Formel 1, Fußball, Biathlon und Basketball, Tour de France – Sportarten, die rund um den Globus Millionen Fans begeistern. Doch immer wieder kommt es zu Konflikten – für den Bau von Sportanlagen wird die Umwelt zerstört, werden Menschenrechte verletzt, Doping-Skandale erschüttern die Sportwelt und nachhaltig ist so ein Tross, der um die Welt zieht, nun wirklich auch nicht.
„Ich hab‘ noch nicht einen einzigen Sklaven in Katar gesehen“ – die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft an Katar für das Jahr 2022 steht seit Jahren in der Kritik. Der Vorwurf: die Zustände auf den WM-Baustellen seien katastrophal und menschenunwürdig. Franz Beckenbauer konnte der Diskussion mit dieser Aussage aus dem Jahr 2015 kein Ende setzen, ganz im Gegenteil.
Weil in Katar praktische Arbeit als verpönt gilt, werden die allermeisten schweren Handarbeiten auf den Baustellen der geplanten Fußball-WM von Gastarbeitern ausgeführt. Diese kommen aus Nepal, Indien oder Pakistan. Sie arbeiten unter schwierigen, teils lebensgefährlichen Bedingungen, ohne Versicherungsschutz und erhalten doch nur wenig Lohn. Amnestiy International hat diesen Skandal vor einigen Jahren öffentlich gemacht, viele weltweit renommierte Medien wie beispielsweise der Guardian haben daraufhin recherchiert und die Situation bestätigt: hunderte Menschen sollen auf den Baustellen für die Fußball-WM bereits zu Tode gekommen sein, gestorben an Herzversagen nach extrem langen Schichten in der brütenden Hitze von bis zu 50 Grad oder durch Arbeitsunfälle.
Inzwischen ist es längst wieder ruhig geworden. Die Arbeiten auf den WM-Baustellen gehen weiter – ob sich für die Arbeiter etwas geändert hat? – die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit ist weitergezogen, so wie sie es immer tut. Vermutlich ist das der Grund, weswegen sich nur selten etwas nachhaltig ändert. Für eine kurze Zeit, zumeist nur wenige Tage, sind die Medien voll mit kritischen Artikeln, Zeitungen überschlagen sich mit Headlines und das Thema schafft es in die Hauptausgaben der Nachrichtensendungen – dann ebbt das Interesse jedoch schnell wieder ab, ein neues Thema steht im Fokus.
Im vergangenen Sommer dann war Katar wieder in den Schlagzeilen, wieder ging es um Sport und wieder war es keine Positivwerbung. Die Leichtathletik-Weltmeisterschaft wurde zur Farce. Da waren die leeren Ränge, die vom Desinteresse der eigenen Bevölkerung für Events dieser Art zeugten, zwar eine traurige Nebenerscheinung, aber längst nicht das größte Problem. Die klimatischen Verhältnisse waren für alle Athleten eine Zumutung, vor allem aber für Ausdauersportler: zahlreiche Athletinnen und Athleten kollabierten, der Marathon der Frauen ging als K.O.-Marathon in die Geschichtsbücher ein: von 68 Teilnehmerinnen brachen 28 zusammen. Ein Problem, das auch für die Fußball-WM in knapp zwei Jahren ansteht. Die Lösung sollen klimatisierte Stadien sein. Klimaschutz?
Und immer wieder Doping
In Doha bremste aber nicht nur die Hitze jede sportliche Euphorie aus. Die WM bekam auch ihren Doping-Skandal. Der Cheftrainer des Nike Oregon Projects – eine vom Sportartikelhersteller Nike gesponserte Eliten-Lauftrainingsgruppe – wurde für mehrere Jahre gesperrt. Er wird beschuldigt, auf gefährliche Weise die Leistung seiner Athleten gesteigert zu haben, zudem soll er gegen Anti-Doping-Bestimmungen verstoßen haben.
Doping-Skandale werfen in regelmäßigen Abständen einen Schatten auf den Sport. Manche Sportarten sind davon mehr betroffen als andere. Das Interesse am internationalen Radsport hat in Folge der Doping-Affären der vergangenen Jahre stark abgenommen, einem neuen Weltrekordhalter im 100-Meter-Sprint unterstellt man fast schon prophylaktisch, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein könnte.
