Fairness auf dem Friedhof – was zuerst nach einer merkwürdigen Kombination klingen mag, beschäftigt aktuell immer mehr Menschen. Wer zu seinen Lebzeiten beim Einkaufen auf Nachhaltigkeit achtet, möchte auch über den Tod hinaus ein positives Erbe für Mensch und Umwelt hinterlassen. Das beginnt mit scheinbar ganz banalen Fragen, wie der Grabbepflanzung, der Auswahl von Sarg oder Urne und des Grabsteins. Eine neue Broschüre des Landeskomitees gibt einen Überblick über diese Themen.
Friedhöfe galten lange Zeit als Orte, an denen sich niemand länger als nötig aufhalten wollte – schon gar nicht bei Dunkelheit. Wer hat als Kind nicht Schauermärchen über Friedhöfe bei Nacht gehört? Das hat sich geändert. Einige haben sich zu wahren Besuchermagneten entwickelt und sich im wahrsten Sinne des Wortes einen „Namen“ gemacht. Für viele Touristen gehört der Besuch von Friedhöfen ganz selbstverständlich zum Urlaubs- und Reiseprogramm. Als Parkanlage gestaltet, zählt der Mirogoj-Friedhof in Zagreb zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten in der kroatischen Hauptstadt. Den Friedhof Père Lachaise in Paris besucht man, weil dort bekannte Persönlichkeiten wie Edith Piaf, Frédéric Chopin und Jim Morrison begraben liegen und der Wiener Zentralfriedhof wird wegen seiner Jugendstil-Bauweise gerne besichtigt. Doch – bei aller touristischen Attraktivität, Friedhöfe sollen vor allem eines sein: Orte der Stille und der Ruhe. Orte des Innehaltens, des Rückzugs und der Besinnung. Orte, wo die eigene Trauer Raum und Zeit findet.
Geändert hat sich auch die Bestattungs-, Trauer- und Erinnerungskultur. Traditionelle Beerdigungsrituale verlieren an Bedeutung, Gräber verjähren und werden aufgelöst. Tod und Sterben sind in unserer Gesellschaft zu einem Tabu geworden, ein Thema, über das niemand gerne spricht, das verdrängt und hinausgeschoben wird. Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern hat nun eine Broschüre veröffentlicht, die zu einer bewussten und intensiven Auseinandersetzung mit diesen Themen ermutigen will. Dazu gehören auch ein Blick auf das eigene Leben, auf den eigenen Fußabdruck, den wir auf dieser Welt hinterlassen (haben) und ein Blick in die Zukunft. Als Christen darf es uns nicht egal sein, wie wir unsere Erde den kommenden Generationen hinterlassen. „Ohne eine Solidarität zwischen den Generationen kann von nachhaltiger Entwicklung keine Rede sein. […] Wir reden hier nicht von einer optionalen Haltung, sondern von einer grundlegenden Frage der Gerechtigkeit, da die Erde, die wir empfangen haben, auch jenen gehört, die erst noch kommen“, schreibt Papst Franziskus in der Enzyklika Laudato si‘ (LS 159).
Fair bis zuletzt
Es ist Teil des urchristlichen Auftrags an den Menschen, wie er in der Genesis (Gen, 1-11) festgeschrieben ist, Gottes Schöpfung zu bewahren und sich gleichzeitig als Teil ebenjener Schöpfung zu fühlen. In seiner öko-sozialen Enzyklika Laudato si‘ (2015) ruft Papst Franziskus diesen Auftrag erneut und deutlich in Erinnerung, wenn er sagt: „Alle können wir als Werkzeuge Gottes an der Bewahrung der Schöpfung mitarbeiten, ein jeder von seiner Kultur, seiner Erfahrung, seinen Initiativen und seinen Fähigkeiten aus.“ (LS 14)
Bewusstes Leben schließt das Wissen um die menschliche Vergänglichkeit mit ein. Früher oder später sind wir alle mit Sterben und Tod von Freunden und Angehörigen, aber auch mit dem eigenen Sterben konfrontiert. Die Auseinandersetzung mit dem Lebensende steht dabei einem erfüllten und gelungenen Leben nicht entgegen, sondern ist vielmehr ein Teil davon. Im Umgang mit Sterben und Tod und in existentiell schwierigen Lebenssituationen will die katholische Kirche vorrangig Trauerbegleitung und seelsorgerische Hilfe bieten. Das ist ihr Kernauftrag und darin sollte sie auch nicht nachlassen. Mit einem Trauerfall gehen jedoch auch bürokratische und organisatorische Herausforderungen einher, die nicht nur Zeit, sondern auch Kraft kosten. Wer die Eigeninitiative und den Mut aufbringt, sich zu Lebzeiten selbst um „die letzten Dinge“ zu kümmern, stärkt sein eigenes Bewusstsein und entlastet seine Angehörigen.
