Kreative Herangehensweisen für die Bibellese in Gruppen
Bibelarbeit in der Gemeinde muss nicht nur Stuhlkreis und lineares Vorgehen bedeuten. Es gibt verschiedene Ansätze, um sich kreativ mit der Bibel auseinanderzusetzen – Bibliolog, Bibel kreativ oder Lectio Divina sind drei davon. Sie bieten andere Zugänge zur Schrift, sodass die Inhalte nochmals ganz anders erfahrbar werden können.
Menschen nähern sich der Bibel unterschiedlich: manch einer eher mit dem Verstand, der nächste mit dem Herzen. Wieder ein anderer braucht eine sinnlich-kreative oder kombinierte Variante. Deshalb gibt es unterschiedliche Methoden, mit welchen man sich auf die Spur von biblischen Inhalten begeben kann.
Spannende Reise in die Welt der Bibel
Beim Bibliolog geht es interaktiv zu, jeder ist angesprochen, kann Teil einer biblischen Geschichte werden. Das macht die Bibel unmittelbar erlebbar. Eine Gruppe legt biblische Texte aus unterschiedlichen Perspektiven aus; wichtig ist, dass ein ausgebildeter Bibliologe sie anleitet. Dieser wählt eine Geschichte und führt seine Teilnehmer erzählerisch hinein: „Wir versetzen uns in die Zeit Jesu.“ Das „weiße Feuer“ in der Bibel, das Ungeschriebene zwischen den Zeilen, will gemeinsam erkundet werden. Es geht um das Nachempfinden, ins Rollen schlüpfen, indem man in eine Bibelstelle hineintaucht. An markanten Stellen stoppt der Leiter, pausiert, hakt nach: Die Teilnehmer sollen sich in Gestalten des Textes hineinversetzen. In dieser Rolle fragt sie der Bibliologe: „Maria, wie geht es dir?“ Die Geschichte setzt sich fort, weitere Rollen werden erkundet. Teilnehmer entdecken, was die Bibel für ihr Leben heute bedeutet, indem sie gemeinsam dieses „weiße Feuer“, also die Zwischenräume der Bibel füllen. Das schlägt die Brücke zwischen eigener Lebenswirklichkeit und biblischer Geschichte.
Ein Bibliolog dauert bis zu 30 Minuten und erfordert mindestens acht Teilnehmer. Er kann als Predigt mit der ganzen Gemeinde durchgeführt werden oder auch in Gemeindegruppen und Hauskreisen. Biblische Vorkenntnisse braucht es nicht, das Notwendige vermittelt die Leitung. Pfarrer Rainer Brandt, Leiter vom Bibliolog Netzwerk, angesiedelt beim Studienzentrum in Josefstal, verrät, wie man einfach beginnen kann: „Voraussetzung zum Gelingen ist, dass die, die einen Bibliolog anleiten, es gelernt haben. Dafür gibt es Grund- und Aufbaukurse.“ Informationen hierzu bietet sein Netzwerk. Eine Bibelarbeit ohne Bibliolog wäre für Brandt „eine verpasste Chance, biblische Texte lebendig werden zu lassen“. Bibliolog ist für ihn Texterkenntnis durch Dialog und lebt von der Vielfalt der teilnehmenden Stimmen. Ein Jugendlicher aus seiner Gruppe empfand das wie Billardspielen: Als Anstoß für neue Perspektiven.
Himmlisches Tagebuch gestalten
Bibel kreativ will zum kreativen Umgang mit der Bibel anregen. Inhalte bleiben besser hängen, wenn wir uns mit ihnen beschäftigen. Indem wir etwas aufschreiben oder malen, sind wir ganz nahe dran. Das ist der Kern von Bibelarbeit: Eine biblische Geschichte soll auf diese Art mit einem anderen Zugang, eher spielerisch und unbefangen, erschlossen werden. Das geht allein oder in der Gruppe und dazu braucht es eine Bibel, die Leerflächen bietet, um kreativ werden zu können. Wenn man so will, geht es um „eine kreative Form von stiller Zeit“, so Daniela-Maria Schilling vom Verlag Katholisches Bibelwerk, der eine bunte Produktwelt rund um Bibel kreativ anbietet. Neben einer Bibel mit Freiräumen für Bilder und Gedanken gibt es Stickerbücher, Stempel und Tapes (vgl. Gemeinde creativ Mai-Juni 2018). Aus der Bibel entsteht sukzessive ein „himmlisches“ Tagebuch, eine persönliche Bibel mit verzierten, bemalten und individuell gestalteten Seiten. Was einen aus einem Bibelvers speziell anspricht, wird gestalterisch hervorgehoben. Franziska Strecker betreut die Bibel-kreativ-Website. Sie berichtet von positiver Resonanz und Anfragen „von Freundeskreisen, über Firmkatecheten bis hin zu Bildungsreferenten“.

