Haben Sie eine weltkirchliche Partnerschaft – persönlich, als Gemeinde, als Verband, als Diözese? Was bewegt Sie und Ihre Partner über hunderte Kilometer Entfernung und eingeschränkt durch Sprach- und Kulturbarrieren ein Stück Weggemeinschaft zu wagen?
Vielleicht stand am Beginn einer partnerschaftlichen Beziehung das Mitleid, die compassion mit völlig unbekannten Menschen, ob deren Lebenssituation, die durch Hunger, Krankheit, Ausbeutung, Gewalt gekennzeichnet ist. Es war eine deutsche Ordensfrau, ein deutscher Priester, die den Sprung in eine andere Welt gewagt haben, Ihnen davon berichtet und auf Ihre Solidarität gesetzt haben. Das war auch der Beginn der deutschen Entwicklungshilfe, die vom deutschen Wirtschaftswunder nach harten Zeiten des Wiederaufbaus etwas abgeben und andere Länder entwickeln helfen wollte. Wie schön einfach war diese Zeit, in der man dachte, mit mehr oder weniger Geld wird man das weltweite Ungleichgewicht schon bekämpfen können. Bis die ersten Rückmeldungen kamen, dass eine sich an der westlichen Welt orientierende sozusagen nachholende Entwicklung keine Zukunft haben kann und die strukturellen Rahmenbedingungen ohne Unterlass Ungerechtigkeit, Marginalisierung, Verfolgung und menschen- und umweltzerstörende Realitäten produzieren.

Wenn viele Hände mit anpacken, kann Großes und Neues entstehen. Hans Tremmel, Vorsitzender des Diözesanrates München und Freising, hält engen Kontakt zu Partnern in Ecuador.
Die einen stellten das Axiom Entwicklung in Frage, andere postulierten ein Ende der Dependenz, andere suchten nach neuen, mitmenschlichen Beziehungsformen und so wuchs das Bewusstsein, dass Patenschaften passé sind und Partnerschaften angesagt. Aus der Entwicklungshilfe wurde Zug um Zug die Entwicklungszusammenarbeit, wenngleich ehrlicherweise gesagt werden muss, dass bis heute nicht alle diesen Paradigmenwechsel verinnerlicht haben – auf beiden Seiten. Wissen Sie wie man Partnerschaft in die Sprache der Partner übersetzen kann? Nicht einmal in den romanischen Sprachen gibt es einen adäquaten Begriff und so nahm man Geschwisterlichkeit – ehemals Brüderlichkeit, auch wenn das Engagement mehrheitlich weiblich getragen war. Im anglophonen Kontext ist man nicht besser dran, weil partnership vornehmlich auf eine wirtschaftliche Beziehung abzielt und in Quechua gibt es gar kein Wort dafür, denn einem am kosmopolitischen Weltbild ausgerichtetem Denken sind solche bilateralen, der Aufklärung erwachsenen Beziehungszuschreibungen wesensfremd.
Buen vivir

