Was die #FridaysForFuture-Jugendlichen von der Kirche erwarten
Fünf Punkte umfasst der Forderungskatalog der Fridays for Future München an die katholische Kirche, den Michael Kröpfl auf der Konferenz der Katholischen Akademie Bayern stellvertretend übergeben hat. Unter dem Motto „Churches For Future? Was die #FridaysForFuture-Jugend von der Kirche erwartet“ sind im September 2019 unter anderem Vertreter der katholischen Kirche mit Vertretern der Fridays und Parents for Future zusammen gekommen, um darüber zu sprechen, wie Kirche ein Partner für den Klimaschutz werden kann.
Der Forderungskatalog beinhaltet zweierlei: Zum einen soll die Kirche sich selbst nachhaltiger aufstellen, indem sie zum Beispiel ihre eigenen Gebäude besser dämmt, auf Inlandsflüge verzichtet oder auf Konferenzen vegan isst. Zum anderen soll sie ihren Einfluss nutzen und auf ihr Umfeld einwirken: Sie soll sich voll hinter die Forderungen der Fridays for Future Deutschland stellen, um diese bei der Politik durchzusetzen. Um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen, sollen zu jedem großen Klimastreik freitags die Kirchenglocken läuten. Sie soll von der Politik die Anerkennung des Klimawandels als Asylgrund fordern. Im Kontext der Nächstenliebe und der Bewahrung der Schöpfung soll die Umweltproblematik in die Religionslehrpläne aller Jahrgangsstufen sowie die Gottesdienste aufgenommen werden. Außerdem soll die Kirche ihre finanziellen Mittel aus allen Geldanalgen im fossilen Sektor zurückziehen.
Leonhard Balz hat den Katalog federführend für die Fridays for Future gemeinsam mit einigen Kollegen ausgearbeitet. Der 22-jährige studiert an der TU München Elektrotechnik und ist vielseitig für den Umweltschutz aktiv. Neben seinem Engagement für Fridays for Future, wo er vor ungefähr einem Jahr die Ortsgruppe München mitgegründet hat, ist er bei Greenpeace und Ende Gelände als Kletterer aktiv und in der evangelischen Kirche verwurzelt. Er fand die Rückmeldungen auf der Konferenz zum Teil ernüchternd. Da hieß es, der Lehrplan könne nicht so einfach geändert werden, und er liege auch nicht in der Verantwortung der Anwesenden, sondern auf Landesebene oder, oder, oder. So sei es leicht gewesen, sich aus der Verantwortung zu ziehen, auch weil die Fridays for Future selbst seiner Meinung nach im Nachhinein nicht hartnäckig genug gewesen seien.
Die Kirchen und der Umweltschutz
An der Konferenz teilgenommen hatten kirchliche Einrichtungen, die sich bereits aus eigener Motivation heraus innerhalb des ökumenischen Netzwerks für Klimagerechtigkeit zu den „Churches for Future“ zusammengeschlossen hatten. Zu ihnen gehören beispielsweise der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), die Katholische Akademie in Bayern, aber auch viele ökumenische und protestantische Initiativen. Warum Leonhard Balz denkt, dass Umweltschutz nicht genuin im Interesse aller kirchlichen Einrichtungen liegt? „In Gesprächen ist häufig unser Eindruck, dass die nicht wissen, was genau alles passiert, sondern nur, dass irgendwie Klimawandel passiert und dass das irgendwie schlimm ist, weil sie sich nicht damit beschäftigen.“ Ein Wissen um die Konsequenzen sei aber unumgänglich, weil es extrem motiviere: „Wenn ich an die Wälder in Australien denke, wenn ich an die Korallenriffe denke, wenn ich an das Artensterben denke oder an das Gletschersterben, an die Klimaflucht, die Dürre in Deutschland oder die Hungersnöte und das Auftauen der Arktis – wenn ich das alles weiß, ist das nicht nur schlimm, sondern es ist schrecklich. Dieser Unterschied ist ziemlich wichtig, wenn es darum geht, konsequent zu sein, mutig zu sein, radikal zu sein und dem Thema die Priorität zu geben, die es hat.“
„Wenn ich an die Wälder in Australien denke, wenn ich an die Korallenriffe denke, wenn ich an das Artensterben denke oder an das Gletschersterben, an die Klimaflucht, die Dürre in Deutschland oder die Hungersnöte und das Auftauen der Arktis – wenn ich das alles weiß, ist das nicht nur schlimm, sondern es ist schrecklich. Dieser Unterschied ist ziemlich wichtig, wenn es darum geht, konsequent zu sein, mutig zu sein, radikal zu sein.“
