Katechese im Miteinander der Generationen
Kinder haben oft interessante, manchmal völlig überraschende Zugänge zum Glauben. Das ist die Erfahrung vieler Eltern und nicht weniger Katechetinnen und Katecheten. Deshalb empfinden Eltern nicht selten die Fragen ihrer Kinder als Herausforderung. Für sie wie auch für die Katecheten werden daher die Katechesen mit den Kindern häufig auch zur Bereicherung für ihren eigenen Glauben.
Wäre es daher nicht sinnvoll, Erwachsene direkt anzusprechen? Sicher! Stattdessen aber sind unsere Katechesen weitestgehend auf Kinder und Jugendliche fokussiert. Mehr noch: Sie sind zum allergrößten Teil Katechesen zur Vorbereitung auf den Erstempfang eines Sakramentes (Beichte, Kommunion und Firmung). Und das, obwohl längst klar ist, dass ein in der Kindheit und Jugend erlerntes Wissen fortlaufend weitergebildet werden muss, wenn es den privaten und beruflichen Anforderungen gerecht werden will. Warum sollte das beim Glauben anders sein?
Vielmehr ist sogar das Gegenteil der Fall, denn beim Glauben handelt es sich nicht um fachspezifisches, sondern um Lebenswissen. Das Leben aber hat sich in den letzten Jahrzehnten auch für Erwachsene permanent und rasend schnell verändert. Und weil viele Erwachsene keine Verbindung zwischen diesem so veränderten Leben und ihrem „Kinderglauben“ herstellen können, wird der Glaube für sie irrelevant. Nett für Kinder, aber unbrauchbar für Erwachsene. Oder aber der Glauben fristet ein Randdasein, das am Sonntag oder bei besonderen Ereignissen (Hochzeit, Geburt, Tod) aktiviert wird, ansonsten aber keine Bedeutung spielt. Mehr noch: Wenn die Erwachsenen den Glauben nicht mehr leben, bestärkt eine auf Kinder und Jugendliche fokussierte Katechese den Eindruck, dass man als Erwachsener keine Weiterbildung des Glaubens braucht.
Theoretisch ist das alles längst klar. Denn seit den 1970er Jahren wird in kirchlichen Dokumenten immer wieder darauf verwiesen, dass die Katechese mit (nicht für) Erwachsenen „die vorzügliche Form der Katechese [ist], auf die alle anderen Formen, die sicher immer notwendig sind, gewissermaßen hingeordnet sind. Darum muss die Katechese der anderen Altersstufen sie zum Bezugspunkt haben“. Das heißt: Wenn es keine Erwachsenenkatechese gibt, ist jede andere Katechese orientierungslos.
Wann denn das noch?
Fast reflexartig kommt dann sofort die Frage: Aber wann sollen wir das denn noch machen? Darauf zwei Antworten:
Erstens: Der Einwand ist natürlich berechtigt, denn es kann nicht immer noch mehr „draufgepackt“ werden. Das gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass bis 2030 ein Rückgang der Kirchenmitgliederzahl um 50 Prozent prognostiziert wird und damit auch die Zahl der haupt- und ehrenamtlichen in den Pfarreien deutlich abnehmen wird. Wenn aber umgekehrt die oben genannte These der Orientierungslosigkeit stimmt, kann die Antwort nur lauten: Die Kinder- und Jugendkatechese zugunsten der Erwachsenenkatechese zu reduzieren.
Es sei denn – und das ist die zweite Antwort –, es gibt ein Katecheseformat, bei dem Kinder, Jugendliche und Erwachsene zusammenkommen.
Familien, Paare und Glaubens-Singles
Ein solches Konzept bietet die intergenerationelle Katechese, wie sie sich in anglo- und frankophonen Ländern in den vergangenen Jahrzehnten wohl auch deshalb entwickelt hat, weil dort schon jetzt deutlich weniger Hauptamtliche zur Verfügung stehen als hierzulande. Allerdings haben auch in Deutschland schon einige Pfarreien gute Erfahrungen mit dieser Form der Katechese.
Dabei geht das Konzept intergenerationeller Katechese insofern über eine Familienkatechese hinaus, als es neben den Familien auch kinderlose Paare und Glaubens-Singles ansprechen will. Letztere können Menschen sein, die tatsächlich allein leben, aber auch solche, die als Erwachsene oder auch als Kinder und Jugendliche in einer Familie mit ihrem Glauben allein dastehen. Eine auf Familien fokussierte Katechese grenzt sie aus. Dabei wird ihre Zahl in den nächsten Jahren vermutlich deutlich ansteigen, weil insgesamt die religiöse Sozialisation durch die Familien abnimmt. Immer weniger Menschen werden quasi von Kindesbeinen an in den Glauben hineinwachsen. Deren Lebens- und Glaubenserfahrungen in die Katechese einzubeziehen, wird die Katechese (und nicht nur sie) nachhaltig bereichern. Auch unter missionarisch-evangelisierender Perspektive bietet sich darum das Konzept einer intergenerationellen Katechese an.
Wenn unterschiedliche Menschen mit ihren je eigenen Lebens- und Glaubenserfahrungen in einen Dialog über den Glauben kommen, wirkt dies gleich in mehrfacher Hinsicht anregend und nachhaltig. Werden zum Beispiel die Erstkommunionkinder mit ihren Familien einbezogen, erleben die Kommunionkinder, aber auch ihre Geschwister, die Eltern und die Großeltern, dass der Glaube auch Menschen außerhalb ihrer Familie oder unabhängig von der Vorbereitung auf ein besonderes Fest (Erstkommunion oder Firmung) wichtig ist. Und alle Teilnehmenden erleben miteinander, welche Bedeutung und gegebenenfalls prägende und tragende Kraft einzelne Glaubensinhalte oder der Glaube an sich in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen entfalten kann.
