Pfarrgemeinden kooperieren und bieten mit vielschichtigem Konzept attraktive Anknüpfungspunkte für Jugendliche – ganz ohne Firmpass
In Nürnberg ist ein neues Firmkonzept an den Start gegangen. Die Macher begreifen die Firmung als Geschenk: Gott knüpft keine Bedingungen an seine Gaben. Dieses Prinzip ist ihnen heilig. Vor der Firmfeier gibt’s nur eine komprimierte Phase mit zwei Treffen. Dann wird die Feier ausgiebig als Geschenk zelebriert. Damit das Auspacken klappt und die Gabe richtig zündet, gibt es eine nachgehende und ziemlich ungewöhnliche Firmphase mit Angeboten von A wie „Abrocken zum eigenen Song“ bis Z wie „Zweifel zulassen“.
Ein Firmkonzept, das alles auf den Kopf stellt? Gibt es neuerdings in Nürnberg. Hier haben sich neun Pfarreien zusammengetan, um Firmung völlig neu zu denken. Fünf davon waren schon als Seelsorgebereiche zusammengefasst. Weitere Pfarreien wollen mit einsteigen. Entstanden ist das aus dem stadtweiten Firmtag 2017 in Nürnberg. Haupt- und Ehrenamtliche aus Theologie und Religionspädagogik haben sich auf den Weg gemacht. Mit einem Pool aus zweihundert Jugendlichen sowie sechs bis acht Hauptamtlichen, so Schwester Magdalena, könne man einfach andere Dinge auf die Beine stellen, als einer allein in seiner Gemeinde stemmen könnte. Sie hat die Teamkoordination und Konzeptverantwortung für Nürnberg inne, ist aus dem Erzbistum Bamberg im Dekanat Nürnberg und stellt fest: „Von Teamarbeit profitieren alle.“ Jeder habe seine Charismen und seine Grenzen. Bei einem größeren Team könne man schauen, wer was kann, wer gerade Freiräume hat. Natürlich gibt es auch einen Grund, weshalb man ein neues Konzept wollte: Sinkende Zahlen an Jugendlichen im Nürnberger Norden hätten es vorher schwierig gemacht, eine Firmkatechese durchzuführen, so Schwester Magdalena. Ebenso wollte man mit einem zeitgemäßen Firmkonzept gewappnet sein, um angesichts sinkender Zahlen von Priestern und Pastoralreferenten nicht irgendwann panisch nach einer Lösung suchen oder unter Druck eine „Firmpastoral light“ machen zu müssen. Großstadterfahrungen mit Jugendlichen seien eingeflossen.
„Wind der Freiheit“

Schwester Magdalena hat das neue Konzept federführend mit entwickelt. Sie und ihre Kollegen sind zufrieden mit dem bisherigen Zuspruch.
Das Team um Schwester Magdalena und Thomas Höhn aus dem Erzbischöflichen Ordinariat Bamberg wollte nicht tatenlos abwarten, sondern visionär spinnen, wie so etwas aussehen könnte. Für Höhn hat sich das aus der Situationsanalyse und dem inneren Befinden heraus entwickelt. An alten Konzepten mag manches nicht stimmig gewesen sein, das wollte das Team überwinden. Als Pastoralreferent ist er für die Diözese im Bereich der Gemeindekatechese tätig. Er begleitet Teams und stellt das Konzept interessierten Gemeinden vor. Die Vorbereitung sollte kurz sein, sodass die Firmung selbst als Geschenk erlebbar wird. Allerdings müsse man dieses Geschenk verstehen, daher sei der kurze Vorlauf unverzichtbar, deswegen wird mit der Firmvorbereitung gestartet. Mit Schwester Magdalena stimmt er überein, dass der Heilige Geist wirkt. Sie lassen im Projekt den Wind der Freiheit wehen. Der Jugendliche würde seinen Weg mit der Geisteskraft finden, ganz gleich, was das Firmkonzept macht, und egal, welche Angebote ein Jugendlicher daraus wählt oder nicht. Hier schimmert ein Loslassen durch. Eben mal kein Kontrollzwang von Seiten der Kirche. Die Macher könnten anbahnen, aber das ganze Leben sei ja eine Begegnungsmöglichkeit mit dem Heiligen Geist und nicht nur auf die Firmvorbereitung beschränkt. Und wenn die Traditionellen sich schon firmen lassen, dann sollte das Konzept unerwartet und cool daherkommen. Genau das scheint bei der Zielgruppe anzukommen. Katharina Ganser ist diesen neuen Weg als Firmling mitgegangen: „Ich finde das im Großen und Ganzen sehr gut, auch wenn dadurch die Gruppen größer sind und das familiäre Gefühl nicht vollständig vorhanden ist. Was ich aber echt toll finde, sind die vielen Aktionen, die man nach der Firmung machen kann, denn da ist wirklich für jeden etwas dabei. Durch das neue Konzept lernt man auch viele neue Leute kennen, die man sonst nicht kennen würde.“ Thomas Höhn erlebt deutschlandweit großes Interesse an diesem eher seltenen, aber wachsenden Konzept. Auch Elke Pilkenroth, Pressesprecherin der Katholischen Stadtkirche Nürnberg, verspricht sich viel davon. Sie denkt, dass Neugier und das vielleicht Unerwartete die Firmlinge ein Stück weit gefesselt haben könnten. Bei einer Firmung ist sie dabei gewesen, berichtet von aktiven Jugendlichen: „Sie haben mitgesungen und mitgewirkt. Ich denke, diejenigen, die sich in diesem Jahr für die Firmung nach dem neuen Konzept entschieden haben, haben das sehr bewusst gemacht.“ Übrigens hat man das nicht als Konkurrenz zu anderen Nürnberger Gemeinden gedacht, sondern als innovativen Weg, um mit anderen zusammen Gruppenangebote zu machen.