Leonhard Balz
Jens Hausdörfer, Mitglied im Landesvorstand des BDKJ Bayern und Landesjugendseelsorger, sieht das anders. Seiner Meinung nach stehen die kirchlichen Jugendverbände schon lange für Umweltthemen ein. Ihre Mitglieder würden sich jetzt auch aktiv bei Fridays for Future beteiligen, seien da aber als Jugendverbände nicht zwingend sichtbar, weil sie dann in den Zusammenschlüssen der Schulen und Universitäten aufgehen und darüber organisiert sind. „Das sind alles Themen, für die die kirchlichen Jugendorganisationen schon seit Jahren einstehen, wie fairer Handel, Konsum, Klimaschutz oder Mobilität.“ Beispiele dafür seien die bundesweite Kampagne „Kritischer Konsum“ des BDKJ oder die Bildungsinitiative „Weltfairänderer“, bei der die Jugendverbände eine Woche lang mit Schulklassen arbeiten, um der Frage nachzugehen, wie nachhaltige Lebensentwürfe aussehen können. Diese Projekte erreichen junge Leute über den kirchlichen Binnenraum hinaus. Ebenso gebe es in den Diözesen Umweltbeauftragte für Gebäudemanagement und Einkauf. Hausdörfer ist überzeugt: „Die Forderungen, die Fridays for Future jetzt erhebt, sind bereits in der DNA der Kirche verankert.“ Sie sei damit nur nie so sichtbar geworden. „Was unsere Jugendverbände nicht geschafft haben, ist es, diesen Protest auf die Straße zu bringen, das ist der Verdienst von Fridays for Future, die es geschafft haben, das Thema auch wieder in den politischen Diskurs zu bringen.“ Da könne sich die Kirche etwas abschauen: „Dass wir kampagnenfähiger werden, unsere Sachen witziger, provokativer verpacken können, sodass wir auch wahrgenommen werden.“
Voneinander lernen
Auf der anderen Seite findet Hausdörfer es sehr spannend, dass einige Gruppen von Fridays for Future auch bei ihnen nachfragen, wie sie politische Vertretungsarbeit machen. Darin haben kirchliche Akteure viel Erfahrung. Etliche Jugendverbände hatten im letzten Jahr Treffen mit Vertretern von Fridays for Future, bei denen die Jugendlichen häufig ganz überrascht waren, was Kirche im Umweltbereich alles macht und dass die Jugendverbände durchaus potenzielle Partner sein können. „Die sind sehr offen, nachdem man den ersten Schock überwunden hat“, schmunzelt Jens Hausdörfer. „Für viele junge Menschen ist Kirche einfach weit weg, aber man findet da relativ schnell viele Gemeinsamkeiten.“
Die Kritik von Leonhard Balz am mangelnden Bewusstsein mancher Kirchenvertreter kann Hausdörfer aber nachvollziehen: „Leider hat auch die katholische Kirche einen rechten Rand, der Positionen vertritt, die eher in Richtung Klimawandelleugnung gehen.“ Im Gegensatz dazu gebe es aber allein in Bayern ungefähr 80.000 junge Menschen, die ehrenamtlich in der Jugendarbeit aktiv sind und die sich nach seiner Einschätzung für die Themen von Fridays for Future einsetzen, „ob sie jetzt auf der Straße sind oder nicht.“ Hierbei wäre etwas mehr Rückendeckung von den Bischöfen mit Sicherheit wünschenswert, findet Hausdörfer. „Ein sehr positives Signal war, dass Jugendbischof Stefan Oster im September 2019 mit auf die Demo gegangen ist. Das hat viele junge Menschen bestärkt.“ Teilweise hätten auch bereits am Freitag um zwölf Uhr in einigen Kirchen die Glocken geläutet. Für die Zukunft erhofft er sich aber noch mehr Sichtbarkeit von seiner Kirche: „Ich würde mir wünschen, dass die Mitglieder in den Verbänden, die die Jugendarbeit tragen, noch viel mutiger und kreativer ihren Protest mit auf die Straße tragen und sagen: Wir als Kirche, wir als junge Christen, wir haben was zu sagen und wir haben gute Ideen. Vertraut uns und lasst uns zusammen mit den älteren Generationen gemeinsame Sache machen. Wir bringen da Power und Schwung rein, der uns als Kirche insgesamt gut tun würde, wenn wir einfach mal was ausprobieren, bunt und kreativ Kirche verlebendigen und das in jede Kirche Bayerns tragen.“
Beitragsbild: Bei einer Veranstaltung in der Katholischen Akademie in Bayern haben Jugendliche der Fridays for Future-Bewegung ihre Forderungen an die katholische Kirche übergeben.
Foto: Fridays for Future