Carlos Garcés (rechts) und der Vorsitzende des Diözesanrates Hans Tremmel (links) halten gemeinsam mit weiteren CELCA-Mitgliedern die Flagge der Partnerschaft hoch. Foto: Abteilung Weltkirche EOM
Gemeinsam Kirche gestalten in Orts- und Weltkirche
Während sich die Pfarrgemeinden in Bayern auf die Pfarrgemeinderatswahl im Frühjahr 2018 vorbereiten, werfen wir einen Blick in das Partnerland der Erzdiözese München und Freising: Ecuador. Gemeinde creativ hat mit Carlos Garcés Velasquez, dem Präsidenten des nationalen Laienrats (CELCA: Consejo Ecuatoriano de Laicos Católicos) und Anita Alarcon, Präsidentin der Kolpingfamilie in Quito, gesprochen, um zu erfahren, wie und warum sich dort Männer und Frauen in ihrer Ortskirche engagieren.
Warum engagieren Sie sich in der Kirche und welche Bedeutung spielt dabei Ihr Glaube?
Carlos Garcés Velasquez: Ich fühle mich von Gott als Diener gerufen und nur aus meinem Glauben und mit tatkräftigem Einsatz kann ich der Kirche dienen. Unser Engagement hat einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft. Wir fördern die Evangelisierung und können so verschiedene Lebensbereiche mitgestalten.
Alarcon: Für mich ist der selige Adolph Kolping ein großes Vorbild in der Nachfolge Christi. Indem ich mich im Kolpingwerk engagiere, trage ich als lebendiges Werkzeug in der sozialen Arbeit etwas bei. Aus dem Glauben heraus ergibt sich ein Dienst am Menschen. Befähigung und eine ganzheitliche (Aus-)Bildung formen die Gesellschaft.
Was gibt Ihnen Ihr Engagement für die Kirche ganz persönlich?
Velasquez: Persönlich fühle ich mich durch meine ehrenamtliche Arbeit gesegnet und bin dankbar für die Funktionen, die ich ausüben darf.
Alarcon: Überzeugung, Sicherheit und die Freude, eine wunderbare Gruppe von Menschen zu leiten und zu begleiten.
Welche Funktion üben Sie aus?
Velasquez: Als Präsident von CELCA habe ich vielfältige Tätigkeitsbereiche, wie Kommunikation innerhalb des Gremiums und Öffentlichkeitsarbeit, Organisation und Durchführung von Treffen und Gremiensitzungen, Kommissionsarbeit zur Erarbeitung von Stellungnahmen und Kampagnen sowie die inhaltliche Begleitung der diözesanen CELCAs.
Alarcon: In meiner Kolpingfamilie widmen wir uns insbesondere dem Thema „Wachsen in der und als Familie“. Im Rahmen dessen bin ich als Präsidentin mit allerlei organisatorischen Aufgaben betraut. Wir bieten auch Workshops im Bereich „Soziale Arbeit und Familie“ an.
Können Sie uns eine bereichernde Geschichte aus Ihrer Erfahrung erzählen, bei der Sie „Gemeinsam Kirche sein und gestalten“ besonders intensiv erlebt haben?
Velasquez: Als wir 2015 für den Papstbesuch in Ecuador ein Treffen für 2.000 Laien auf der Plaza San Francisco in Quito organisiert haben, fühlten wir uns auf dem Platz wirklich als Teil einer lebendigen Kirche. Die Gegenwart und Gemeinschaft von so vielen engagierten Laien aus fast allen Diözesen Ecuadors war beeindruckend.
Alarcon: Im April 2017 bekamen wir Besuch vom Kolping Diözesanverband München und Freising und im September kam Kardinal Reinhard Marx mit einer Delegation aus der Erzdiözese. Das hat mir erneut vor Augen geführt, dass wir mit unserem Engagement, auch über so viele Kilometer hinweg, an denselben Themen interessiert sind und arbeiten und dadurch gemeinsam Kirche sind.
Die Antworten von Carlos Garcés Velasquez und Anita Alacon lassen deutlich erkennen, dass der persönliche Glaube als Antriebs- und Kraftquelle im Mittelpunkt steht und aus diesem heraus die Verantwortung erwächst, sich zu engagieren.