Um kreative Ausreden oder Lösungsstrategien sind die Athleten da meist nicht verlegen. Bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City 2002 haben österreichische Athleten und ihre Trainer noch versucht, die mit Sauerstoff angereicherten Blutbeutel vor den Kontrolleuren verschwinden zu lassen – indem sie sie aus dem Fenster warfen, der deutsche Leichtathlet Dieter Baumann kann sich bis heute nicht erklären, wie das unerlaubte Mittel in die Zahnpasta kam und dann ist da Johann Mühlegg, der in Salt Lake City 2002 für Spanien im Langlauf antritt, sprichwörtlich alles in Grund und Boden läuft, aber noch während der Spiele des Blutdopings überführt wird. Alle drei Goldmedaillen sind futsch. Eisschnellläuferin Claudia Pechstein, die Radprofis Richard Virenque, Jan Ullrich, Lance Armstrong, Sprinter Tim Montgomery – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Jeder neue Skandal zeigt zweierlei: die Uneinsichtigkeit von Trainern und Athleten, die nach wie vor bereit sind im Kampf um Siege, Ruhm, Selbstbestätigung und Sponsorengelder das eigene Leben und das anderer zu gefährden und die Ohnmacht der Behörden und Institutionen. Die WADA – World Anti-Doping Agency – sie ist nicht mehr als ein zahnloser Tiger.
Der Sport und das Klima
Und auch darüber müssen wir reden: seit 2018 gehen junge Menschen in den Fridays for Future-Demonstrationen für Klimaschutz und Nachhaltigkeit auf die Straße. Gleichzeitig zieht ein gigantischer Tross für Sportevents um die Welt, legen Millionen Fans regelmäßig weite Strecken zurück, um in Stadion oder an Rennstrecken dabei sein zu können, und werden Sportstätten errichtet, nur um nach einem Event wieder eingerissen zu werden. In Japan gibt es Menschen, die kommen jeden Tag durch’s Marathon-Tor nach Hause. Als der Platz für neue Wohnungen knapp wurde, hat man diese kurzentschlossen in nicht mehr genutzte Olympiastadien gebaut. Andernorts wurden die Stadien, die extra für Olympische Spiele errichtet worden waren, einfach wieder abgerissen.
Aufgrund von Schneemangel an Austragungsorten sah man in den vergangenen Jahren immer wieder auch dieses bizarre Bild: LKWs, die Schnee quer durch die Republik gefahren haben. Nachhaltig ist anders!
Ein Social Media Video hat Formel 1-Star Lewis Hamilton vor einiger Zeit ziemliche Häme eingebracht. Man sieht ihn an einem Strand entlanglaufen. Er sammelt Plastikmüll und fordert seine Fans auf, Plastik zu sparen und nichts in die Natur zu werfen. Viele fanden, der sechsfache Weltmeister, der in einem Privatjet um die Welt fliegt und an einem Rennwochenende mehr CO2 in die Luft pustet als der Durchschnittsbürger in einem Jahr, hat sich da ein bisschen zu weit aus dem Fenster gelehnt. Jetzt tut man vielleicht gerade Lewis Hamilton etwas unrecht, wenn man ihn derart abstempelt, gehört er doch immerhin noch zu denjenigen Sportlern, die sich mit ihrem Privatvermögen für den guten Zweck einsetzen. Bei ihm ist es vor allem der Tierschutz. Ein fader Beigeschmack aber bleibt natürlich.
Alleine die Logistik der Formel 1 verschlingt Unmengen an Ressourcen. Abgesehen von den Autos, der Technik und dem Personal werden mehrstöckige Motorhomes um den Globus geflogen – bei anderen Sportarten ist das nicht viel besser. Zum Schutz des Klimas sollen wir auf vermeidbare Autofahrten verzichten. Und die Formel 1 dreht immer noch ihre Runden – zum Spaß. Hinzukommt, dass sich die „Königsklasse des Motorsports“ aus ihren Stammländern in Europa immer weiter verabschiedet. In den Golfstaaten werden Rennstrecken in die Wüste gebaut, in Malaysia und China wurden seinerzeit Sümpfe trocken gelegt – einige dieser neuen Kurse sind schon wieder aus dem Rennkalender verschwunden. Weitsicht?
Das Bild vom vollständig korrumpierten Sport, der die Fragen der Zeit ausblendet, ist dennoch falsch: es gibt Entwicklungen in die richtige Richtung. Wenn es um die Austragung von Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften geht, tun sich immer häufiger Regionen zusammen, um möglichst wenig neu bauen zu müssen und selbst die Formel 1 arbeitet daran, nachhaltiger zu werden. Ab 2030 will man klimaneutral unterwegs sein.
Aber: ein bisschen Green-Washing hier, ein bisschen Flaschensammeln da, das reicht nicht. Was die Welt braucht – und was auch die Fans sehen wollen – ist eine ernsthafte Beschäftigung mit diesen Themen, sind ernstgemeinte Lösungsstrategien, die sich am Gemeinwohl aller orientieren und nicht doch nur wieder auf die eigenen Konten schielen. Denn sind wir doch einmal ehrlich, eine Welt ohne Champions-League, Olypmische Spiele, Tour de France oder Motorsport, die wollen wir doch auch nicht. Sport macht Spaß, Sport verbindet, auch wenn wir ihn nur über den Bildschirm verfolgen.
Titelbild: Dunkle Zeiten für den Motorsport – auf Fridays for Future-Demonstrationen gehen und Formel 1-Fan sein, geht das? Dasselbe müssen sich übrigens auch Fußballfans fragen…
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