Ein ausgewogener Blick auf Frieden und bewaffneten Konflikt aus der Perspektive theologischer Ethik bedeutet, sowohl den ersten als haltungs- wie handlungsausrichtendes Leitbild und Zielgröße anzusehen als auch die Existenz des zweiten nicht auszublenden und in bestimmten Extremfällen Gewaltanwendung nach strengen Kriterien als legitim zu bezeichnen. Es geht um ein – keineswegs symmetrisches! – unhintergehbares Ineinander von Friedens- und Konfliktethik.
Das Proprium theologischer Ethik – das, was ihr Besonderes ausmacht und aus dem denk-konstitutiven Raum der Gemeinschaft der Gläubigen hervorgeht – kommt allerdings beim Frieden stärker zum Tragen als beim Konflikt: denn im Hinblick auf Frieden besteht Ethik im Entwickeln von „Orientierungsparametern“ und verlangt klugheitsgeleitetes „Neuerschließen“, während sie hinsichtlich des bewaffneten Konflikts eher das Erarbeiten von „Prüfparametern“ ist und klugheitsgeleitete „Kriterienreflexion“ erfordert.
So ist, inmitten manch anderer, der wohl wichtigste Aspekt einer theologischen Friedens- und Konfliktethik meines Erachtens, dass sie durch die ihr eingeschriebene eschatologische Dimension die stets drohenden Straßengräben der demiurgischen Überhöhung wie der hoffnungslosen Verzweiflung meidet.
Anders ausgedrückt: sie ist gleichzeitig von den Haltungen der Demut wie der nüchternen Freude durchdrungen. In dieser Weise zu denken und zu wirken bedeutet, Zweierlei komplementär zusammenfügen zu können. Zum einen, in realistischer Weise das die eigenen Möglichkeiten Übersteigende anzunehmen, sich also nicht mit dem vermeintlich „großen Wurf“ zu übernehmen, sondern sich auf kleine, sichere Etappen zu beschränken. Zum anderen, sich nicht mit dem im Hier und Jetzt Möglichen abzufinden, sich also nicht auf bloße „Defizitminimierung“ zu reduzieren, sondern vom stets Darüberhinausreichenden erfüllt zu bleiben.
Auf dieser Grundlage lässt sich ferner in zustimmungswerter und konstruktiver Weise mit der Unterscheidung zwischen negativem und positivem Frieden arbeiten.
Das minimalistische Konzept des negativen Friedens bedeutet, dass kein Krieg herrscht und auch keiner droht, dass Menschen keine direkte körperliche Gewalt erfahren oder konkret fürchten. Das weitergehende Konzept des positiven Friedens umfasst demgegenüber, Not abzubauen, Gewalt zu vermeiden und Unfreiheit zu mindern, also deutlich umfangreichere Abwehr- und Teilhaberechte.
Und auch wenn in der letztverbindlichen Zentrierung auf den Menschen hin ein positiver Friede im inner- wie zwischenstaatlichen Bereich eine der unverzichtbaren Bedingungen ist, um Einzelnen wie Gemeinschaften die bestmögliche Entfaltung zu ermöglichen, so hat an zahlreichen Orten unserer Welt das angemessene Engagement zunächst ganz dem so dürftig anmutenden negativen Frieden zu gelten – in Demut und nüchterner Freude.
Titelfoto: Doreen Bierdel / Katholische Soldatenseelsorge AdöR