Wie Pfarrgemeinderäte mit Konflikten im Gremium gut umgehen können
Geht es bei einer Diskussion lebhaft her, werden selten lediglich Tatsachen berichtet. Man denke an Diskussionen über die Chancen und Gefahren des Internets. Oder über das brisante Thema „Sterbehilfe“. Schnell kann es zu persönlichen Angriffen kommen. Das geschieht auch in Pfarrgemeinderäten. Deshalb ist es für die Mitglieder dieser Gremien wichtig ist, die eigene Konfliktfähigkeit zu trainieren.
Wer eine abweichende Meinung äußert, muss mitunter mit einer Kaskade von Vorwürfen rechnen: „Wie kann man nur!“ Oder: „Das geht gar nicht!“ Meist hat derjenige, der etwas Unorthodoxes in die Diskussion einbringt, nicht mal die Chance, auszureden. Passiert das öfter, kann dies ein Gefühl starker Abneigung fördern – im schlimmsten Fall gar Hass. Schließlich will niemand wegen seiner Ansichten permanent „niedergebügelt“ werden. „Ausreden lassen!“ und „Zuhören!“ gehört denn auch zu den goldenen Regeln des Leitfadens „Gruppenprozesse verstehen, Konflikte lösen“ für Pfarrgemeinderäte im Erzbistum München und Freising.
Natürlich könnte man den anderen manchmal auf den Mond schießen. Was er sagt, macht furchtbar wütend. Zu erkennen, dass gerade Wut aufsteigt, ist im Sinn eines guten Umgangs mit Konflikten ebenfalls wichtig. Die „Acht Empfehlungen für das konkrete Verhalten in Konfliktsituationen“ des Leitfadens fordern auf, im Konfliktfall die eigenen Gefühle zu überprüfen: Was wird in mir ausgelöst? Es kann helfen, dies dem Gegenüber in „Ich-Form“ mitzuteilen: „Was du gerade gesagt hast, macht mich echt wütend!“
Im Vorteil ist, wer bereits in seiner Jugendzeit, etwa bei den Pfadfindern, gelernt hat, konstruktiv mit Konflikten umzugehen. Doch das dürfte eher die Ausnahme als die Regel sein. Viele Menschen sind mit der Kunst der Konfliktlösung nicht vertraut. In diesem Fall hilft auch eine schriftliche Handlungsanweisung nur bedingt weiter. „Deshalb haben wir in dem Leitfaden verschiedene Ansprechpartner bei Konflikten angegeben“, sagt Sepp Peis, Geschäftsführer des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum München und Freising.
Haben alle die Nase gestrichen voll von schwelenden, schier unlösbar erscheinenden Konflikten, kann Mediation hilfreich sein. Der Fachbereich „Supervision, Coaching, Mediation“ des Erzbistums berät Haupt- und Ehrenamtliche, ob in einem konkreten Fall Mediation einsetzbar ist. Er stellt Mediatoren zur Verfügung und beteiligt sich an den Kosten. Peis würde sich darüber hinaus wünschen, dass der Diözesanrat über Konflikte, in die der Pfarrgemeinderat involviert ist, informiert wird: „Das funktioniert in der Praxis leider nicht immer.“
Rückfragen stellen
Wie man gut reagiert, wenn der andere eine nach eigener Meinung irrige Ansicht vertritt, kann man bei Margarita Spiegler lernen. Die 56-jährige Trainerin bietet vor allem auch im kirchlichen Kontext Seminare an. Eine irrige Anschauung könnte etwa lauten: „Flüchtlingsfrauen wollen nicht arbeiten gehen.“ In so einem Fall sind Rückfragen ratsam. „Wie kommt der andere zu dieser Ansicht?“ Vielleicht hat er einmal eine Flüchtlingsfrau begleitet, die tatsächlich keinen Job annehmen wollte. Kommt das heraus, könnte man nachfragen: „Denkst Du, dass das immer so ist?“
Dass in der pfarreilichen Arbeit ständig etwas „on top“ kommt und den Stresspegel steigen lässt, begünstigt Konflikte. Datenschutz, neue Auflagen bei Veranstaltungen, die Corona-Pandemie: ständig ist mehr zu machen. Wobei oft gleichzeitig der Stress im eigenen Job steigt. Das kann für Gereiztheit bei Sitzungen sorgen. Wache Pfarrgemeinderäte spüren, dass das gestiegene Stresslevel dringend angesprochen werden muss, um Konflikte bereits im Vorfeld zu vermeiden. „Man könnte etwa die Frage stellen, wie man unter den momentanen Bedingungen miteinander arbeiten möchte“, so Spiegler.

Wer Ärger spürt, sollte seine eigenen Gefühle überprüfen: Was wird in mir ausgelöst? Im besten Fall ist es möglich, diese Gefühle in Ich-Form zu äußern.
