Meine Tochter Christiane ist genauso alt wie die Pfarrgemeinderäte im Bistum Eichstätt. Als ich sie als 28-jähriger Vater im Pfarramt zur Taufe anmeldete, sagte der damalige Pfarrer von Roth zu mir: „Für dich habe ich eine Aufgabe. Es sind bald Pfarrgemeinderatswahlen. Da musst du dich aufstellen lassen.“
Bei der konstituierenden Sitzung lehnte ich eine Kandidatur für den Vorsitz ab. Der Pfarrer sagte daraufhin: „Dann gehst du wenigstens als Vertreter der Pfarrei Roth in den Katholikenausschuss des Dekanats.“ So nahm ich am 15. Juni 1968 an der konstituierenden Sitzung des Katholikenausschusses (so hieß damals der Dekanatsrat) in Schwabach teil, bei der ich zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wurde.
Beim ersten Dekanatstag für Pfarrgemeinderäte, der knapp ein Jahr später stattfand, erklärte der Vorsitzende überraschend seinen Rücktritt. Daraufhin schlug mich der damalige Dekan mit den Worten „Herr Professor, das müssen Sie jetzt machen“ als Nachfolger vor. So wurde ich völlig überraschend nahezu einstimmig zum Vorsitzenden des Katholikenausschusses gewählt. Neuer Stellvertreter wurde mein ehemaliger Lateinlehrer.
In den folgenden Jahren wurde ich jeweils ohne Gegenkandidat dreizehnmal als Vorsitzender des Dekanatsrats wieder gewählt. Im Pfarrgemeinderat Roth war ich von 1968 bis 1998 und von 2006 bis 2018 tätig. Vorsitzender war ich von 1974 bis 1982, von 1986 bis 1990 und von 2010 bis 2018. Von 1971 bis 1974 und von 2006 bis 2010 war ich auch Mitglied des Diözesanrats. 1974 leitete ich die Gründungsversammlung der Katholischen Erwachsenenbildung Roth-Schwabach, in deren Verwaltungsrat ich von 1974 bis 2018 ununterbrochen tätig war.
Aller Anfang ist schwer
Die erste Zeit im Pfarrgemeinderat war schwierig und gewöhnungsbedürftig. Die amtlichen, gewählten und berufenen Mitglieder mussten sich erst aneinander gewöhnen. Trotz langer Diskussionen ist oft nicht viel dabei herausgekommen. Ich war dann froh, dass sich allmählich ein erster Schwerpunkt in der Arbeit abzeichnete, nämlich das Thema „Bildung und Erziehung“.
Im ersten Jahr seines Bestehens kam es fast zu keinen Sitzungen des Katholikenausschusses im Dekanat, die Vorstandsmitglieder tauschten sich nur brieflich und telefonisch aus, wobei hauptsächlich der erste Dekanatstag für alle Pfarrgemeinderäte vorbereitet wurde. Zu diesen Dekanatstagen, die meist ganztägig am Sonntag stattfanden, kamen in der damaligen Zeit bis zu 100 Pfarrgemeinderäte aus dem Dekanat zusammen. Seit dieser Zeit hat sich die Arbeitsweise des Dekanatsrats weitgehend stabilisiert. Der Vorstand des Dekanatsrats traf sich in der Regel zwei- bis dreimal pro Jahr, um aktuelle Themen zu besprechen und vor allem die beiden Vollversammlungen vorzubereiten. Zweimal im Jahr fanden die Vollversammlungen des Dekanatsrats in verschiedenen Pfarreien des Dekanats statt. Dabei war die Themenpalette sehr groß und sie änderte sich auch im Laufe der Zeit. Ferner führte der Dekanatsrat Dekanatstage oder Dekanatseinkehrtage für alle Pfarrgemeinderäte durch. Ab 1974 zeichnete der Dekanatsrat für die Wallfahrten verantwortlich. Die Teilnehmerzahl blieb bis in die achtziger Jahre recht hoch. In den Folgejahren wurde es immer schwieriger, genügend Gläubige für die Dekanatswallfahrt zu gewinnen, zumal auch mehrere Pfarreien eigene Wallfahrten zu Fuß oder mit dem Bus angeboten haben. Deshalb entschloss sich der Dekanatsrat, nur noch alle paar Jahre eine Dekanatswallfahrt innerhalb des Dekanats durchzuführen.
