Barbara Schmidt leitet seit 2017 die Misereor Arbeitsstelle in Bayern. Als das Hilfswerk vor 60 Jahren gegründet wurde, war eines der wichtigsten Ziele, den Hunger in der Welt zu bekämpfen. Heute hungern Menschen noch immer. Barbara Schmidt sieht sich mit ihrer Arbeit im Dienst für eine gerechtere Welt. Die Misereor-Fastenaktion ist ein Mittel dazu. Sie steht heuer unter dem Leitwort „Heute schon die Welt verändert?“.
Gemeinde creativ: Frau Schmidt, haben weltkirchliche Themen Sie schon immer interessiert?
Barbara Schmidt: Diese Themen begleiten mich schon seit meiner Jugend. Bei Aktionen der Jugendverbände, im Studium, aber auch beruflich in der Katholischen Landjugendbewegung Bayern (KLJB) haben wir immer wieder globale Krisen oder Fluchtbewegungen thematisiert. Mich hat das immer schon angerührt, dass wir in einer Welt leben, in der Arm und Reich relativ ungleich verteilt sind. Mein Firmpate war in einer Schweizer Missionsgesellschaft tätig. Da habe ich erste Einblicke in die Entwicklungszusammenarbeit erhalten. Die Vielfalt von Weltkirche hat mich schon früh fasziniert, unter anderem während meines Auslandsstudienjahres in Prag und vor allem der Austausch mit Menschen aus anderen Erdteilen. Wenn Gäste aus Afrika oder Lateinamerika da sind, dann ist so ein Gottesdienst oder Gemeindeabend gleich viel bunter, es wird getanzt, alle sind in Bewegung. Das sind richtige Feste, an die man sich noch lange gerne erinnert.
Was sind die Aufgaben der Misereor Arbeitsstelle Bayern?
Wir gehören zur Abteilung Inlandsarbeit von Misereor. Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist es, Brücken zu bauen zwischen den Menschen in Bayern und den Menschen in den Projekten auf anderen Kontinenten, aber auch zwischen Misereor und den Pfarrgemeinden, den Schulen, Verbänden und anderen Bildungsträgern hier in Bayern. Wir machen Bildungsarbeit, wollen mit unseren Publikationen und Kampagnen für die Themen der Einen Welt sensibilisieren und leisten wichtige Vernetzungsarbeit im inner- und außerkirchlichen Bereich, in Gesellschaft und Politik. Letztendlich geht es darum, Misereor in Bayern ein Gesicht zu geben: präsent zu sein, ansprechbar zu sein für Fragen rund um Entwicklungszusammenarbeit, Partnerschaften und Projekte in Afrika, Asien, Ozeanien und Lateinamerika. Außerdem geht es darum, immer wieder die Stimme für mehr Gerechtigkeit und weltweite Solidarität zu erheben.
Was hat Sie an dieser Stelle besonders gereizt?
Einer der Aufträge, den Kardinal Frings bei der Gründung Misereors formuliert hat, lautet: Den Mächtigen ins Gewissen reden. So verstehe ich auch meine Aufgabe. Die Mächtigen sind einerseits die großen Entscheider in Politik, Kirche und Wirtschaft, aber auch jeder von uns als Bürger, Konsument und als Christ. Ich möchte meinen Beitrag zu einer gerechteren Welt und einer weltkirchlich offenen Kirche leisten – dass ich das hier in meiner Heimat, in Bayern, tun kann, ist natürlich besonders schön. Zum einen also dieser politische Aspekt, dann aber auch – ganz im Sinn von Papst Franziskus und seiner Enzyklika Laudato si‘ – der Einsatz für die Armen und Benachteiligten. Die Verbindung von globaler Gerechtigkeit und Umweltfragen ist ein Knackpunkt unserer Zeit. Ebenso die Suche nach einer weltoffenen, geerdeten, Verantwortung übernehmenden Grundhaltung. Daran müssen wir weiterarbeiten und das Potenzial unserer christlichen Spiritualität(en) wiederentdecken und konstruktiv ins Gespräch bringen.
