Ist unsere Pfarrgemeinde generationengerecht? Die Antwort darauf ist wohl in den meisten Fällen eher ein „Jein“, als ein klares „Ja“ oder „Nein“.
Es gibt jetzt eine neue Rampe, die die Stufen am Kircheneingang überbrückt. Das freut Rollstuhlfahrer, Senioren mit Rollator, Familien mit Kinderwägen, den Chor und auch den Mesner, wenn Musikgeräte, Boxen und andere schwere Gerätschaften jetzt ganz bequem in den Kirchenraum gerollt werden können. Vollständig generationengerecht ist unsere namenlose Beispielgemeinde deswegen aber noch lange nicht. Verstehen Sie mich nicht falsch – diese Rampe ist ein erster und ein sehr wichtiger Schritt, aber der Weg zur generationengerechten Pfarrgemeinde, er ist lang.
Barrierefreiheit ist vermutlich das Thema, das den allermeisten als erstes in den Sinn kommt, wenn sie nach generationengerechtem Handeln gefragt werden. Nicht zuletzt deswegen, weil es hierzu bereits viele gute Beispiele, klare Vorgaben und Leitfäden sowie Förderprogramme gibt und weil sie sich in einigen Bereichen zügig und mit relativ wenig Aufwand und einfachen baulichen Maßnahmen umsetzen lässt – mit einer Rampe, abgesenkten Bordsteinen, Gebets- und Gesangbüchern im Großdruck sowie Induktionsschleifen in Kirchen und anderen pfarreilichen Gebäuden. Aber: selbst wenn all diese Punkte verwirklicht sind, ist noch keine vollständige Barrierefreiheit erreicht – denn Barrieren gilt es vor allem auch in den Köpfen der Menschen abzubauen. Und dann ist die Barrierefreiheit selbst eben nur ein Baustein einer generationengerechten Pfarrgemeinde.
Der Rahmen muss passen
Eine Pfarrgemeinde, die generationengerecht ist oder dies immer mehr werden will, benötigt hierfür passende Rahmenbedingungen: Gute personelle, strukturelle und organisatorische Voraussetzungen ermöglichen die Verwirklichung echter Generationengerechtigkeit. Es ist die Aufgabe aller ehren- und hauptamtlich Verantwortlichen in einer Pfarrgemeinde, innerhalb ihrer jeweiligen Möglichkeiten sowie gemeinsam über solche passenden Rahmenbedingungen nachzudenken und sie selbst zu schaffen oder deren Umsetzung einzufordern.
Hier kann man sich beispielsweise diese Fragen stellen:
- Ist das Seelsorgeteam offen für das Thema und selbst intergenerativ aufgestellt?
- Gibt es (mindestens) einen Ausschuss im Pfarrgemeinderat, der den Auftrag hat, sich gezielt mit Fragen nach Generationengerechtigkeit zu beschäftigen?
- Gibt es in unserer Pfarrei Orte, die die Begegnung der Generationen ermöglichen bzw. wo können solche geschaffen werden? Stichwort: Mehrgenerationenhaus oder Intergenerationelles Wohnen – hier bieten sich vielfach auch Kooperationen mit der Kommune und den ortsansässigen Wohlfahrtsverbänden an.
- Oder ganz praktisch: wie steht es um die Öffnungszeiten des Pfarrbüros und die Erreichbarkeit des pastoralen Personals? Ermöglichen diese allen Menschen gleichberechtigten Zugang?
Eine Pfarrei lebt von ihren Menschen, von den Haupt- und Ehrenamtlichen, die sich gemeinsam in den Dienst der Sache Jesu Christi stellen. Eine Pfarrei lebt auch vom Zusammenkommen, vom Austausch und vom Miteinander. Eine Pfarrei ist keine bloße Verwaltungseinheit. Und: Gemeinsam Kirche sein endet nicht mit dem Segen beim Sonntagsgottesdienst und auch nicht am Kirchenportal. Es verlangt ein aktives Zugehen auf Menschen, die nicht zum engeren Kreis der Gemeinde – zum „heiligen Rest“ – gehören, die aber dennoch die Gemeinschaft der Kirche und das, was sie Gutes tut in dieser Welt, schätzen. Die Angebote einer Pfarrei müssen gerade auch für sie ansprechend sein.
