Leichte Sprache ist ein – leider noch zu oft vernachlässigter – Aspekt von Barrierefreiheit und bildet die Grundlage für eine barrierefreie Kommunikation, die möglichst vielen Menschen zu Gute kommen soll. Leichte Sprache fordert auch die UN-Behindertenrechtskonvention (Artikel 21 „Recht der freien Meinungsäußerung, Meinungsfreiheit und Zugang zu Informationen“). Sie hilft vielen Menschen, Informationen besser zu verstehen. Inzwischen gibt es Regelwerke und Vorgehensweisen, die sich etabliert haben.
Das Bundessozialgericht hat am 6. März 2012 geurteilt, dass die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland den gleichen Rang wie ein Bundesgesetz hat und die Vorgaben der Konvention von deutschen Gerichten berücksichtigt werden müssen, soweit sie nicht gegen das Grundgesetz verstoßen.
Zur definierten Zielgruppe von Leichter Sprache gehören etwa acht Millionen Menschen in Deutschland. Dies entspricht etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung. Vor allem gehören dazu Menschen mit Lernschwierigkeiten (Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung), Menschen mit funktionalem Analphabetismus sowie Menschen mit Migrationshintergrund, die gerade die deutsche Sprache erlernen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass Leichte Sprache noch vielen weiteren Menschen nützt, da Informationen kurz, kompakt und verständlich aufbereitet werden.
Merkmale der Leichten Sprache
Mittlerweile gibt es verschiedene Regelwerke für Texte in Leichter Sprache. Alle bekannten Regelwerke benennen im Wesentlichen die gleichen Merkmale.
Die wichtigsten davon sind:
- Es müssen kurze Sätze formuliert werden (nur ungefähr zehn Worte pro Satz).
- Jeder Satz darf nur eine Information enthalten.
- Jeder Satz muss in einer neuen Zeile beginnen.
- Die Texte müssen in Schriftgröße 14 geschrieben werden und es muss eine gut lesbare, serifenlose Schriftart verwendet werden. Am häufigsten wird die Schriftart Arial
- Fremdwörter und Fachbegriffe sollen vermieden werden. Ist dies nicht möglich, müssen sie im Text gut erklärt werden.
- Zusammengesetzte Substantive sollen getrennt werden. Hierfür gibt es gegenwärtig zwei akzeptierte Möglichkeiten. Häufiger ist die Trennung mit einem Bindestrich. Es ist aber auch eine Worttrennung mit dem Mediopunkt zulässig (vgl. Beispiel Domführer in Leichter Sprache des Bistums Regensburg).
- Um den Lesefluss zu erleichtern, muss jeder Text in mehrere übersichtliche Absätze unterteilt werden.
- Jeder Text muss eine aussagekräftige Bebilderung erhalten. Hier kann sowohl mit Fotos als auch mit Illustrationen gearbeitet werden. Wichtig dabei ist, dass das Zwei-Sinne-Prinzip eingehalten wird.
Wie entsteht ein Text in Leichter Sprache?
Die meisten Texte in Leichter Sprache sind Übersetzungen. Das bedeutet, ein Text in Standardsprache dient als Vorlage. Aus diesem Originaltext werden die wesentlichen Inhalte in Leichte Sprache übersetzt. Danach werden geeignete Bilder gesucht und zum Text hinzugefügt.
Wer überse
tzt die Texte in Leichte Sprache?
Um Übersetzer für Leichte Sprache zu werden, muss man an einer mehrtägigen Schulung teilnehmen. Nach erfolgreich abgeschlossener Schulung erhält man ein Zertifikat. Das ist aber erst der Grundstein. Um professionell Texte in Leichte Sprache zu übersetzen, muss man sehr viel üben, um ein Gefühl für die Feinheiten der Leichten Sprache und für die Perspektive der Zielgruppe zu entwickeln. Denn darin besteht letztendlich die große Herausforderung bei der Leichten Sprache.
Vorwissen in den Bereichen Sonderpädagogik, Inklusion, aber auch Journalismus oder Sprachwissenschaften ist dabei sicher hilfreich, aber kein Muss.
Und dann ist der Text fertig?