Gibt es schon konkrete Ideen für Projekte oder Kooperationen?
Vernetzung ist für mich sehr wichtig: Dran bleiben an Themen, im Kontakt sein mit den verschiedenen Akteuren – den Diözesen, Pfarreien, Verbänden, anderen Hilfswerken, dem Landeskomitee der Katholiken in Bayern, dem Eine Welt Netzwerk Bayern und den vielen Transformationsbewegungen unserer Gesellschaft. Wenn ich auf die Jugendlichen und die Jugendverbände schaue, dann beschäftigen diese sich intensiv mit Themen wie Klimaschutz, globaler Gerechtigkeit, kritischem Konsum und (Post)Wachstum. Hier braucht es eine Plattform, zum Austauschen von Ideen und gemeinsames Handeln. Wir müssen uns auch immer fragen: Was ist das spezifisch Christliche, das explizit Katholische, das Nährende in Spiritualität, das wir einbringen können?
Die kommende Fastenaktion hat Sie momentan sicher voll im Griff. Wie können Pfarrgemeinden hier ganz konkret aktiv werden?
Wir haben ein breites Potpourri an Möglichkeiten, wie sich Pfarrgemeinden und auch Ortsgruppen von Verbänden beteiligen können. Der Klassiker ist natürlich das Fastenessen. Dazu gibt es von uns verschiedene Rezepte, Vorschläge, Werbematerialien und auch Planungshilfen. Das Fastenessen ist eine gute Gelegenheit, Gemeinschaft erlebbar zu machen, indem man gemeinsam Gottesdienst feiert und dann zusammen isst. Fastenessen sollen stets einfache Gerichte sein, das macht uns wieder bewusst, wie kostbar Lebensmittel sind und dass es noch immer viele Menschen gibt, die nicht jeden Tag genügend zu essen haben. Daneben gibt es auch heuer wieder passend zum Thema der Fastenaktion Arbeitshilfen mit liturgischen Bausteinen für Gottesdienste, Früh- und Spätschichten, wir haben Hungertuchandachten, Meditationen und natürlich besteht auch wieder die Möglichkeit, Gäste in die Pfarrei einzuladen.
Partnerland ist in diesem Jahr Indien. Welche Themen rückt die Fastenaktion speziell in den Fokus?
Die Fastenaktion wird heuer als gemeinsame Fastenaktion mit der indischen Bischofskonferenz und Caritas Indien durchgeführt. Das Motto lautet „Heute schon die Welt verändert?“. Ein Hauptaspekt ist die Frage nach Lebensqualität, was in Indien und Deutschland sehr unterschiedliche Ausgangssituationen und Facetten hat. In Indien ist der Fokus auf den Klimawandel gerichtet. In Deutschland haben wir drei Themen im Blick: Klimagerechtigkeit, Fairer Handel und die Sozialraumgestaltung.
Sie waren zur Vorbereitung der Fastenaktion mit Multiplikatoren in Indien, können Sie uns Ihre Eindrücke der Reise schildern?
Indien ist ein Land der Gegensätze, der kulturellen und religiösen Vielfalt. Sehr bunt, dicht, hektisch, mit wunderbaren offenen Menschen und viel Spiritualität. Wir haben zwei Projekte besucht und sind dort sehr herzlich empfangen worden. Unsere Partner – die im Übrigen nicht unbedingt aktive Kirchenmitglieder sind, weil Misereor schon immer auch ganz unabhängig von der Religionszugehörigkeit fördert – freuen sich schon sehr auf die gemeinsame Fastenaktion. Wir haben gesehen, dass die Menschen durch die Projektarbeit Würde und Stolz bekommen. Gerade in Indien, wo das Kastensystem noch immer verbreitet ist, ist das sehr wichtig. Dass auch die Frauen uns sehr offen und sehr selbstbewusst gegenüber getreten sind, war sehr berührend. Man begrüßt sich in Indien mit Namaste, das heißt so viel wie „der Gott in mir grüßt den Gott in dir“. Ich finde, das ist eine sehr schöne Form der Begrüßung, die zeigt, dass Gäste wertgeschätzt werden. Im Bayerischen ist das ähnlich.