Beginnen Sie vielleicht mit der Frage: Erreichen unsere Informationen zu Veranstaltungen und An-geboten diese Menschen überhaupt? Ein ausgedruckter Kirchenanzeiger mit entsprechenden Hinweisen, der nur in den Kirchen aufliegt, wird von dieser Zielgruppe vermutlich nicht wahrgenommen. Nutzen Sie daher verschiedene Kommunikationswege – von der Pfarreihomepage, über den Pfarrbrief, der an alle Haushalte in der Gemeinde verteilt wird, bis hin zu Social Media – um verschiedene Zielgruppen zu erreichen und bereiten Sie die Informationen jeweils angepasst auf: Jugendliche lassen sich von anderen Inhalten und einer anderen Aufmachung ansprechen als andere Altersgruppen.
Miteinander statt Nebeneinander
Überlegen Sie weiter: Sind die Angebote in Ihrer Pfarrei wirklich interessant für alle Generationen? Gibt es beim Pfarrfest zum Beispiel spezielle Attraktionen für Kinder, können sich Jugendliche einbringen und wird dafür gesorgt, dass die Seniorinnen und Senioren aus dem nahen Altenheim teilnehmen können? Gibt es schon echte generationenverbindende Angebote oder bleiben die Generationen bisher meist unter sich und bestehen die Berührungspunkte in Klassikern wie „Firmgruppe besucht das Seniorenheim“? Angebote sollten nachhaltig und „anschlussfähig“ sein. Das bedeutet, wenn etwas gut funktioniert hat, dann sollte es nach Möglichkeit eine Fortsetzung geben. Andererseits sollte man auch den Mut aufbringen, etwas aus dem Jahreskalender zu streichen, wenn man merkt, dass es nicht mehr angenommen wird. Das schafft Raum und Zeit für Neues.
„Eine Pfarrei lebt auch vom Zusammenkommen, vom Austausch und vom Miteinander. Eine Pfarrei ist keine bloße Verwaltungseinheit.“
Ein dritter Punkt: die Liturgie ist der Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt (vgl. Sacrosanctum Concilium 10). So soll sie auch in unseren Gemeinden erfahrbar und erlebbar werden. Um dies zu erreichen, müssen die liturgischen Feiern und andere Angebote auf bestimmte Alters- und Zielgruppen angepasst werden. Es braucht Formen, die auch für die Kleinsten geeignet sind, bei denen es kein Problem ist, wenn ein Kind einmal unruhig wird und weint. Es braucht Gottesdienste, die Jugendliche ansprechen – sowohl in ihren Themen wie in ihrer Umsetzung. Es braucht Angebote, die sich am Lebensrhythmus der Menschen orientieren und von ihnen auch besucht werden können und es braucht neben den sonntäglichen Messfeiern niederschwellige Angebote, um diejenigen zu erreichen, die sonst nicht kommen.
Man darf das Augenmerk aber nicht nur darauf richten, wie man neue Menschen für die Arbeit in der Pfarrei gewinnen kann, sondern man darf auch die nicht aus den Augen verlieren, die schon lange da sind. Bei vielen Menschen kommt irgendwann der Punkt, an dem sie aus Gründen der Gesundheit oder des Alters nicht mehr so aktiv am pfarreilichen Leben teilhaben können. Viele ziehen sich zurück und verschwinden aus dem Blickfeld der Anderen. Diese Gruppe dürfen wir nicht vergessen. Hier braucht es sogenannte nachgehende und aufsuchende Angebote: Engagierte, die zu den betroffenen Menschen nach Hause gehen, die ihnen die neusten Informationen aus der Pfarrei mitbringen, die sie an einem schönen Tag vielleicht mit dem Rollstuhl durch den Park schieben und die so auch die pflegenden Angehörigen ein Stück weit entlasten.
Sie sehen: der Weg zur generationengerechten Pfarrgemeinde, er ist tatsächlich lang – und kann sicherlich auch streckenweise ganz schön steinig sein. Durchhalten lohnt sich, denn am Ende steht eine Gemeinschaft, die aufeinander schaut, füreinander da ist und die weder neuerliche Strukturveränderungen noch ein Virus erschüttern werden.
Titelbild: SCUSI / Adobe stock