Friedwald statt Friedhof, ökologische Urne statt Eichensarg, einmal im Monat ein „Sammel-Requiem“ statt persönlicher Beerdigungsfeiern und immer öfter Trauerredner statt Priester – die Bestattungskultur wandelt sich. Ein kritischer Blick auf Trends auf und neben dem Friedhof.
Eine Bekannte fragte mich vor kurzem, welche Musik für die Beerdigung ihrer Tante denn geeignet wäre. Ohne großartig nachzudenken sage ich, was mir einfällt: Schubert-Messe, Dietrich Bonhoeffers „Von Guten Mächten wunderbar geborgen“ und noch einiges mehr. Etwas zaghaft antwortet meine Bekannte, dass sie eher an 1920er-Jahre-Jazz gedacht hätte. Jetzt muss ich doch etwas entgeistert geschaut haben. Meine Bekannte wechselt das Thema. Im Nachhinein bin ich froh, dass sie nicht nach Helene Fischer oder Herbert Grönemeyer gefragt hat. Wie ich inzwischen weiß, stehen einige ihrer Songs auf den Hit-Listen bei Beerdigungsfeiern ganz weit oben, gleich neben I did it my Way von Frank Sinatra und Eric Clapton’s Tears in heaven. Über Musikgeschmack lässt sich bekanntlich streiten, aber gehören diese Lieder in eine Kirche, gehören sie zu einer christlichen Begräbnisfeier? Auch darüber mag es unterschiedliche Ansichten geben, aber allein die Tatsache, dass sie zur Disposition stehen, zeigt doch eines ganz deutlich: die christliche Begräbniskultur, sie verändert sich.
Christliche Begräbniskultur
Die Auferstehung Jesu Christi ist der Urgrund christlichen Glaubens. Die Hoffnung auf die eigene Auferstehung von den Toten ist der Kern unseres Glaubens, die Überzeugung, dass das Leben nicht mit dem irdischen Tod endet, die zentrale Botschaft Jesu. Dies bringen Christen durch die Art und Weise zum Ausdruck, wie sie mit Sterben und Tod und besonders mit ihren Verstorbenen umgehen. Ein würde- und respektvoller Umgang mit den Verstorbenen ergibt sich nach dem biblisch-christlichen Menschenbild, wonach jeder Mensch Abbild Gottes ist (vgl. Gen 1,26). Auch deswegen ist die Bestattung von Verstorbenen eines der sieben Werke der Barmherzigkeit. In ihr kommt die handlungsleitende Trias von Glaube, Liebe und Hoffnung zum Ausdruck. Aus diesem Verständnis heraus hat sich über die Jahrhunderte eine christliche Begräbniskultur mit Riten, Traditionen und Bestattungsformen entwickelt.
Die moderne Gesellschaft wandelt sich, und mit ihr ihre Bestattungskultur. Neben Friedhöfen etablieren sich auch andere Bestattungsorte- und formen. Friedwälder beispielweise liegen im Trend. Hier ist die Bandbreite groß, auf manchen gibt es keine äußerlichen Hinweise auf die genauen Bestattungsorte, keine Kreuze oder Grabsteine, die an die Verstorbenen erinnern. In anderen Friedwäldern werden dagegen Schilder mit Namen und Lebensdaten der Toten an Bäumen angebracht.
Individuell und anonym

Immer mehr Menschen entscheiden sich für „anonyme“ Bestattungen in Friedwäldern oder Urnenwiesen. Foto: Zauberkugel Studio / Adobe Stock.
Inzwischen kann man aus einer ganzen Reihe von Bestattungsformen auswählen. Individuell angepasste, auf den Verstobenen persönlich zugeschnittene Bestattungen, die sich bisweilen deutlich von den christlichen Traditionen unterscheiden, sind keine Seltenheit mehr. Traditionelle Erd- und Urnenbestattungen auf Friedhöfen, klassisch mit Grabstein, Inschrift oder in einer Urnenwand werden weniger. Daneben haben sich neue Formen der Feuerbestattung etabliert, bei denen die Asche des Verstorbenen unterschiedlich beigesetzt werden kann: beispielsweise ist es möglich, die Asche im Wasser oder auf Wiesen zu verstreuen oder sie vom Wind verwehen zu lassen. Immer mehr Menschen lassen sich zwar in einer Urne beisetzen, jedoch an einem Ort, der nicht als Grab gekennzeichnet ist, zum Beispiel in anonymen Friedwäldern oder Urnenwiesen. Dort geht der Verstorbene scheinbar in den Kreislauf der Natur ein. Die allgemeingesellschaftlichen Trends von Individualisierung und Anonymisierung zeigen sich auch in diesen neuen Bestattungsformen.
