Letzte Wünsche wahr werden lassen mit dem Wünschewagen
Noch ein letztes Mal ans Meer, in die Berge oder zum eigenen Pferd auf die Koppel: Das macht der Wünschewagen für schwerkranke Menschen möglich. Ihn gibt es in ganz Deutschland, in Bayern sind drei Fahrzeuge im Einsatz. Worum es dabei geht, wer die Wunscherfüller sind und welche Wünsche schon erfüllt wurden, davon handelt dieser Beitrag.
Jeder kennt das, man hegt bestimmte Herzenswünsche. Dinge, die man einmal erleben und für sich realisieren möchte. Die meisten von uns schieben das schon mal vor sich her. Man hat ja noch jede Menge Zeit dafür. Schwerkranke Menschen haben auch solche Wünsche. Doch sie wissen, dass nicht mehr viel Zeit auf ihrer Lebensuhr steht. Ihre Herzenswünsche drängen umso sehnlicher, wollen erfüllt werden. Hier tritt der „Wünschewagen“ auf den Plan, ein ehrenamtliches Projekt des Arbeiter-Samariter-Bundes Deutschland e.V. (ASB).
Krankentransportwagen mit Herz

Leiten das Projekt „Wünschewagen“: Jennifer Zeller und Wolfgang Zettl.
Der Wünschewagen ist ein Krankentransportwagen, eigens für die Bedürfnisse schwerstkranker Menschen ausgerüstet. Diese kommen etwa aus Palliativstationen, aus Heimen oder auch von zu Hause. Sie sind Fahrgäste, keine Patienten. Jennifer Zeller ist die Projektkoordinatorin vom Wünschewagen München-Oberbayern. Für das Fahrzeug in München erklärt sie, dass der Wagen nach dem Bayerischen Rettungsdienstgesetz besetzt werden muss. Vorne also mit mindestens einem Fahrer. Der muss im Besitz eines Führerscheins sein und einen aktuellen Erste-Hilfe-Kurs haben. Weil auch mit Kindern gearbeitet wird, müssen alle Ehrenamtlichen zudem ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis ohne Eintrag vorweisen. Im Fahrgastraum hinten, wo die Fahrtrage und der Stuhl sind, muss mindestens ein Rettungssanitäter an Bord sein. Das stellt die Grundbesetzung dar, wenn ein Fahrgast und dessen Begleitperson an Bord kommen.
Den Initiatoren vom ASB war nicht nur die medizinische Perspektive wichtig, der Fahrgast sollte auf dem Weg zur Wunscherfüllung auch eine angenehme Atmosphäre erleben können. Ein Fahrzeug wurde eigens angeschafft. Innen mit einem Panoramafenster, durch das der liegende Fahrgast alles sehen kann – doch blickdicht von außen. Der Sternenhimmel oben an der Decke soll gerade bei Fahrten im Dunkeln eine schöne Atmosphäre vermitteln. Es wird alles fürs Wohlbefinden des Fahrgastes getan. Dazu gehört auch die Spezialliege, die Erschütterungen während der Fahrt abfedert. Innen sieht man auch nicht die sonst üblichen medizinischen Gerätschaften. Es ist zwar alles an Bord, aber eben hinter Blenden versteckt. Das einzig Sichtbare ist der Notfallkoffer.
Von der Bergspitze bis zum Fußballfeld
Das Projekt existiert seit 2014. Bundesweit sind 23 Wünschewagen unterwegs. Im Netzwerk und in den unterschiedlichen Regionen unterstützt man sich. In Bayern gibt es mit Kaufbeuren, Erlangen und München drei Standorte, wovon jeder seinen eigenen Wünschewagen hat. Die Fahrer, Rettungssanitäter und Ärzte machen das alles in ihrer Freizeit, unentgeltlich und ehrenamtlich. Das Team in München zählt 38 Ehrenamtliche. Lediglich bei der Position von Jennifer Zeller handelt es sich um eine hauptamtliche Stelle.
Die Wünsche reichen vom Theaterbesuch übers Schwimmbad bis zum Heimkehren zu Familienfeiern. Der Wünschewagen ist für jedes Alter da. Jennifer Zeller berichtet von einem zweijährigen Fahrgast und großen Feuerwehrfan. Mit ihm habe das Team eine Feuerwache besucht; ganz happy sei er gewesen, als er auf der Hebebühne bis ganz nach oben mitfahren durfte. Dann der 97-jährige Mann, dem es ermöglicht wurde, auf einer Familienfeier mit dabei zu sein. Ein Wunsch könne auch darin bestehen, kurz noch einmal in die eigene Wohnung zurückzukehren, bevor es ins Hospiz geht. Für „Disney on Ice“ oder „Bibi und Tina“ habe es ebenso Anfragen gegeben wie für den Münchner Zoo oder einen Biergartenbesuch mit der Familie im Kloster Andechs. Dabei würden die Fahrgäste sich nie selbst bei der Initiative melden. Die Angehörigen oder auch der Pflegedienst melden die Wünsche an. Vor den Fahrten muss der behandelnde Arzt den Gesundheitszustand beurteilen.