Auch der kulturelle Austausch gehört zur Partnerschaftsarbeit.
Umgekehrt versuchen wir Begriffe wie Sumak kawsay zu verstehen, was vereinfacht dargestellt auf materielle, soziale und spirituelle Zufriedenheit für alle Mitglieder der Gemeinschaft zielt, jedoch nicht auf Kosten anderer Mitglieder und nicht auf Kosten der natürlichen Lebensgrundlagen, und als Zusammenleben in Vielfalt und Harmonie mit der Natur verstanden werden kann, wie es in der Präambel der ecuadorianischen Verfassung heißt. Wir übersetzen es dann mit buen vivir bzw. vivir bien (span.) „gutes Leben“ bzw. „gut leben“ etwa in der Bedeutung von „auskömmliches Zusammenleben“ und brauchen gute Ohren und ein waches Herz, um diese uns fremde Denkweise nachzuspüren. Gelingt dies, dann versteht man wohl eher, was im Johannesevangelium steht, wenn Christus uns ein Leben in Fülle verheißt. Mit viel Phantasie sind in den zurückliegenden Jahrzehnten Teilchenelemente entwickelt worden, die ein Erfühlen eines Miteinanders auf Augenhöhe erfahrbar machen.
- Für jede Form der Beziehung gilt: Wechselseitigkeit – und sollten die Partner die dafür notwendigen finanziellen Mittel nicht haben, ist es an uns, die volle Partizipation zu ermöglichen und eine gemeinsame Kasse zu haben.
- Gemeinsam unterwegs sein heißt: einen neuen, gemeinsamen Rhythmus einzuschlagen, der mal bedeuten kann, dass man aufeinander wartet, andere Arbeits- und Lebenszyklen akzeptiert und Kompromisse sucht. Bei Ungleichzeitigkeit läuft man Gefahr, dass bestimmt, wer Geld, Personal und Infrastruktur hat.
- Umeinander wissen: gerade ob der sprachlichen und kulturellen Barrieren wegen muss es dafür Dienstleister geben und Medien der Kommunikation, die verlässlich sind (Newsletter etc.).
- Gemeinsam Themen bearbeiten, sich austauschen und voneinander lernen: sowohl religiöse wie profane Lebens- und Erfahrungsfelder sind der „Rede wert“, denn sie ermöglichen ungeahnte Zugänge zu einem weiten Blick auf „Gott und die Welt“. Es darf auch mal ein bisschen mehr sein und Papst Franziskus liefert uns viel Gesprächsstoff zum Beispiel in Amoris laetitia, Evangelii gaudium oder Laudato si‘.
- Auf kulturell-kulinarische Entdeckungsreise gehen: Konzerte, Lesungen, Tanz, Spiel, Film, Essen anbieten und ganzheitlich erfahren und dabei den eigenen kulturellen Hintergrund entdecken und schätzen lernen.
- Verlässliche, transparente Verabredungen des Miteinanders treffen mit Laufzeiten, Monitoring und Verbesserungsmöglichkeiten: dies hilft, um die Motivation des Partners kennenzulernen. Gemeinsame Zielvereinbarungen sind wichtig, um die nächsten Schritte zu verabreden (Partnerschaftsvereinbarungen) und ermöglichen auch das Mitwirken Neuer in der Partnerschaft, denn niemand bleibt ewig.
- Sich einmischen: Wenn der Goldabbau in Ecuador Menschenleben gefährdet, wenn die Ausdehnung der Sahara unaufhaltsam voranschreitet oder Kinderarbeit in Asien an der Tagesordnung ist, dann müssen wir auf der Verursacherseite aufstehen, in Form von vernetzten Kampagnen, Öffentlichkeitsarbeit, Unterschriftenaktionen, Demonstrationen, Politikerkontakten, Analyse unserer Geldanlagen und vielem mehr.
- Über Geld reden und sich in die Karten schauen lassen: Vielfach fühlen sich unsere Partner gedemütigt und zu Almosenempfängern degradiert, weil wir den Einblick in unsere finanziellen Möglichkeiten verweigern. Unsere zur Hochform entwickelte „Projektkultur“ darf hinterfragt werden und muss vor allem erklärt werden, um nicht als Schikane des materiell Habenden missverstanden zu werden.
- Unsere Partnerbeziehung muss nachhaltig aufgestellt sein: nach dem Ende der Entsendung von Missionaren ist der Freiwilligendienst eine wichtige Säule, natürlich gegenseitig. Wer in jungen Jahren ein Wegstück an der Seite der materiell Armen oder finanziell besser Gestellten mitgegangen ist und in den gewachsenen Beziehungen die Urerfahrung der Empathie machen durfte, dessen Leben wird anders verlaufen und er kann zu einem Brückenbauer für eine neue Welt werden.
- Im Gespräch bleiben: was fehlt den Partnern, was wünschen sie sich? Gedanken und Projekte sollten dialogisch entwickelt werden.

Ein tragfähiges Netz der Partnerschaft entsteht nur gemeinsam, im Dialog und wenn alle daran festhalten.
Aber da ist noch ein Aspekt unerwähnt: wir Christen sind nicht die besseren Partner weltweit, aber zwei Dinge unterscheiden uns: wo Coca Cola und Nestlé nicht mehr zu kaufen sind, ist Kirche immer noch da – auch unter Einsatz des Lebens. Die Einladung an die „Ränder“ zu gehen und uns verbeulen zu lassen, ergibt sich direkt aus dem Evangelium und dort berichten uns die Zeitgenossen Jesu, wie er ihnen zur Hoffnung wird und sie sich verwandeln. Mal sind wir Martha, mal Maria, mal der Lahme und Blinde und dann der Staunende, wenn alle satt werden. In diesem Sinn sind wir als Menschen alle miteinander verbunden ohne Ansehen des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität oder Religion. Gestärkt mit dieser Vision und gleichzeitigen Gewissheit können wir uns auf den Weg machen.
Fotos: Erzdiözese München und Freising