Als Katholiken müssen wir uns deshalb immer wieder aufs Neue unsere eigenen Traditionen vergegenwärtigen und brauchen solchen Modeerscheinungen nicht nachzugeben. Friedhöfe und die Gräber darauf sind Ausdruck unserer Kultur, sie geben den Verstorbenen den Ort, den diese brauchen. Sie erinnern an Menschen und ihre Lebensgeschichten, sind Orte der Trauer, des Loslassens, des Erinnerns und des Hoffens. Die Namen der Toten auf den Grabsteinen verweisen darauf, dass der Herr jeden einzelnen Menschen beim Namen gerufen hat (vgl. Jes 43,1): Jeder Mensch ist Ebenbild Gottes und jeder Mensch ist einzigartig, auch über den Tod hinaus. Das ist die Besonderheit des christlichen Menschenbildes, auf dem letztendlich auch unsere Bestattungskultur gründet.
Die Würde jedes Menschen drückt sich auch in seinem Namen aus. Die Namen unserer Toten sind im wahrsten Sinne des Wortes in Stein gemeißelt und lassen damit keine Anonymität zu. Jede Bestattung auf einem namenlosen Gräberfeld und jedes Verstreuen von Asche in der Natur fördert die Anonymisierung und trägt dazu bei, dass Sterben und Tod in der Gesellschaft unsichtbar werden. Der regelmäßige Grabbesuch und die Grabpflege sind dagegen der Ausdruck einer bleibenden Beziehung zu den Verstorbenen, die deutlich macht: Wir werden Euch nicht vergessen.
Entfremdung
In einer Gesellschaft, die sich immer mehr von Kirche zu entfernen scheint, geraten auch ihre Traditionen langsam in Vergessenheit. Das zeigt sich in Sterbeanzeigen, wo christliche Symbole seltener werden. Das zeigt sich beim Gang über den Friedhof, wo einem immer häufiger aufgelassene Gräber begegnen. Das zeigt sich beim Besuch einer Beerdigung, wo man nicht selten einen Trauerredner anstatt eines Priesters antrifft. Letzteres hat nicht immer etwas damit zu tun, dass der Verstorbene oder seine Angehörigen der Kirche kritisch oder distanziert gegenüber gestanden hätten – vielfach war schlichtweg kein Seelsorger erreichbar. Es gibt Gemeinden, da wird einmal im Monat ein „Sammel-Requiem“ für alle Verstorbenen der vergangenen Wochen abgehalten. Alleine der Begriff disqualifiziert. Wer sich eine individuelle, einfühlsame Trauerfeier für seinen Verstorbenen wünscht, im Pfarrbüro aber auf verschlossene Türen oder einen Anrufbeantworter stößt, auf einen gehetzten Seelsorger, der keine Zeit für ein ordentliches Trauergespräch – und damit für seine eigentliche Aufgabe, die Seelsorge – hat, der engagiert lieber einen Trauerredner – und wem soll man es verdenken?
Fair bis zuletzt
Und ein weiterer Trend ist neu: „Fairness auf dem Friedhof“ beschäftigt in der Tat immer mehr Menschen. Wer zu seinen Lebzeiten auf Nachhaltigkeit achtet, möchte auch über den Tod hinaus ein positives Erbe für Mensch und Umwelt hinterlassen, denn ein konsequent nachhaltiger und verantwortungsvoller Lebensstil geht über den Tod hinaus: das beginnt bei der Auswahl von Sarg und Urne, setzt sich fort beim Grabstein und endet bei einer verantwortungsvollen Grabgestaltung, plastikfrei und mit heimischen Pflanzen. Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern hat unter dem Titel Fair bis zuletzt eine Arbeitshilfe in der Reihe ProPraxis veröffentlicht. Das Heft will zu einer bewussten und intensiven Auseinandersetzung mit diesen Themen ermutigen, es zeigt auf, wie ökologisch wertvoll Friedhofsanlagen sind, spricht Problematiken in diesem Themenbereich an und schlägt Alternativen vor. Die Broschüre kann in der Geschäftsstelle des Landeskomitees sowie online auf www.landeskomitee.de bestellt werden. Einen ausführlichen Beitrag zur fairen Grabgestaltung lesen Sie auch in Gemeinde creativ September-Oktober 2018.
Titelbild: In manchen Friedwäldern erinnern Schilder an Bäumen an die Verstorbenen, jedoch oft ohne Namen und Lebensdaten, manchmal ist es auch nur ein Blumenstrauß.
Fotos: Zauberkugel Studio / Adobe Stock (2x).