Nein! Jetzt erst kommt der wichtigste Teil bei einer professionellen Übersetzung in Leichte Sprache. Es muss noch geprüft werden, ob die Übersetzung für die Zielgruppe auch wirklich gut verständlich ist. Dazu arbeiten Büros für Leichte Sprache mit speziell geschulten Prüfgruppen zusammen. Die Prüfgruppen setzen sich aus Menschen mit Lernschwierigkeiten zusammen. Dadurch bekommt jeder, der eine Übersetzung in Leichte Sprache in Auftrag gibt, die Garantie, dass die Texte von Personen aus der Zielgruppe auch tatsächlich verstanden werden. Texte in Leichter Sprache entstehen in einem inklusiven Prozess, bei dem Menschen mit und ohne Behinderung auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Zeigt sich bei der Prüfung, dass noch nicht alle Inhalte aus dem Text verständlich sind, muss der Text noch einmal auf Grundlage der Anmerkungen der Prüfgruppe überarbeitet werden. Erst wenn die Mitglieder der Prüfgruppe bestätigen, dass sie den Text vollständig verstanden haben, ist die Prüfung abgeschlossen.
Kann man überhaupt jeden Text übersetzen?
Grundsätzlich kann man alles in Leichte Sprache übersetzen. Dabei darf man allerdings nicht vergessen, dass Texte in Leichter Sprache länger werden als die jeweiligen Originaltexte. Je nach Schwierigkeitsgrad und Informationsdichte des Originaltexts kann die Übersetzung schon einmal die drei- oder vierfache Länge haben. Für die Zielgruppe sind Texte, auch wenn sie in Leichter Sprache geschrieben sind, ab einer gewissen Länge zu anstrengend. Hier variieren die Empfehlungen für die maximal vertretbare Länge zwischen 30 und 50 Seiten. Um die Zielgruppe nicht zu überfordern, ist es manchmal auch ratsam, „nur“ eine Zusammenfassung des Originaltexts zu übersetzen.
Aus meiner eigenen Erfahrung als Übersetzer für Leichte Sprache weiß ich, dass man wirklich sehr viele Themen in Leichter Sprache verständlich formulieren kann. Die Bandbreite reicht dabei zum Beispiel von Stadtführern über Parteiprogramme, Formulare von Ämtern und Behörden, bis hin zu religiösen Schriften und medizinischen Informationsblättern. Texte in Leichter Sprache können sowohl als gedruckte Broschüren oder Flyer veröffentlicht werden als auch digital auf Websites. Bei einer Online-Veröffentlichung sollte allerdings beachtet werden, dass die betreffende Website auch über eine einfache und übersichtliche Navigation verfügt. Auch Audioguides, zum Beispiel für Museen, können in Leichter Sprache realisiert werden. Einige Museen bieten diesen Service bereits an.
Ein Gedanke zum Schluss
Jeder Text, der in Leichter Sprache verfügbar ist, verbessert die Teilhabe der Zielgruppe am gesellschaftlichen Leben und fördert deren Selbstbestimmung. Bei der Auswahl der zu übersetzenden Texte sollte allerdings darauf geachtet werden, dass sie die betreffenden Menschen auch tatsächlich interessieren, beziehungsweise eine Relevanz für ihren Alltag haben. Es ist zum Beispiel wenig ratsam, einen wissenschaftlichen Artikel über die Relativitätstheorie von Albert Einstein in Leichte Sprache zu übersetzen. Zum einen, da für die Übersetzer mit steigender Komplexität des Themas natürlich auch die Einarbeitungszeit in die Materie stark zunimmt. Zum anderen wird ein solcher Text bei der Zielgruppe wenig Interesse wecken, ganz abgesehen davon, dass er viel zu lang werden würde.
Texte in Leichter Sprache, die der Zielgruppe nützen, sind für alle Seiten ein Gewinn und schaden niemandem. Wir sollten alle mithelfen, die Leichte Sprache bekannter zu machen. Denn auch die barrierefreie Kommunikation ist ein Teil der Inklusion, der endlich zu seinem Recht kommen muss!
Beitragsbild: Leichte Sprache hilft nicht nur Menschen mit Lernschwierigkeiten, sondern auch Migranten, die gerade erst die deutsche Sprache erlernen. (Adobe Stock / Brigitte Bonaposta)