Friedenstreffen von Sant’Egidio im September in Münster und Osnabrück
1986 hatte Papst Johannes Paul II. zum ersten Mal zu einem historischen Friedensgebet in die Stadt des Heiligen Franziskus nach Assisi eingeladen, weil er davon überzeugt war, dass die Religionen in der modernen Welt eine entscheidende Rolle für den Aufbau des Friedens spielen, allerdings häufig auch in Gefahr sind, als Benzin auf das Feuer der Konflikte benutzt zu werden. So entstand der sogenannte „Geist von Assisi“. Dreißig Jahre nach dieser prophetischen Geste wird die Weitsicht des heiligen Papstes vielleicht noch verständlicher. Vor allem im Nahen Osten, aber auch in Nigeria, Libyen und anderen Ländern werden religiöse Traditionen immer wieder als Grundlage für Konflikte und Verfolgungen von Christen und Minderheiten benutzt. Zusammen mit der Gemeinschaft Sant’Egidio hat ihr Gründer Andrea Riccardi nach dem ersten historischen Treffen von Assisi gespürt, dass dieses Treffen keine einmalige Angelegenheit bleiben dürfe. Die Religionen können im Dialog mit Vertretern aus Kultur und Politik und auch mit Menschen guten Willens einen wesentlichen Beitrag zum Zusammenleben der Völker und Kulturen leisten. Es begann eine mittlerweile 30-jährige Pilgerreise der Vertreter der Weltreligionen durch zahlreiche Städte Europas und darüber hinaus. Jahr für Jahr lädt Sant’Egidio in Zusammenarbeit mit Ortskirchen und anderen Religionen zu einer dreitägigen Tagung ein, die mit einem Tag des Friedensgebetes und einer großen öffentlichen Kundgebung endet. Zahlreiche Friedensinitiativen sind aus den Treffen hervorgegangen, beispielsweise für Mosambik, wo Sant’Egidio Anfang der 1990er Jahren wesentlich den Frieden vermittelt hat.
Es geht nicht um Vermischung. Vielmehr sind die Religionsvertreter im Geist von Assisi davon überzeugt, dass jeder in der Tiefe der eigenen Tradition den Frieden als Grundlage findet. Die Gebete finden nicht gemeinsam statt, sondern jeweils in der eigenen Tradition, aber im gleichen Geist, nämlich für das friedliche Zusammenleben mit den Anderen. Nach den Gebeten kommen die Religionsvertreter in einer Friedensprozession zusammen und ziehen auf einen großen Platz zur Kundgebung, um zu bezeugen, dass die Verschiedenheit kein Anlass zur Trennung ist, sondern das Zusammenleben bereichert, wenn der Respekt vor dem Anderen gelebt wird.
Von besonderer Bedeutung war in den vergangenen 30 Jahren die Unterstützung der Päpste, die in Assisi im September 2016 durch Papst Franziskus bestätigt wurde. Neben dem Ökumenischen Patriarchen, dem Erzbischof von Canterbury und dem Patriarchen der syrisch-orthodoxen Kirche bekundeten beim jüngsten Treffen zahlreiche Religionsvertreter sowie internationale Repräsentanten aus Politik, Gesellschaft und Kultur vor allem aus den Ländern des Nahen Ostens und anderen Konfliktregionen ihre feste Überzeugung, dass nur in der freundschaftlichen Begegnung eine Zukunft in Frieden möglich ist.
Das nächste Treffen vom 10. bis 12. September 2017 in Münster und Osnabrück findet auf Einladung der beiden Diözesen in den Städten des Westfälischen Friedens statt. Nach dramatischen Religionskonflikten in der Folge der Reformation mit grausamer Gewalt auch im Namen Gottes wurde auf europäischer Ebene ein Zusammenleben im Respekt vor der Tradition des Anderen möglich. In dieser schwierigen Zeit kann Europa mit seiner reichen Tradition der Menschenrechte und des friedlichen Zusammenlebens trotz mancher Schwierigkeiten für die ganze Welt ein Modell werden, um Konflikte zu lösen und neues Zusammenleben der Kulturen und Religionen im Respekt des Anderen aufzubauen.
Fotos: Sant‘ Egidio