Ein typisches Bild in den Tagen vor Ostern: Kreuze sind verhüllt, Seitenaltäre zugeklappt.
Fasten – Beten – Allmosengeben — Diese drei Begriffe umspannen die Fastenzeit wie ein Dreieck. Die Zeit vor Ostern lebt von einer besonderen Liturgie, von Ritualen und der Farbe violett. Spezielle Angebote in den Pfarreien bereiten die Menschen in den 40 Tagen auf das Osterfest vor: Es gibt Früh- und Spätschichten, Meditationen und Pessachmahl-Feiern.
Fasten ist schon seit Beginn aller Religiosität geschätzt, um Leib, Seele und Geist zu reinigen und sich für neue Erfahrungen zu öffnen. Als Fastenzeit wird in der Westkirche der vierzigtägige Zeitraum des Fastens und Betens zur Vorbereitung auf das Hochfest Ostern bezeichnet. In den reformatorischen Kirchen ist der Begriff „Passionszeit“ gebräuchlich.
Im 3. Jahrhundert gab es in Rom eine dreiwöchige Fastenzeit, doch seit dem 4. Jahrhundert ist auf vielfältige Weise eine vierzigtägige Vorbereitungszeit auf das Osterfest bezeugt. Diese Zeit galt als Bußzeit und gleichzeitig als Vorbereitungszeit der Taufbewerber auf die Taufe, die damals nur in der Osternacht gespendet wurde.
Biblische Motive und Symbolik
Biblischer Hintergrund für die Festsetzung der Fastenzeit auf 40 Tage und Nächte ist das ebenfalls 40-tägige Fasten Jesu in der Wüste (Mt 4,2). Die Zahl 40 erinnert aber auch an die 40 Tage der Sintflut (Gen 7,4–6), an die 40 Jahre, die das Volk Israel durch die Wüste zog (Ex 16,35), an die 40 Tage, die Mose auf dem Berg Sinai in der Gegenwart Gottes verbrachte (Ex 24,18), und an die Frist von 40 Tagen, die der Prophet Jona der Stadt Ninive verkündete, die durch ein Fasten und Büßen Gott bewegte, den Untergang von ihr abzuwenden (Jona 3,4).
Nach der Zählweise, welche die Sonntage einschließt, beginnt die Fastenzeit am Aschermittwoch und geht bis Palmsonntag. Mit dem Palmsonntag beginnt die heilige Woche, die dann als gesonderter Abschnitt gerechnet wird. Auch die adventliche Fastenzeit umfasste ursprünglich 40 Tage und begann nach dem 11. November, dem Martinstag.
Mit dem Auslaufen der öffentlichen Kirchenbuße gegen Ende des ersten Jahrtausends erhielt sich der Ritus der Bestreuung mit Asche als Zeichen der Buße und wurde an allen Gläubigen vorgenommen. Seine Durchführung am Aschermittwoch geht auf Papst Urban II. zurück (1091).
Die mittelalterlichen Fastenregeln erlaubten nur eine Mahlzeit am Tag, in der Regel am Abend. Der Verzehr von Fleisch, Milchprodukten, Alkohol und Eiern war verboten. Darauf geht die Tradition zurück, in den Fastnachtstagen Backwerk mit Zutaten wie Milch, Eiern, Zucker oder Schmalz herzustellen, wie etwa Krapfen, um solche Vorräte vor der Fastenzeit aufzubrauchen. Viele katholische Pfarrgemeinden kennen die Tradition des „Fastenessens“. Unter diesem Begriff versteht man ein Solidaritätsessen zugunsten von Projekten in Entwicklungsländern, für die auf den üblichen Sonntagsbraten verzichtet wird. Stattdessen wird oft ein einfacher Eintopf oder ein für das Projektland typisches Gericht verkauft oder gegen eine Spende gereicht (vgl. Gemeinde creativ Januar-Februar 2017).
Liturgie
Die sechs Sonntage der Fastenzeit werden nach den Anfängen der liturgischen Messfeiern benannt beziehungsweise nach dem Ritus der Palmweihe am Palmsonntag. In der Liturgie der Fastenzeit wird kein Halleluja gesungen, das Gloria nur an Hochfesten. Nach dem Gloria der Messe vom Letzten Abendmahl am Gründonnerstag bis zum Gloria in der Osternacht werden keine Glocken geläutet, sondern stattdessen Ratschen verwendet. Auch die Orgel schweigt traditionell während des folgenden Triduum Pascale. Ebenso gibt es bis auf den Sonntag Laetare in der Fastenzeit keinen Blumenschmuck in der Kirche.
Ab dem fünften Sonntag der Fastenzeit („Passionssonntag“) werden Kreuze und Standbilder durch violette Tücher verhüllt. Die Retabeln von Triptychen und Flügelaltäre sind in der Fastenzeit häufig zugeklappt und zeigen die einfacher gestaltete Rückseite der Flügel.
