen Bindekräfte unserer Gesellschaft – das Engagement der Bürger in vielen unterschiedlichen Bereichen – zu fördern und zu stärken. Und besonders wichtig ist mir, die Menschen am „Gemeinsamen Haus“ zu beteiligen. Das gelingt eher in wertorientierten Projekten, die zeitlich begrenzt sind, als in festen strukturellen Bindungen. Da sehe ich auch im pastoral-strukturellen Erneuerungsprozess in unserer Diözese eine große Herausforderung für uns ehrenamtliche Laien: Wie können wir Arbeitsweise und auch die Strukturen der Räte und Verbände so erneuern, dass wir wieder offen und anziehend sind für Menschen, die von Kirche in dieser Gesellschaft etwas erwarten.
Was wollen Sie bewegen?
Wenn ich auf meinen eigenen Lebensweg zurückschaue, dann waren es immer Menschen, die mich „bewegt“ haben, von denen ich gelernt habe, die mich auch im Glauben reifen ließen. Deswegen geht es mir jetzt, mehr als früher, um das Gespräch, die Begegnung, die Ermöglichung des Erzählens, das Zuhören, das bestätigende Nachfragen, die Anerkennung. Jenseits von allen Notwendigkeiten, die sich in meinen beiden Ämtern ergeben, kann ich so die Werte ins Gespräch bringen, die mir wichtig sind: Einfachheit des Lebens, Lebensrecht und Lebensgerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung, Zufriedenheit, Verantwortung, Glaube an die Liebe Gottes und die von ihm geschenkte Jenseitserwartung. Dies ist in mir durch das fast 50-jährige Ehrenamt geprägt worden – das möchte ich so gut es geht weitergeben. Deswegen hat für mich kirchliches und gesellschaftliches Ehrenamt auch Zukunft, weil es Menschen Leben erfahren lässt.
Foto: Privat