Über Gott sprechen ist eine Herausforderung. Wenn es um Liebe und Hoffnung geht, ist schon der ganz alltägliche Dialog zwischen Menschen nicht immer einfach. Mit dem Glauben kommt aber etwas Unfassbares hinzu. Die Theologie müht sich, mit vertrauten Formeln das Andere, das Unbegreifliche in Worten zu erklären. Es wird der Verstand angesprochen. Doch das Gesagte bewegt und erfüllt uns nur, wenn es unser eigenes Wissen, unsere Fragen, Gefühle und Erfahrungen trifft, wenn wir offen sind für das, was wir hören. Viele Menschen sehnen sich nach Sinn und Orientierung, auch nach dem Göttlichen. Doch der kirchliche Raum bleibt ihnen zunehmend fremd, die kirchliche Rede wird für immer mehr zu einer Fremdsprache. Die christliche Botschaft kommt nicht mehr selbstverständlich an – wir verstehen uns nicht mehr.
Können Kunst und Kultur die therapeutische Lösung sein? Sicher nicht die allein Heilende, aber ein Weg – eine Chance, Inhalte und das Versprechen des Christentums mit anderen Augen zu sehen. Über das Bild, die Musik, die Poetik werden die Sinne, das Wahrnehmen angesprochen. Damit öffnet sich ein prinzipiell unmittelbarerer Zugang des vorstellbar Möglichen. Heute kann Kunst mehr vollbringen als die „biblia pauperum“ des Mittelalters in ihrer bildlich-lehrhaften Darstellung der biblischen Geschehnisse. Die Kunstschaffenden sind keine Illustratoren von Glaubensaussagen. Ihre Werke sind subjektiv. Ihre Chiffren und Symbole sind oft radikal, eröffnen dabei eine Fülle der persönlichen Assoziationen. Sie sind nicht selten anstößig in doppeltem Sinn – sie provozieren und geben Impulse, regen an, Vertrautes neu zu denken. Wer Kultur ernst nimmt, muss all das aushalten. Es geht nicht um schöne Bilder, Töne und Worte, sondern um eine existentielle Auseinandersetzung. Kirche muss sich in der Kultur nicht nur einladend für ein lauschendes, betrachtendes Publikum zeigen, sondern mit den Menschen in der Kerngemeinde ebenso wie mit den Fernstehenden neu ins Gespräch kommen.
Es gibt einen klaren Bezugspunkt, in dem sich Christentum und Kunst in ihrer kulturschöpferischen Kraft über Jahrhunderte getroffen haben: der Mensch mit seinen Hoffnungen und Freuden, mit seinen Ängsten und schmerzhaften Erlebnissen, seinen Erkenntnissen und Ideen. Die Lebenskultur als „ars vivendi“ und „ars moriendi“, die Kunst des Lebens und des Sterbens, bewegt Glaube und kreatives Schaffen. Das können auch heute Bausteine einer Brücke zwischen der Kühnheit religiösen Glaubens und der Expressivität des Zweifels, zwischen Ethik und Ästhetik sein. Hierzu gehört Risikobereitschaft, der Mut, sich einzulassen, sich der Herausforderung zu stellen, um Fragen zuzulassen und umso intensiver über Gott reden zu können.
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