Es gab ein sogenanntes Fasten- oder Abstinenzgebot am Vortag verschiedener Hochfeste und Heiligenfeste (Vigilfasten), etwa am Heiligen Abend und vor Pfingsten. Bis in die 1960er Jahre war Katholiken auch der Verzicht auf Fleisch an allen Freitagen, auf die kein Hochfest fällt, verbindlich vorgeschrieben.
Angebote für die Fastenzeit
Heutzutage gibt es Fastenwochen verschiedenster Art. An der Katholischen Landvolkshochschule Petersberg führen wir zum Beispiel das sogenannte Buchinger-Fasten durch, das sich auf Tee, Obst- und Gemüsesäfte beschränkt. Diese Woche beginnt immer mit dem Aschermittwoch und dauert exakt sieben Tage. Der Schwerpunkt bei den Geistlichen Impulsen hat jeweils das Thema des Fastenbegleiters der KLB Bayern. Dieses lautet 2018 „Suche Frieden!“. Dieser Begleiter ist die einfache Form der Exerzitien im Alltag, die zu einer anderen Wahrnehmung und damit zu einer tieferen Sicht von Leben führen. In manchen Pfarreien gibt es hierzu auch regelmäßige Begleittreffen. Erwähnen möchte ich ebenso die Früh- und Spätschichten, die sich gerne solcher Vorlagen bedienen. Aber auch Pessah- oder Exodusmähler, die in Erinnerung an das Pessah der Juden und damit an den Auszug Israels aus Ägypten abgehalten werden, sollen erwähnt werden.
Das Buchinger Heilfasten stellt allerdings nur eine Form der Rücknahme der eigenen Bedürfnisse dar. Daneben gibt es viele andere Formen, bei denen die Moderne von „Fasten“ spricht. Der Konvent der Benediktiner in Scheyern pflegt die sogenannte Meier-Fasten-Kur, die intensiv auf das Kauen von Semmeln abhebt. Auch Kilometerfasten oder Verzicht auf Alkohol, Schokolade oder Zigaretten können Ausdruck eines Fastens sein, das für den eigenen Körper und auch für die Um- und Mitwelt einen großen Gewinn darstellt.
Am Aschermittwoch, der in vielen Pfarreien oder Pfarrverbänden als Eröffnung dieser Zeit begangen wird, ist folgende Lesung aus dem Buch Joel als Aufruf zur Buße vorgesehen:
Auch jetzt noch – Spruch des Herrn: Kehrt um zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, Weinen und Klagen. Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider, und kehrt um zum Herrn, eurem Gott! Denn er ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Güte, und es reut ihn, dass er das Unheil verhängt hat. Vielleicht kehrt er um, und es reut ihn, und er lässt Segen zurück, so dass ihr Speise- und Trankopfer darbringen könnt für den Herrn, euren Gott. Auf dem Zion stoßt in das Horn, ordnet ein heiliges Fasten an, ruft einen Gottesdienst aus! Versammelt das Volk, heiligt die Gemeinde! Versammelt die Alten, holt die Kinder zusammen, auch die Säuglinge! Der Bräutigam verlasse seine Kammer und die Braut ihr Gemach. Zwischen Vorhalle und Altar sollen die Priester klagen, die Diener des Herrn sollen sprechen: Hab Mitleid, Herr, mit deinem Volk, und überlass dein Erbe nicht der Schande, damit die Völker nicht über uns spotten. Warum soll man bei den Völkern sagen: Wo ist denn ihr Gott? (Joel 2,12)
Der Abschnitt zeigt uns biblisch auf, worin überall die Haltung des Fastens zum Ausdruck kommen kann. Letztlich geht es immer um eine intensive Gottsuche, die in dem Dreieck „Fasten – Beten – Almosengeben“ zum Tragen kommt. Dabei wird das pure Dasein und damit das ganz bei Gott sein eingeübt. Diese Übung braucht es immer wieder. Die Fastenzeiten im Advent und in der Zeit vor Ostern bieten eine geordnete Möglichkeit zur Erfahrung des Lassens, die eine neue Sicht des Alltags eröffnet.
Auf die Fastenzeit 2018 hin entstanden auch aus meiner Feder einige neue Texte. Mit einem von ihnen, der sich sonst nirgendwo findet, möchte ich meine Gedanken beschließen:
Weil Du wertvoll bist …
Leben ist ein Geschenk.
Es ist ein Wert.
Ist Dir das klar?
Für Gott bist Du unverzichtbar.
Das ist wahr!
Ist Dir das klar?
Jedes Leben ist verdankt,
kommt nicht aus dem Nichts.
Ist reinstes Geschenk!
Du bist im Leben gewollt.
ER steht zu Dir vom Anfang bis zum Ende.
Mag es Dir noch so schwer fallen, dies zu sehen.
Gott vergibt und vergisst.
Das ist das Seine!
Daran kannst Du sehen und verstehen:
Gott ist da –
Manchmal zwar fern,
doch meistens ganz nah.
Weil IHM Leben wertvoll ist –
Deines und Meines –
Deswegen lassen wir manches sein
und uns auch aufs Fasten ein:
So bleiben wir ein Teil von IHM:
Wir in IHM und ER in uns:
weil wir IHM wertvoll sind.
Foto: KNA