Seit langem schwelende Konflikte sind nicht im Handumdrehen zu lösen, selbst mit den besten Strategietipps nicht. Bei Verhärtungen, die jedes vernünftige Gespräch unmöglich machen, weil andere Meinungen aufgrund von Animositäten nicht mehr akzeptiert werden, empfiehlt deshalb auch Margarita Spiegler, einen Mediator einzuschalten. Pfarrgemeinderäte seien nun mal nicht per se Kommunikationsexperten, Psychologen oder Pädagogen. Das müssen sie auch nicht sein. Wichtig sei jedoch, sich Expertise zu holen. Im besten Fall, um Konfliktquellen in Zukunft selbst entlarven zu können.
Ständige Ironie oder häufige polemische Äußerungen können solche Konfliktquellen darstellen und das Klima in einem Pfarrgemeinderat vergiften. „Pflegt jemand einen solchen Gesprächsstil, sollte man mit ihm ein Vier-Augen-Gespräch führen“, sagt Spiegler. Dabei empfiehlt sich ein positiver Einstieg: „Ich finde es wirklich gut, dass du dir so viele Gedanken gemacht hast…“ Danach sollte das störende Gesprächsverhalten ohne Vorwurf angesprochen werden.
Streitkultur etablieren
In der Diözese Würzburg haben zwölf Gemeindeberater etliche Vorschläge im Gepäck, was im Konfliktfall helfen könnte. Wobei Andreas Bergmann vom Sprecherduo der „AG Gemeindeberatung“ lieber von „Interessensverschiedenheiten“ statt von Konflikten spricht. Um mit unterschiedlichen Interessen im Pfarrgemeinderat gut umzugehen, könne es sinnvoll sein, eine Dialog- oder Streitkultur zu etablieren. Dabei wird festgelegt, dass man die Meinung des anderen als Erweiterung der eigenen Sichtweise ansieht. Niemand wird der „gute Wille“ abgesprochen. Gelingt dies nicht, ist es auch laut Bergmann sinnvoll, sich Rat von außen zu holen.
Meist gehört allerdings ein Quantum Mut dazu, Externe um Hilfe zu bitten. „Sich in der Konfliktklärung begleiten zu lassen, verdient hohen Respekt“, sagt Bergmann: „Das ist nicht peinlich, sondern zeugt von Größe, zum Konflikt zu stehen und ihn fair auszutragen.“ Wie schnell der Konflikt sich löst und die Beteiligten ihre Energie wieder in ihr Amt investieren können, ist unterschiedlich. Gut sei es, so zeitnah wie möglich einen ersten Beratungstermin zu vereinbaren: „Das bestärkt die Beteiligten in ihrem Mut, den Konflikt konstruktiv anzugehen.“
Natürlich ist es nervig, wenn im Pfarrgemeinderat in einem fort gestritten wird. „Doch die Konflikte sind nicht das eigentliche Problem“, sagt Regina Thonius-Brendle, Bergmanns Sprecherkollegin in der AG Gemeindeberatung. Aggression besitze Energie: „Wichtig ist, dass jene Energie in Spannungssituationen nicht zerstörerisch wirkt, sondern konstruktiv genutzt wird.“ Wie kann die Angriffslust, die Lust zur Auseinandersetzung, in gegenseitigem Respekt für Entwicklung wirksam werden? Mit dieser Frage geht Regina Thonius-Brendle, wird sie gerufen, an Konflikte heran.
Gerade weil es in vielen Pfarrgemeinden im Moment rund geht, ist das Thema „Konflikte“ hochaktuell. Regina Thonius-Brendle denkt zum Beispiel an die momentanen kirchlichen Veränderungen: „Damit gehen unterschiedliche Kirchenbilder sowie Rollenerwartungen an ehren- und hauptamtliches Engagement einher.“ Hinzu kämen „klassische“ Konfliktanlässe: „Menschen unterschiedlicher Temperamente arbeiten mehr oder weniger gerne zusammen. Außerdem treffen unterschiedliche Arbeitsstile aufeinander.
Dass sich die Gemüter aus diesem Grund mitunter an einer strittigen Frage entzünden, ist auch für Reinhard Böhm, Leiter der Gemeindeberatung im Bistum Regensburg, nachvollziehbar. Lösungen zu finden, sei möglich, wenn die Beteiligten „zu einem Mindestmaß an Selbstreflexion und Einlassen auf das Gegenüber“ in der Lage sind. Klärungsgespräche dienten nicht zuletzt auch dazu, herauszufinden, ob ein weiterer Austausch überhaupt Sinn macht. Manchmal, so Reinhard Böhm, fehlt die wirkliche Bereitschaft dazu.
„Gruppenprozesse verstehen, Konflikte lösen“ ist ein Kapitel in der umfangreichen Arbeitshilfe Vernetzen, Kommunizieren, Vorausdenken, Position beziehen. Leitfaden für Pfarrgemeinderäte und Pfarrgemeinderätinnen, die der Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum München und Freising herausgegeben hat. Darin finden sich außerdem viele praktische Hilfen für ein lebendiges Gemeindeleben, Hintergrundinformationen zu Geschichte und Struktur der kirchlichen Laienarbeit, rechtliche Hilfestellungen und Tipps für gelingendes Arbeiten im Gremium. Die Broschüre kann auf der Homepage des Diözesanrats heruntergeladen und bestellt werden.
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Foto: Pat Christ