Wie in allen Lebensbereichen sind wir im Umgang mit dem Sterben angehalten, globale Bezüge wahr und ernst zu nehmen. Ein konsequent nachhaltiger und verantwortungsvoller Lebensstil geht über den Tod hinaus. Wer zu Themen wie Grablichtern und sinnvoller Grabbepflanzung recherchiert, der wird eines rasch bemerken: Die Gestaltung und die Pflege der eigenen Gräber hat einen globalen Kontext. Noch immer sind Grabsteine und Einfassungen aus chinesischen und indischen Steinbrüchen im Umlauf, hergestellt durch Kinderarbeit. Kerzen enthalten Palmöl und stecken in Einweg-Plastikbechern, die Meere und Umwelt verschmutzen.
Grabsteine
Ein großer Anteil der in Deutschland verkauften Grab- und Natursteine wird aus Indien oder China importiert. Die dortigen Arbeitsbedingungen sind nach westlichen Standards zumeist nicht zumutbar. Katholische Hilfswerke und andere Nichtregierungsorganisationen beschäftigen sich schon länger mit diesem Thema. Das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ konnte 2016 nachweisen, dass in indischen Steinbrüchen Kinder unter ausbeuterischen Verhältnissen und katastrophalen Arbeitsbedingungen arbeiten. Mit dem bewussten Kauf von Grab- und Natursteinen aus zertifizierter Herkunft, die nachweislich ohne ausbeuterische Kinderarbeit produziert wurden, können auch Sie ein Zeichen setzen. Alternativ können Sie einen alten Grabstein aufarbeiten lassen oder ein Holz- oder Metallkreuz anstatt eines Grabsteins auswählen.
Blumen
Zu Allerheiligen Rosen aus Übersee auf’s Grab? Schnittblumen sind schön und als Geschenk Ausdruck der Zuneigung. So werden sie auch bei Bestattungen verwendet, sowohl in Kränzen und Gestecken, aber auch als Sträuße und einzelne Blumen, die auf die Gräber gelegt werden. Doch ihre Produktion ist vielfach problematisch. Schnittblumen werden häufig in Ländern des globalen Südens, in Afrika oder Lateinamerika in riesigen Plantagen gezüchtet und anschließend unter großem Aufwand nach Europa transportiert. Jede zweite Rose in der Europäischen Union stammt aus Kenia, weitere Herkunftsländer sind beispielsweise Äthiopien oder Ecuador. Schnittblumen haben meist eine schlechte Ökobilanz, die nicht zuletzt durch den Transport via Flugzeug in alle Welt entsteht. Außerdem wird für ihre An- und Aufzucht viel Wasser benötigt – Wasser, das in diesen Ländern nicht ausreichend zur Verfügung steht und folglich als Trinkwasser oder für die Lebensmittelerzeugung fehlt. Zudem werden auf den Plantagen gesundheitsschädliche Pestizide eingesetzt.
Neben den Themen „Grabsteine“ und „Blumen“ zeigt die Broschüre auch für die Bereiche „Erden“, „Sarg und Urne“ Alternativen auf und regt zur naturnahen Grabbepflanzung an. Denn: Friedhöfe sind Orte der Trauer, des Rückzugs und der Besinnung. Sie sind aber auch Naturoasen – oft mitten in der Großstadt und damit ein nicht zu unterschätzender Rückzugsort für verschiedene Pflanzen- und Tierarten. Friedhöfe verbessern ganz allgemein mit ihrer Flora und Fauna das Stadtklima und bieten vielen Tierarten einen geschützten Lebensraum: Schmetterlinge, Bienen und andere Insekten, aber auch Vögel, Fledermäuse und Kleinsäugetiere wie Eichhörnchen profitieren von einer naturnahen Friedhofsgestaltung mit wenig versiegelter Fläche.
Foto: Patryk Kosmider / Adobe Stock
Die Broschüre Fair bis zuletzt gibt Anregungen und Tipps zur ökologischen und fairen Grabgestaltung von der Blume bis zur Kerze und informiert über ökologische und faire Alternativen zu gängigen Produkten. Diese Zusammenstellung möchte eine Anregung und Ermutigung sein, das gesellschaftliche Tabu zu brechen und sich mit Tod und Sterben auseinander zu setzen, persönlich und zukunftsorientiert, für eine bessere Welt. Die Broschüre kann in der Geschäftsstelle des Landeskomitees sowie online auf www.landeskomitee.de für je ein Euro pro Stück (zzgl. Versandkosten) bestellt werden.