Manchmal hat man den Eindruck, alles spricht von Vernetzung. Ein richtiges Modewort, wie es scheint. Initiativen, die wiederrum andere Initiativen, Projekte und Gruppen vernetzen, schießen aus dem Boden wie Pilzen nach einem warmen Sommerregen. Sicherlich, gerade als Kirche muss nicht jeder Trend mitgemacht werden. Vernetzung ist aber tatsächlich an vielen Stellen sinnvoll.
Die Pfarrei, ein eigenes kleines Reich. Mit einem Pfarrer, der zuständig ist für „seine“ zwei, drei Kirchtürme, vielleicht noch zusätzlich für eine Filialkirche. Alle drei Jahre kommt ein neuer Kaplan, die Kinder und Jugendlichen der Pfarrei kennt man aus dem Erstkommunion- und Firmunterricht, es gibt einen katholischen Kindergarten, aktive Gruppen und Verbände, Pfarrgemeinderat und Kirchenverwaltung packen tatkräftig mit an. Pfarrer und Kaplan, in erster Linie Seelsorger, die sich von der Taufvorbereitung bis zum Trauergespräch um die Freuden und Hoffnungen, Sorgen und Nöte der Menschen in ihrer Gemeinde kümmern. Erinnerungen an eine Zeit, die es in dieser Form vielerorts längst nicht mehr gibt und – ohne nun Hoffnungen und Illusionen zerschlagen zu wollen – die auch nicht wiederkommen wird. Aber wer in Vergangenem verharrt, ist nicht bereit für die Zukunft.
Genau das aber müssen unsere Pfarrgemeinden sein: Bereit für die Zukunft. Die Zeit, in der eine Pfarrei alles aus sich heraus bewerkstelligen konnte, ist vorbei. In Zeiten schwindender Ressourcen, sowohl was manpower wie auch verfügbare Zeit betrifft, muss man sich geeignete Partner suchen, muss sich zusammentun: Vernetzung heißt das Zauberwort. Dabei geht es nicht um’s Abkupfern, Nachmachen oder darum zuzugeben, dass man es alleine „nicht mehr gebacken“ bekommt. Das Angebot zur Zusammenarbeit ist kein Eingestehen einer Niederlage, kein Versagen. Wenn Partner das in die Waagschale werfen, was jeder von ihnen am besten kann, entsteht Neues, Spannendes. Kirchliche Gruppen können hier viel geben, aber ebenso viel zurückbekommen, wenn sie sich nur auf das ein oder andere Experiment einlassen.
Nicht jeder muss das Rad neu erfinden. Wenn Sie ein Projekt in Ihrer Pfarrgemeinde planen, werkeln Sie trotz allen Tatendrangs nicht einfach drauf los. Ein Blick ins Umfeld der Gemeinde kann hilfreich sein: Wer beschäftigt sich aktuell mit diesem oder einem ähnlichen Thema? Wer hat vielleicht früher schon einmal Erfahrungen damit gesammelt? Gibt es etwas, worauf man aufbauen kann? Der Blick in die Runde sollte dabei nicht auf katholische Akteure beschränkt bleiben. Was macht beispielsweise die evangelische Kirchengemeinde zu diesem Thema oder eine örtliche Jugendgruppe, ein Verein? Kooperationsmöglichkeiten liegen manchmal so sehr auf der Hand, dass sie deswegen übersehen werden. Beim Thema „Schöpfungsverantwortung“ zum Beispiel. Hier bieten sich Projekte zusammen mit Natur- und Umweltschutzgruppen oder dem Obst- und Gartenbauverein geradezu an. Bei allen Themen aus dem Bereich „Soziales“ kann man Caritas und Diakonie mit ins Boot holen, die Nachbarschaftshilfe oder den Sozialreferenten im Gemeinderat.
Politische Ebene
Ein gutes Verhältnis zwischen Kommune und Pfarrei ist wichtig. Nicht selten wird schon von Amtswegen her eine Zusammenarbeit gefordert, beispielsweise wenn es um Baufragen geht oder die Übernahme des Defizits der katholischen Kindertageseinrichtung. Hier ist es hilfreich, wenn man auf ein gutes, gewachsenes und respektvolles Miteinander bauen kann. Aber auch in anderen Dingen lohnt sich die Zusammenarbeit. Stadt- bzw. Gemeinderat und Pfarrgemeinderat wollen doch eigentlich dasselbe: das Leben in der Gemeinde gestalten und zukunftssicher ausrichten. Sie müssen den Herausforderungen der Zeit begegnen und Lösungen für aktuelle Probleme finden. Ihre Themen sind oft nicht weit voneinander entfernt, bisweilen sogar deckungsgleich. Hier schadet es nicht, sich regelmäßig an einen Tisch zu setzen. Ganz von selbst ergeben sich hier zumeist schnell Anknüpfungspunkte für gemeinsame Projekte (vgl. auch Seite 18/19).
