Seit Menschengedenken werden bei katholischen Beerdigungen Sterbebilder ausgegeben. Sie sollen die Erinnerungen an die Verstorbenen nicht nur im engen Familienkreis wach halten, sondern auch Bestandteil der Geschichte einer Pfarrei sein. Sie geben Zeugnis über Menschen, die in der Pfarrei gelebt und zum Teil das Pfarrleben aktiv mitgestaltet haben.
Wir haben festgestellt, dass die Sterbebilder im Rahmen von Wohnungsauflösungen von den nachfolgenden Generationen einfach entsorgt werden. Deshalb hat die Kolpingfamilie in Wolframs- Eschenbach einen Aufruf gestartet, nicht mehr benötigte Sterbebilder abzugeben. Diese wurden im Rahmen einer Ausstellung der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie werden nunmehr registriert und im Stadtarchiv aufbewahrt und so der Nachwelt überlassen. In 14 Vitrinen konnten etwa 1.000 Sterbebilder gezeigt werden, wobei eine Vitrine ausschließlich den Soldaten des Zweiten Weltkrieges gewidmet war.
Bei der Vorbereitung der Ausstellung wurde deutlich, wie sehr die Bilder einen Wandel hin zum Moderneren erfahren haben. Dies gilt zunächst für das äußere Erscheinungsbild, mehr noch aber für die Inhalte auf den Sterbebildern. In früheren Zeiten waren die Gebetstexte und Gedichte individuell auf die Lebensvita und auf den letzten Lebensweg zum Tod der Verstorbenen zugeschnitten. So kann man sich, ohne den Verstorbenen näher gekannt zu haben, vorstellen, um welche Persönlichkeit es sich handelte und wie der Tod eingetreten ist (langes Leiden oder plötzlicher Tod). Beim Durchlesen dieser Texte kann eine tiefere Beziehung zum Verstorbenen entstehen. So fällt es leichter, für den Verstorbenen zu beten, wozu die Sterbebilder animieren wollen – ein wesentlicher Grund für die Ausgabe von Sterbebildern.
Leider hat der Zeitgeist dazu geführt, dass der Inhalt immer allgemeiner und wenig aussagekräftig gestaltet wird. Oftmals finden sich nur noch Passfoto sowie Geburts- und Sterbedaten. Das Gleiche gilt für die Gestaltung der Mantelseiten. In den 1950er bis 1970er Jahren wurden auf der Rückseite zum Verstorbenen passende Heiligenbilder abgedruckt. Ab den 1980er Jahren ist man in Wolframs- Eschenbach dazu übergegangen, Einzelmotive aus dem Liebfrauenmünster oder der St. Sebastianskirche zu verwenden. Leider ist dies wieder verloren gegangen und es werden neutrale Bilder abgedruckt, die zwar zum Sterben passen, jedoch keine konkrete Aussagekraft mehr beinhalten.
Das entspricht auch dem heutigen Umgang mit den Sterbebildern, die sehr schnell in den Schubladen verschwinden. In früheren Jahren waren die Bildchen in den eigenen Gebetbüchern als Merkzeichen stets präsent. In den langen Abenden der Wintermonate holte man die Sterbebilder immer wieder hervor, tauschte Erinnerungen an die vergangenen Zeiten mit den Verstorbenen aus und betete gemeinschaftlich oder im Stillen für sie. Deshalb sollte die Ausgabe von Sterbebildern nicht aufgegeben werden. Vielleicht lassen sich neue Formen des Erinnerns und des Gedenkens finden. Dazu zählen auch Ausstellungen in gewissen Zeitabständen. Auch der Einsatz der modernen elektronischen Technik sollte in Erwägung gezogen werden. Die Verstorbenen haben es verdient, dass man ihrer gedenkt.
Von Erwin Seitz
Kolpingfamilie Wolframs-Eschenbach
1 Kommentar
Sehr geehrter Herr Seitz,
ich finde es sehr schön, dass Sie von der Kolpingfamilie dazu beitragen, die Sterbebildchen zu bewahren. Ich selbst sammle ebenso – beruflich (als Leiter des Stadtarchivs) und privat (als „gelernter“ Volkskundler) – da ich der Meinung bin, dass es kein Mensch verdient, in Vergessenheit zu geraten. Ganz davon abgesehen, dass die Sterbebildchen auch noch wichtige Hinweise liefern auf den Wandel in der Sepulkralkultur. Und wenn ich dann Bildchen in der Hand halte von Menschen, die schon vor 70, 80 Jahren gestorben sind, denke ich mir oft: Das Grab wohl längst aufgelöst. Die letzten Verwandten vielleicht schon selbst längst verstorben. Also ist dieses Bildchen eine der wenigen Spuren, die noch auf das Leben dieses Menschen hindeuten. Definitiv sind sie zu schade für die blaue Tonne, und ich finde es auch traurig, auf diese Weise das Andenken an einen Menschen gewissermaßen wegzuwerfen. Deshalb bewahre ich in meinem dienstlichen Archiv all diejenigen auf, die mit unserer Stadt in irgendeiner Weise in Kontakt gestanden haben, und in meinem privaten jedes Bildchen, dessen ich habhaft werde – ob ich den Verstorbenen kannte oder nicht, ob er aus meiner Region stammte oder ganz woanders her, ob er prominent war oder unbekannt. Meine Frau und ich haben aber auch schon viel Unverständnis erfahren, wenn wir – etwa bei Wohnungsauflösungen – nach Sterbebildern gefragt haben. Die beste Antwort bisher: „Sie sammeln Sterbebilder? Das ist ja pervers!“ Finde ich allerdings ganz und gar nicht, und deshalb wünsche ich Ihnen weiterhin viel Erfolg beim Zusammentragen dieser „papierenen Epitaphe“ und auch bei der Präsentation derselben.