Am Tag dieses Interviews begleitete Jennifer Zeller dann noch eine angemeldete Wunschfahrt zur Beerdigung eines Sohnes. In nächster Zeit soll eine andere Fahrt wiederum zur Hochzeit einer Tochter gehen. Aktuell hat sie noch eine Anfrage hereinbekommen mit dem Wunsch nach einem kurzen Urlaub, um über Nacht irgendwo mit dem Ehepartner zu sein. „Freude spürt man schon, trotz der Trauer“, so Zeller. Die Fahrgäste seien am Tag ihrer Wunscherfüllung oft in solcher Vorfreude und Euphorie, dass sie nicht die üblichen Schmerzmittel bräuchten. Viele wollen ihren Lieblingsverein nochmals spielen sehen. So hätte schon der TSV 1860 München/Die Löwen auf dem Wunschzettel gestanden. Die Spieler erlebte sie „so toll und engagiert, vom Erstkontakt bis zum Besuch beim Spiel“. Den Schal, den man dem Fahrgast schenkte, habe dieser mit ins Grab genommen.

Der Wünschewagen ist ein speziell eingerichteter Krankentransportwagen – auf den ersten Blick sieht man ihm das aber gar nicht an. Drinnen wird alles für’s Wohlbefinden des Fahrgastes getan – ein Sternenhimmel an der Decke soll gerade bei Fahrten im Dunkeln eine schöne Atmosphäre vermitteln.
Sehr oft hätten die Wünsche der sterbenskranken Menschen auch mit der Natur zu tun, so Petra Linné, Leitung Kommunikation beim ASB Regionalverband München/Oberbayern. Themen wie Berge, Wasser und Weite spielen eine Rolle: „Viele Menschen möchten einfach noch einmal die Weite der Natur erleben und erspüren. Sie saugen diese Weite und den Himmel förmlich in sich auf.“ Davon erzählt auch die Website der Initiative, die erfüllte Wünsche auflistet: Zurück in den eigenen Garten, einen Blick über den Chiemsee werfen, ein Blick hinab von der Zugspitze.
Ein Kind wollte zum sechsten Geburtstag nach Hause. Es lebte nicht mehr daheim, sondern im Kinderhaus AtemReich. Dort werden Kinder betreut, die nicht mehr in der Lage sind, selbstständig zu atmen. Die Beschaffenheit des Wünschewagens und seine medizinisch-qualifizierte Besatzung erlaubt es, solche Wünsche in Erfüllung gehen zu lassen. Das Team hatte den Jungen abgeholt, die medizinisch benötigten Geräte im mit bunten Luftballons geschmückten Wünschewagen verstaut, und ihn nach Hause gebracht. Dort konnte er seinen Geburtstag feiern.
Blick zurück und Blick voraus
Natürlich trifft die Corona-Pandemie auch die Wünschewagen-Initiative. Die Fahrten mussten zu Beginn der Pandemie komplett gestoppt werden, ganze zwei Monate seien keine Fahrten angenommen werden, so Zeller. Geplante Fahrten mussten abgesagt werden – viele der Menschen seien zwischenzeitlich verstorben. Anfang Juni 2020 durfte es vorerst weitergehen. Gefahren wurde dann sogar unter verschärften Bedingungen, im Fahrzeug hätte man Masken auf und alle Mitfahrenden müssten einen negativen Corona-Test nachweisen. Vorher hatten ein Transportschein bzw. ein ärztliches „Okay“ ausgereicht.
Das Desinfizieren und Reinigen des Fahrzeuges würden Mehraufwand verursachen, aber das Team würde die Fahrten trotzdem gern bestreiten. Zum Zeitpunkt des Interviews, Anfang November 2020, habe es keine Anfragen gegeben und gleichzeitig wären nur noch solche machbar, die nach draußen ins Freie gehen. Auch Zeller fährt ehrenamtlich manche Touren mit. Für sie ist der Wünschewagen insgesamt eine dankbare Aufgabe: „Man bekommt so viel zurück, schon am Telefon merkt man das. Die Leute sind so herzlich, das berührt.“
Standorte, Kontaktmöglichkeiten und weitere Informationen zum Wünschewagen-Projekt finden Sie hier.
Darüber hinaus finden Sie hier weitere Hinweise zu Wunschanfragen, wie Sie spenden oder selbst zum Wunscherfüller werden können.
ASB-Regionalverband München/Oberbayern
Adi-Maislinger-Str. 6-8
81373 München
Tel. : 089/7 43 63-221, Jennifer Zeller/Projektkoordination für Wünschewagen München-Oberbayern
j.zeller@wuenschewagen.bayern
Titelbild: Der Wünschewagen erfüllt Menschen, die nicht mehr viel Zeit haben, Herzenswünsche. Manche wollen noch einmal zurück ins alte Heim.
Fotos: ASB-Regionalverband München/Oberbayern