Ecosia ist die einzige grüne Suchmaschine auf dem Markt. Für jede Suchanfrage wird ein Baum gepflanzt. Génica Schäfgen spricht mit Gemeinde creativ über die Philosophie hinter Ecosia, darüber wie sich das Bewusstsein für ökologische Themen in den vergangenen Jahren verändert hat und warum eine Milliarde Bäume einen gewaltigen Unterschied für unseren Planeten machen.
Gemeinde creativ: Als Ecosia startete, war Google schon viele Jahre online und Marktführer, eine neue Suchmaschine war ein gewagter Schritt, noch dazu eine, die anders funktioniert als die übrigen und eine Botschaft hat…
Génica Schäfgen: Ecosia wurde vor etwa zehn Jahren von unserem Geschäftsführer Christian Kroll gegründet. Anstoß gaben seine Reisen nach Nepal und Südamerika. Dort hat er gesehen, was es bedeutet, nicht in Sicherheit und Wohlstand aufzuwachsen – und er wollte selbst etwas für die Menschen in diesen Ländern tun. So hat er in Nepal eine erste Suchmaschine programmiert. In Südamerika sah er sich dann mit dem Thema der Abholzung des Regenwaldes und den Folgen konfrontiert. Seine Überzeugung ist: wollen wir diesen Planeten schützen, müssen wir unsere Wälder schützen. Diese beiden Hintergründe hat er dann, wieder zurück in Berlin, zusammengebracht und Ecosia gegründet – eine grüne Suchmaschine. Wer sie benutzt, tut etwas für die Aufforstung des Regenwaldes.
Wie funktioniert das konkret?
Im Prinzip ist das wie bei jeder anderen Suchmaschine auch. Geld verdient wird hier über die Werbeanzeigen. Nur, dass in unserem Fall die Erlöse für die Aufforstung des Regenwaldes eingesetzt werden. Google und Bing beherrschen den Markt, eine eigene Suchmaschine kostet sehr sehr, viel Geld, also muss man als weiterer Anbieter mit einem der beiden kooperieren. So machen wir das auch: unsere Suchergebnisse kommen von Bing. Wir können also die Ergebnisse selbst nicht beeinflussen, aber wir haben in der Hand, wie sie dargestellt werden. Daran arbeiten wir momentan sehr intensiv und wollen uns noch mehr zu einer „grünen Suche“ hin entwickeln, das heißt wir arbeiten daran, ökologische Treffer herauszustellen. Oder zum Beispiel: jemand sucht einen Flug von München nach Berlin. Dann können wir ihm einen Alternativvorschlag per Bahn anzeigen und den CO2-Unterschied. Suchmaschinen braucht jeder, sie sind die Schnittstelle zwischen Mensch und Technologie. Hier setzen wir an und bieten mit Ecosia die einzige Suchmaschine an, mit der man beim Surfen im Netz Gutes tun kann.
Was bedeutet es für Sie, ein Social Business zu sein?
Wir wollen zeigen, dass man als Unternehmen erfolgreich sein und trotzdem sozial und ökologisch verträglich wirtschaften kann. Wir schreiben schwarze Zahlen, zahlen unseren Mitarbeitern faire Löhne und tun trotzdem Gutes im großen Stil. Wenn man sich selbst Social Business nennt, dann geht es einem wie vielen NGOs: die Leute schauen genau hin, wollen wissen, ob das wirklich alles stimmt, was man von sich und seinen Projekten sagt. Und das ist gut so. Wir bemühen uns sehr, dem Vertrauen, das uns entgegen gebracht wird, gerecht zu werden, legen viel Wert auf Transparenz. Jeden Monat veröffentlichen wir zum Beispiel unsere Finanzberichte und zeigen ganz genau, was wir verdienen und wofür wir es ausgeben und welche Baumpflanzprojekte aktuell gefördert werden.
Welche Projekte unterstützt Ecosia konkret?
Momentan unterstützen wir 22 Projektpartner in 16 Ländern, die meisten davon in Afrika und Südamerika. Wir sind aber auch in Indonesien und neuerdings auch in Spanien aktiv. Wir wollen nicht einfach nur einen Teil des Regenwaldes wiederherstellen. Unsere Aufforstungen sollen nachhaltig und gesund sein – und sie sollen einen Mehrwert für die Menschen vor Ort bringen. Es ist deren Land und die Bäume gehören ihnen. Daher ist es uns wichtig, die lokale Bevölkerung von Beginn an in die Projekte miteinzubeziehen und auf deren spezielle Bedürfnisse einzugehen. Wir schaffen damit auch Arbeitsplätze und sichern den Menschen vor Ort ein regelmäßiges Einkommen.
Warum gerade das Thema „Wiederaufforstung“?
Wir bei Ecosia sind Idealisten und am liebsten würden wir natürlich alle Probleme angehen und lösen. Richtig effektiv ist man jedoch nur, wenn man sich fokussiert. Die Klimawandelforschung sagt uns, dass es nicht reicht, bereits abgeholzte Bäume wieder aufzuforsten, sondern dass mehr Bäume gepflanzt werden müssen, um unser Klima zu schützen. Denn Bäume sind die Grundvoraussetzung dafür, dass wir einen gesunden Planeten haben. Sie ziehen nicht nur CO2 aus der Luft, sondern sie bilden ganze Ökosysteme aus: sie kühlen, speichern Wasser und sind ein wichtiger Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Und genau das ist die Herausforderung, vor der auch wir stehen: es reicht nicht, einfach einen Baum einzugraben. Man muss Ökosysteme schaffen, die funktionieren und die sich selbst erhalten. Daher pflanzen wir nie Monokulturen und auch keine Akazien, wo sie nicht hingehören, sondern fast ausschließlich einheimische Arten.