Firmung zum „Gönnen“

„Gönn Dir Firmung“ steht auf den Buchstaben, die die Jugendlichen beim Vorbereitungstag im Oktober 2019 hochhalten.
Das Konzept stellt drei Gesetze der Firmung auf den Kopf: Das Firmalter. Die Pfarreizugehörigkeit. Die traditionelle Form. Jetzt können die Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren frei wählen, wann sie sich innerhalb dieser Altersspanne firmen lassen. Auch das „Wo“ können sie bestimmen, denn das Konzept ist losgelöst vom Wohnort und damit von der Bindung an die Pfarreien. Das gemeindeübergreifende Modell hat ebenso die herkömmliche Form aufgelöst. Man habe bei null begonnen und sich überlegt „Wie verstehen wir Kirche und Firmung, und was sollen Jugendliche dabei erleben“, so Schwester Magdalena. Glaube könne man nicht anerziehen; es zähle die Priorität der Erfahrung – deshalb käme diese Sakramentserfahrung ziemlich am Anfang und anschließend erst die Phase des Reflektierens.
Der neue Ablauf sieht somit zwei Phasen vor. Die erste ist nötig, um gut auf die Firmung vorzubereiten. Genau wie eine Geburtstagsfeier vorbereitet werden will. Es gibt zwei freiwillige Infoabende und einen verpflichtenden Firmvorbereitungstag. Die Jugendlichen können sich dabei auch kennenlernen. Im Anschluss findet die Firmung statt. Ein gutes halbes Jahr später gibt es noch ein Abschlussfest. Zwischen Firmung und Abschlussfest läuft die zweite Projektphase mit ungewöhnlichen Workshops. Diese stehen unter dem Konzeptmotto „Gönn dir“. Man kann sich etwa ein eigenes Songprojekt gönnen, einen Tag nur für sich allein, Stärke durch ein Karate-Training, eine Pilgerwanderung auf dem Jakobsweg, eine Höhlenerfahrung mit Gott oder auch eine Nacht der Entscheidung. Man kann sogar für vier Tage bei Nürnberger Ordensschwestern einziehen, mit ihnen leben, all seine Fragen loswerden. Insgesamt stehen 16 Angebote zur Auswahl. Man darf alle besuchen oder auch kein Einziges. Das steht den frisch Gefirmten frei.
Das klingt nach einem offenen System, das an die Neuzeit andockt und attraktiv niederschwellig daherkommt, inklusive Brückenschlag in die Lebenswelt von Jugendlichen. Mit der Vorlaufphase sichert man ein Grundverständnis ab. Die Firmung gibt’s als bedingungsloses Geschenk. In der Workshop-Phase kann ein Jugendlicher seinen Weg mit Gott entdecken, was über unterschiedliche Zugänge läuft. Steht jemand privat auf Musik, kann das auch im Glauben zünden und eine christliche Grundmelodie ins Leben einspielen.
Titelbild: Weihbischof Herwig Gössl spendet die Firmung in der Pfarrei Allerheiligen in Nürnberg. Das neue, pfarreiübergreifende Firmkonzept in Nürnberg versteht das Sakrament als Geschenk Gottes, nicht als Belohnung für Katechese.
Titelfoto: Stadtkirche Nürnberg / Elke Pilkenroth
Fotos: Thomas Höhn