Es bietet sich deshalb an, Erstkommunion- und Firmkatechese in dieses Konzept zu integrieren. Manche Pfarreien machen dies für die gesamte Vorbereitung, andere greifen einzelne Themen aus der Sakramentenvorbereitung auf, um sie mit Interessierten aus der ganzen Gemeinde im dialogischen Miteinander katechetisch zu erschließen.
Intergenerationelle Katechese
Jede Gemeinde wird dabei das für sie passende Konzept entwickeln. Doch gibt es aus Erfahrung einige Grundelemente, die vorkommen sollten. Dazu zählt neben dem persönlichen Willkommen-heißen der Teilnehmenden am Eingang ein gemeinsames Essen, das möglichst gleich am Anfang stehen sollte. Denn miteinander Essen und Trinken schafft Gemeinschaft, die wir durch die Corona-Pandemie ganz neu wertschätzen gelernt haben. Außerdem ermöglicht das Essen ein entspanntes Ankommen, denn man wird nicht gleich mit den „schweren“ Inhalten konfrontiert. Zum Essen wird ein einfaches Gericht (Nudeln mit Tomatensoße – ein Renner bei Kindern – oder Suppe) gereicht oder die Teilnehmenden bringen etwas mit (je nach Tageszeit etwas zum Brunch oder für Kaffee und Kuchen).
Zum Start finden sich bei diesem Essen an den Tischen in der Regel Menschen zusammen, die sich kennen. Das ist auch nicht schlimm. Denn nicht wenige Familien sitzen nur selten beieinander und essen zusammen. Außerdem ist Familienzeit kostbar, so dass ein Miteinander der Familie die Attraktivität einer Veranstaltung erhöht. Andere können sich dazu setzen oder finden an anderen Tischen Menschen in vergleichbarer Lebenssituation.
Nach dem Essen gibt es eine erste inhaltsbezogene Aktion für alle zusammen. Dies kann beispielsweise ein Quiz im Wettbewerb der unterschiedlichen Tischgruppen sein. Dabei ist darauf zu achten, dass die Kinder ebenso einbezogen sind wie die Jugendlichen und die ältere Generation.
Danach teilen sich die Anwesenden in verschiedene Gruppe auf. Das können altersspezifische Gruppen sein, weil alle mit ihrem je spezifischen altersgemäßen Zugang zum Glauben zu ihrem Recht kommen sollen. Es können aber auch Interessengruppen gebildet werden. Die einen singen gern, die anderen möchten malend oder bastelnd kreativ werden, wieder andere möchten sich eine passende Bibelstelle inhaltlich im Bibelteilen erschließen oder bevorzugen einen meditativen, vielleicht auch tänzerischen Zugang.
All diese Gruppen kommen nach einer vorgegebenen Zeit wieder zusammen und berichten von ihren Aktionen und Erlebnissen oder sie zeigen das, was sie entwickelt haben und führen es auf.
Den Abschluss bildet ein Gottesdienst. Das ist entweder die sonntägliche Eucharistiefeier der Gemeinde (ggf. als Vorabendmesse) oder aber ein eigener Gottesdienst für die Teilnehmenden. In jeden Fall findet das Thema der Katechese Eingang in den Gottesdienst. Am einfachsten ist dies dann zu erreichen, wenn das Thema der Katechese einer der biblischen Lesungen des Sonntags entstammt. Insbesondere wenn es sich bei diesem um den sonntäglichen Gottesdienst der ganzen Gemeinde handelt, ist der Rückbezug zur Gemeinde als Trägerin der Katechese konkret erlebbar. Und damit wird neben der Stärkung der Erwachsenenkatechese einem zweiten Grundanliegen der Katechese Rechnung getragen, denn Katechese dient dem Gemeindeaufbau, wonach „die christliche Gemeinschaft […] Ursprung, Ort und Ziel der Katechese“ ist.
Katechese ist die biographiebezogene Erschließung (nicht nur wissensmäßige Vermittlung) der Inhalte des Glaubens. Sie wird umso reichhaltiger und nachhaltiger, je mehr unterschiedliche Lebenserfahrungen in den katechetischen Dialog eingebracht werden.
Zum Weiterlesen
Papst Johannes Paul II, Apostolisches Schreiben Catechesi Tradendae (VApS 12), Bonn 1979. (= CT)
Kongregation für den Klerus, Allgemeines Direktorium für die Katechese (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 130), Bonn 1997. (= ADK)
Die deutschen Bischöfe, Katechese in veränderter Zeit (Die deutschen Bischöfe 75), Bonn 2004. (= KivZ)
Henri Derroitte, La catéchèse décloisonnée. Jalons pour un nouveau projet catéchétique (coll. Pédagogie catéchétique, 13), Bruxelles 2000. (vgl. weitere Titel in der Reihe: Pédagogie catéchétique).
Christian Hennecke/ Anke Dörsam (Hg.), Generationen des Glaubens. Kontexte, Modelle und Erfahrungen generationenübergreifender Katechese (dkv – Deutscher Katecheten-Verein), München 2015.
Bernd Lutz, Katechetisches Lernen der ganzen Gemeinde als Gemeinschaft, in: A. Kaupp u.a. (Hg.), Handbuch der Katechese (Grundlagen der Theologie), Freiburg/Br. 2011, 173-184.(Dort auch Hinweise zur englischsprachigen Literatur).
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