Von Pfarrei zu Pfarrei
Auf Ebene der Pfarrei gibt es zumeist einen Pfarrgemeinderat, auf Ebene der Seelsorgeeinheit zumeist ein weiteres Gremium, das die Arbeit innerhalb des Pfarrverbandes oder der Pfarreiengemeinschaft bündeln soll. Diese Gremien sind in der Regel eigenständig. Das ist gut so und richtig, um den Pfarreien ihre nötige Autonomie und ihre Entscheidungskompetenz zu lassen. Trotzdem ist es wichtig, dass die Gremien voneinander wissen und nicht aneinander vorbeiarbeiten. Themen und Entwicklungen, die den gesamten pastoralen Raum betreffen, müssen deswegen nicht in jeder Pfarrei einzeln diskutiert werden. Sie gehören in das entsprechende Gremium auf Ebene der Seelsorgeeinheit. Das können bestimmte Jubiläen, Primizfeiern, ein übergreifendes Bildungsprogramm, gemeinsame Wallfahrten oder sakramentale Themen sein.
Darüber hinaus ist es wichtig, informiert zu bleiben, was auf Dekanats- und Diözesanebene läuft. Hier werden viele Fort- und Weiterbildungen angeboten, Seminare und Tagungen, die selbst wiederum eine gute Gelegenheit darstellen, mit anderen aktiven Ehrenamtlichen ins Gespräch zu kommen und den Blick über die eigene Pfarrei hinaus zu weiten.
Neue Partner suchen
Wenn es mal wieder heißt, man solle sich „besser vernetzen“, dann denken viele im ersten Moment an das, was ihnen am Nächsten liegt. Das ist ganz natürlich. Im kirchlichen Kontext heißt das, man zieht eine Kooperation mit der Caritas in Erwägung, verschiedene Gruppen der Migrantenhilfe tun sich zusammen, Flüchtlingshelfer ebenso, der evangelische und der katholische Kirchenchor planen ein gemeinsames Konzert.
Manchmal aber kann es gewinnbringend sein, um die Ecke zu denken, das Nicht-naheliegende zu suchen. Seniorenkreis und Katholische Landjugendbewegung? Eine Welt-Arbeitskreis der Pfarrei und Vereinigung der Wirtschaftsjunioren – solche Kombinationen versprechen Informations- und Erfahrungsaustausch, spannende Diskussionen und einen Gewinn für beide Seiten.
Zum Schluss
Wollen Pfarreien lebendig bleiben, müssen sie sich von der Illusion verabschieden, alles alleine bewerkstelligen zu können. Die Fülle an Themen überfordert schier auch die engagiertesten Ehrenamtlichen. Die Geschwindigkeit, mit der sich unsere Gesellschaft wandelt, mit der Informationen und Sachverhalte komplexer werden, neues Wissen nötig wird, nimmt ständig zu. In vielen Bereichen kommt man ohne die Unterstützung von Fachleuten kaum noch aus – und das nicht erst seit der im Mai 2018 in Kraft getretenen EU-Datenschutzgrundverordnung.
An Ideen mangelt es Ehrenamtlichen von Natur aus in den seltensten Fällen. Bei der Umsetzung dagegen kommen sie häufig an Grenzen – zeitliche, finanzielle und materielle. Wenn Menschen ihre verfügbare Zeit, finanzielle Mittel, Know-How und Ressourcen zusammenlegen, erscheinen Hürden plötzlich gar nicht mehr so hoch. So entstehen die Projekte der Zukunft. In diesem Kontext spricht man gern von „Leuchtturmprojekten“. Im kirchlichen Kontext kann das auch bedeuten, dass unsere Kirchtürme – als Symbol für die aktive Pfarrgemeinde – ihre Strahlkraft über die Grenzen der Pfarreien hinaus behalten und die Botschaft eines gerechten und würdigen Lebens für alle Menschen hinaus in die Welt tragen. Dazu braucht es aktive Ehrenamtliche, die bereit sind, sich einzubringen, ihr Wissen zu teilen und Wissen von anderen anzunehmen, die sich Neuem nicht verschließen, die kreativ sind und den Mut aufbringen, scheinbar vorgegebene Schienen zu verlassen. Heute, morgen und in Zukunft.
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