Auch das Motto der Kampagne zur Pfarrgemeinderatswahl in der Erzdiözese München und Freising „Du bist Christ. Mach was draus.“ legt einen interessanten Schwerpunkt: es spricht persönlich an – Du – und verweist auf den Inhalt des Glaubens – Christus. Diese persönliche Beziehung zwischen Getauft-sein und Christus ist der Kern eines lebendigen Glaubens, der dem Gläubigen seinen Namen verleiht: Christ. Als solcher ist man berufen, sich für christliche Werte einzusetzen, Verantwortung zu übernehmen und Mitverantwortung in der Kirche zu tragen.
Was wir in dieser Hinsicht von unseren Partnern in Ecuador als Impuls aufnehmen können, ist die Besinnung auf den eigenen Glauben als Zentrum und Quelle. An was glauben wir eigentlich und warum? Nehmen wir uns überhaupt als Christen wahr und ernst? Die persönliche Auseinandersetzung mit den Inhalten unseres Glaubens geht uns in Deutschland im hektischen Alltag oft verloren und wir setzen den Glauben als etwas Selbstverständliches voraus. Unseren christlichen Verpflichtungen kommen wir nur noch aus Gewohnheit oder aus Pflichtbewusstsein nach. Doch darin birgt sich die Gefahr, dass unser Handeln bloßer Aktionismus wird. Wir neigen dann möglicherweise dazu, auch bei unserem Engagement in der Kirche, beispielsweise im Pfarrgemeinderat, stumpf zu organisieren und zu planen, Dinge einfach abzuarbeiten und Probleme (scheinbar) zu lösen. Dies sind alles wichtige Aufgaben, die erledigt werden müssen, die entscheidende Frage ist jedoch, ob wir es mit Freude tun und im Bewusstsein, gemeinsam Kirche zu sein und zu gestalten. Besteht unsere Gemeinschaft nur im gemeinsamen Planen und Organisieren oder gibt es da eine tiefere, eine erfahrbare Verbundenheit durch unseren gemeinsamen Glauben?
Aber nicht nur in Bezug auf unser kirchliches Engagement in der Ortskirche, auch in unseren weltkirchlichen Beziehungen können und müssen wir uns fragen: Was verbindet uns Christen in der Einen Welt? In Deutschland sind wir innerhalb der kirchlichen Strukturen sehr gut organisiert. Wir haben Räte und Verbände sowie Laiengremien auf verschiedenen Ebenen, die unsere Partner in Ecuador nicht in analoger Form haben. Der sogenannte nationale Laienrat Ecuadors (CELCA: Consejo Ecuatoriano de Laicos Católicos) befindet sich noch im Aufbau und wurde unter anderem durch die langjährige Freundschaft und Partnerschaft mit dem Diözesanrat der Katholiken der Erzdiözese München und Freising befruchtet. Neben den kulturellen Unterschieden sind auch die kirchlichen Strukturen in Ecuador geschichtlich ganz anders gewachsen. Eine echte weltkirchliche Lern- und Solidargemeinschaft, das heißt Partnerschaft auf Augenhöhe, lässt beide Traditionen und Kulturen gelten und hört der jeweils anderen zu, um sich gegenseitig zu bereichern.
Was und in welchen Bereichen können wir von unseren Partnern in Ecuador lernen und was diese von uns? Es kann nicht das Ziel sein, dass in Ecuador möglichst dieselben Strukturen aufgebaut werden wie in Bayern und Deutschland, damit wir analog zu jedem Gremium einen Ansprechpartner haben. Ein solcher Ansatz stünde für einen rein formalen Austausch. Jenseits aller (durchaus notwendigen und sinnvollen) Strukturen und Gremien sollten wir uns auf einen Dialog einlassen und uns über unseren teils ganz verschieden gelebten Glauben, aber auch über die uns jeweils umgebende Realität austauschen. Als Christen und als Kirche sind wir in die Welt gestellt: Wie leben, denken und fühlen wir heute, was beschäftigt uns an zwei verschiedenen geographischen Punkten einer sich immer stärker verändernden globalisierten Welt? Diese Fragen können wir nur beantworten, wenn wir uns selbst als Christen ernst nehmen und uns kritisch mit Welt und Gesellschaft auseinandersetzen. Und nur so können wir in Ecuador wie in Deutschland im Sinn des Mottos „Du bist Christ. Mach was draus.“ zu Protagonisten werden, die sich aktiv in Orts- und Weltkirche sowie in die Gesellschaft einbringen.
Fotos: Abteilung Weltkirche /EOM