Die Fastenaktion wird heuer 60 Jahre alt. Warum hat man sie damals gestartet?
Misereor ist vor 60 Jahren gegründet worden, um den Hunger in der Welt zu bekämpfen. Die Gründung fällt in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als ein gewisser Wohlstand Einzug hielt, in der es auch eine Aufbruchsstimmung gab. Ich weiß nicht, ob man es damals für möglich gehalten hätte, dass man heute, 60 Jahre danach, noch immer mit denselben Problemen zu kämpfen hat. Sicher, man hat große Fortschritte gemacht, aber noch immer sterben Menschen am Hunger. Unser Auftrag ist noch nicht erfüllt. Auch die diesjährige Fastenaktion will das ins Gedächtnis rufen. Sie lädt ein, innezuhalten, den eigenen Lebensstil zu hinterfragen und jene urchristliche Fragen zu stellen: Was braucht mein Nächster – und ist dieser Nächste vielleicht der, der mir am Fernsten erscheint?
Wie gestalten Sie ganz persönlich die Fastenzeit?
Für mich ist Fasten auch eine Frage des Lebensstils. Ich versuche das ganze Jahr über Ressourcen zu schonen und bewusst einzukaufen: regional und saisonal sowie Fair Trade. Die Fastenzeit ist aber dennoch für mich eine Art Übungszeit, in der ich mich mit diesen Punkten noch einmal intensiv auseinandersetze. Welchen Fußabdruck hinterlasse ich wirklich auf dieser Welt? Ich persönlich verzichte dann bewusst auf Fleisch. Außerdem ist es mir wichtig – trotz der vielen Termine, die gerade in der Fastenzeit auf mich warten, schließlich wollen wir die Themen der Fastenaktion ja unter die Leute bringen – Zeit für die persönliche Besinnung zu finden.

Foto: Alexandra Hofstätter
Barbara Schmidt (33) ist Diplomtheologin und Trainerin für transkulturelles Lernen und gewaltfreie Konfliktbearbeitung.
Ursprünglich stammt sie aus der Diözese Passau, ist auf dem Land aufgewachsen und dort bereits in der Jugendarbeit mit weltkirchlichen Themen in Berührung gekommen.
Nach dem Studium hat sie als theologische Referentin bei der Katholischen Landjugendbewegung (KLJB) Bayern gearbeitet.
Zuletzt war sie im Religionspädagogischen Zentrum Bayern für die Fort- und Weiterbildung der Mittelschullehrer zuständig.
Seit September leitet sie die Misereor Arbeitsstelle Bayern.
Fastenaktion 2018
Die bundesweite Eröffnung der 60. Misereor Fastenaktion findet am 18. Februar 2018 um 10 Uhr im Dom zu Unserer Lieben Frau in München statt. Die Jugendaktion wird bereits einen Tag früher ab 15.30 Uhr in St. Lantpert (U-Bahn Milbertshofen) eröffnet. Gäste aus Indien werden jeweils vor Ort sein. Im Vorfeld und während der Fastenzeit gibt es zahlreiche Veranstaltungen zum Partnerland, wie die Vortragsreihe „Indien ist …? Anders!“ und eine Podiumsdiskussion zum Motto „Heute schon die Welt verändert?“ am 16. Februar 2018 in der Hochschule für Philosophie München.
Bei Fragen zur Fastenaktion, Workshops und Referentenanfragen sowie Misereor-Themen allgemein hilft die Misereor Arbeitsstelle Bayern, Dachauer Str. 5, 80335 München, Tel. 089 59 82 79. Email: bayern@misereor.de.