Nicht regelmäßig wiederkehrende Aktionen waren Dämmerschoppengespräche in zwangloser Atmosphäre, ein Treffen des Dekanatsrats mit den Synodalen 1972, Kontaktgespräche mit Landräten, Oberbürgermeistern und Mitgliedern des Staatlichen Schulamts, eine Podiumsdiskussion mit den Direktkandidaten für die Bundestagswahl 2013, Dekanatsbegegnungstage für alle Gläubigen, verbunden mit einem Treffen der Kinderchöre des Dekanats. Darüber hinaus veranstaltete der Dekanatsrat in früherer Zeit Kantoren- und Lektorenschulungen, Dekanatsministrantentage und Kirchenchortreffen. Diese Aufgaben wurden in der Zwischenzeit vom Jugendsekretariat und vom Regionalkantor übernommen. Besonders wichtig erschienen mir die Vertretungsaufgaben des Dekanatsrats gegenüber kirchlichen Einrichtungen. Sehr gerne nehme ich am Neujahrsempfang des Diözesanrats, der Sommerkonferenz der Dekane, Dekanatsreferenten und Dekanatsratsvorsitzenden und an der Einführung von neuernannten Pfarrern im Dekanat teil.
Stets im Wandel
In meiner 50-jährigen Tätigkeit in den Laiengremien gab es naturgemäß viele Veränderungen, so die positive Entwicklung der ökumenischen Beziehungen (regelmäßige ökumenische Gottesdienste, gemeinsame Sitzungen von Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand, Ökumeneflyer) und die Veränderung des Kirchenbildes von der versorgten zur mitsorgenden Gemeinde. Vor allem im Wort der deutschen Bischöfe vom 1. August 2015 „Gemeinsam Kirche sein“ wird dies deutlich. Die Gestalt der traditionellen Pfarrei ändert sich, es entsteht die „Pfarrei neueren Typs“, oft als Pastoralraum bezeichnet. Auch die kirchlichen Strukturen änderten sich immer wieder. So gab es zwei Dekanatsreformen 1974 und 2011 und die Seelsorgeeinheiten bzw. Pastoralräume wurden eingeführt.
In den 50 Jahren meiner Tätigkeit erlebte ich vier Bischöfe, sieben Dekane und sechs Pfarrer. Mit allen Geistlichen und auch mit den vielen Kollegen im Dekanats- und Pfarrgemeinderat konnte ich stets sehr gut zusammenarbeiten. Besonders wichtig waren mir auch die Pressearbeit und die Herausgabe eines Dekanatsbuchs und weiterer Schriften zu Jubiläen meiner Pfarrei.
Meiner Meinung nach wird die Kirche der Zukunft zwar zahlenmäßig kleiner, aber auch bunter und vielfältiger sein. Sie wird sich ständig erneuern. Sie wird ein Spiegelbild der allgemeinen gesellschaftlichen und weltweiten Entwicklung sein, in deren Mittelpunkt Globalisierung, Digitalisierung, Individualisierung und Eventisierung stehen. Die Kirche der Zukunft wird eine offene Gemeinschaft von vielen Gemeinschaften sein, von traditionellen Kirchgängern, von sporadischen Kirchenbesuchern, von Hauskreisen, von verschiedenen Gruppen, von großen Events. Diese Gemeinschaften sind durch die Taufe und durch christliche Grundüberzeugungen verbunden, bedürfen aber einer Koordination, was meines Erachtens nach der Pfarrgemeinderat leisten muss, der auch zunehmend die Charismen in den Pfarreien entdecken muss.
Bezüglich der Zukunft der Kirche und der Rätearbeit möchte ich abschließend auf einige Sorgen hinweisen. Die Gewinnung von ehrenamtlichen Mitarbeitern wird schwieriger, die Zusammenarbeit in den neuen Pastoralräumen ist gewöhnungsbedürftig, Fortschritte in der Ökumene kommen nicht von selbst, die Weitergabe des Glaubens an die nächste Generation ist in einer Zeit der Individualisierung schwierig geworden.
Trotz aller Sorgen möchte ich doch optimistisch in die Zukunft blicken. Die Kirche wird anders sein als im 20. Jahrhundert. Sie wird sich weiter wandeln. „Ecclesia semper reformanda“ wird auch in Zukunft gelten.
Illustration: Irstone / adobe Stock