Für Bibel kreativ braucht man eine Bibelausgabe mit viel Platz rund um den Text. Farbstifte, Sticker und kalligraphische Elemente lassen die Bibel zu einem himmlischen Tagebuch werden.
Häufig hört sie, dass die kreative Bibelarbeit zu einer wirklich tiefen Auseinandersetzung mit dem Wort Gottes führt. Dadurch, dass man sich genau überlege, wie man einen bestimmten Bibeltext visualisieren möchte, würde man sich den Text zu eigen machen. Angenommen wird das „gerade von jungen Menschen und auch von Personen, die sich vielleicht vornehmlich mit dem kreativen Gestalten beschäftigen wollen, darüber dann aber in Kontakt mit dem Wort Gottes kommen und so einen neuen Zugang dazu finden.“ Begegnen ihr Hemmnisse? Gemeindemitglieder denken oft, dass sie nicht kreativ seien. Dabei müsse man gar nicht perfekt sein. Vielmehr gehe es um die persönliche Zeit mit Gott; allein deshalb würde es sich lohnen. Sie ermutigt, den Perfektionismus über Bord zu werfen und einfach anzufangen. Man dürfe übrigens ungehemmt in seine Bibel malen, denn: bereits früher wurden besonders kostbare Bücher aufwendig verziert. Jeder entscheidet frei, wie und in welchem Umfang er seine Bibel gestalten möchte.
Göttliche Lesung mit Herz und Verstand

Bei der Lectio Divina wird betend über Bibelverse meditiert. Über das Lesen, Bedenken, Beten und Stillwerden vor Gott will die Lectio Divina eine lebendige Gottesbeziehung ermöglichen.
Die Lectio Divina bedeutet „göttliche Lesung“ und meint, dass man betend über Bibelverse meditiert. Das geschieht in vier Stufen und setzt zunächst die Lesung voraus: Ein Bibelabschnitt will aufmerksam gelesen werden. Dazu gibt es verschiedene Arbeitsmaterialien, sodass man je nach Bibeltext passende Leseschlüssel an die Hand bekommt: „Welche Personen handeln, wer führt Regie?“ Es schließt sich die Meditation an, in der man sich den Abschnitt ansieht und einen Vers wählt, um meditierend darin zu versinken. Im folgenden Gebet wird man wachsam für Gottes Antwort. Die vierte Stufe mündet in die Kontemplation: Man verweilt im Dialog mit Gott – offen und ohne Druck. Über das Lesen, Bedenken, Beten und Stillwerden vor Gott will die Lectio Divina eine lebendige Gottesbeziehung ermöglichen. Sie will befähigen, sich Zeit zu nehmen, zu entschleunigen und ganz da zu sein für das, was Gott uns zu sagen hat, um danach leben zu können.

Bibel lesen mit der Methode der Lectio Divina ist vor allem eine Entschleunigung: Man lässt sich Zeit, liest aufmerksam und achtsam und versucht, hinzuhören.
Ursula Silber beschäftigt sich schon seit mehr als zehn Jahren mit der Lectio Divina, bietet das bei sich im Martinushaus in Aschaffenburg auch punktuell an. Charakteristisch für sie ist: „Bibel lesen mit der Methode der Lectio Divina ist vor allem eine Entschleunigung: Ich lasse mir selbst Zeit, ich lese den Bibeltext aufmerksam und achtsam, ich versuche hinzuhören“. Wichtig für sie ist die Verbindung, das Bibellesen mit Herz und Verstand. Sie spricht von „zwei Leseschlüsseln: Der erste schließt den Text auf, der zweite öffnet den Zugang zu meiner Lebenserfahrung. Erst dieses doppelte Hinhören und Nachdenken macht es aus.“ Sie gehört zum Lectio-Divina-Arbeitskreis beim Katholischen Bibelwerk, berichtet von hilfreichen Materialien, die das dortige Lectio-Divina-Projekt bereitstellt, und mit denen man als Gruppe ganz leicht arbeiten kann. Viele könnten mit dieser Methode die Texte ganz neu entdecken: Bibel und Leben, das eigene Leben, kämen hier zusammen.
Mehr zu den kreativen Methoden der Bibelarbeit erfahren Sie unter unserer Rubrik Zusatzinformationen.
Fotos: Franziska Strecker / K. Brockmöller / Bettina Eltrop