Gibt es bei den Nutzern heute ein höheres Bewusstsein für ökologische Zusammenhänge als noch vor einigen Jahren?
Auf jeden Fall. Anfangs waren wir ein starkes Nischenprodukt, das von Menschen genutzt wurde, die sehr grün, sehr alternativ waren – richtige „Ökos“ eben. Aus dieser Blase bewegen wir uns heraus. Die mediale Aufmerksamkeit für Fragen des Klimawandels und des Umweltschutzes hilft uns da natürlich: die Kohlekommission, die Diskussionen um den Hambacher Forst, das Pariser Klimaabkommen und ganz aktuell die Fridays for Future – diese Themen sind allgegenwärtig. In den Medien und immer mehr auch bei den Menschen. Sie fangen an, über ihren eigenen Beitrag zum Klimaschutz nachzudenken und kommen über Lebensstilfragen dann auch zu uns. Ganz besonders haben wir das im vergangenen Jahr gemerkt, als man in den europäischen Ländern erstmals den Klimawandel im Sommer richtig spüren konnte, mit Dürreperioden und Hitze.
Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Zahlen richtig sind?
Man muss sehr vorsichtig sein und darf nichts versprechen, was man nicht halten kann. Jetzt kann man sich vorstellen, dass das bei der Menge an Bäumen nicht ganz einfach ist. Bei uns koordiniert das ein tree-planting-officer. Er und seine Mitarbeiter besuchen die Projekte, halten auch die Kontakte zu den Menschen vor Ort. Manche unserer Projektpartner haben eine App, in der sie ganz genau zeigen können, wie viele Bäume gepflanzt wurden und wie sie sich entwickeln. Und dann nutzen wir natürlich Satellitenbilder und machen Zählungen. Es gibt Dürreperioden, es gibt Regenzeiten, daher finden Pflanzungen nur zu bestimmten Jahreszeiten statt; würde man immer genau im Moment der Pflanzung den Zähler auf der Homepage aktivieren, würde der manchmal über Wochen stillstehen und dann große Sprünge machen. Daher läuft er kontinuierlich, zeigt aber auch nur die Bäume an, die mit Sicherheit bereits gepflanzt wurden.
Wie viele Bäume will Ecosia pflanzen?
So viele wie möglich. Aber eine Zahl, von der wir uns wünschen, dass wir sie zeitnah erreichen, ist eine Milliarde Bäume. Das ist sehr, sehr viel, macht für unseren Planeten aber auch einen Riesenunterschied. Momentan liegen wir bei etwa 60 Millionen, das ist großartig, aber noch lange nicht genug. Der Klimawandel wartet nicht. Und jeder Baum hilft, unseren Planeten zu schützen.
Gibt es weitere Bereiche, in denen Sie sich künftig ebenfalls engagieren wollen?
Im Kontext mit unseren Baumpflanzungen beschäftigen wir uns immer wieder auch mit Fragen nach Agroforstwirtschaft, weil wir gemerkt haben, dass in diesem Bereich viel Potential für die Menschen vor Ort steckt. Wir könnten uns also vorstellen, im Bereich der Landwirtschaft generell noch intensiver einzusteigen. Das ist ein Bereich, der viel für ein besseres Weltklima beitragen kann. Wenn man hier großflächig umstellen würde auf eine regenerative Landwirtschaft, die in die Richtung ökologischer Landwirtschaft geht, aber tatsächlich teilweise noch viel weiter reicht, würde man ganz viel bewegen, wenn es um CO2-Emmissionen und CO2-Absorbtion geht, also das Ökosystem unter den Ackerflächen. Wir tasten uns da langsam heran. Wir haben zum Beispiel unseren eigenen Garten in Brandenburg, den wir nach diesen Methoden bepflanzen. Hier wollen wir zeigen, dass man auch so gute Erträge und gute Gewinne erzielen kann.
Wichtig ist uns auch, klarzumachen: keiner ist perfekt. Und niemand kann das Klima im Alleingang retten. Wir von Ecosia verstehen uns als Teil der ganzen Bewegung. Wer hinschaut und beginnt über sein Handeln und dessen Folgen nachzudenken, der hat schon den ersten Schritt gemacht.
Foto: Privat
Ecosia in Zahlen
Mit momentan acht Millionen Usern weltweit und einem Jahresumsatz von zehn Millionen Euro entwickelt sich Ecosia vom Nischenprodukt zu einer angesagten Marke. Das Unternehmen mit Sitz in Berlin beschäftigt derzeit 40 Mitarbeiter. Im Februar 2019 wurde die 50 Millionen Marke gepflanzter Bäume geknackt, bis Ende des Jahres könnten es schon 100 Millionen sein.
Génica Schäfgen ist bei Ecosia für die Kommunikation im deutschsprachigen Raum zuständig. Hier arbeitet sie an der Schnittstelle zwischen Marketing, PR und repräsentativen Aufgaben. Nach ihrem Studium der Kulturwissenschaft hat sie schnell gemerkt, dass sie nicht für ein Unternehmen arbeiten möchte, mit dessen Vision und Werten sie sich nicht identifizieren kann. So kam sie zu Ecosia, und weiß heute, wie wertvoll es ist, an etwas zu arbeiten, woran man glaubt. Um sich fachlich weiterzuentwickeln und zu qualifizieren studiert sie momentan berufsbegleitend Leadership in Digitaler Kommunikation.