Pfarrgemeinderäte haben den klaren Auftrag, Kirche und Gesellschaft mitzugestalten. Sie sollen das pfarrliche Leben in ihrer Gemeinde prägen, aber auch über den eigenen Kirchturm hinausschauen. Wer den Auftrag Jesu Christi ernst nimmt, der spricht in PGR-Sitzungen nicht nur über die vergangenen liturgischen Feiern oder das nächste Pfarrfest, sondern der schaut auf die „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute“ (Gaudium et spes 1), der schaut – um es mit Papst Franziskus zu sagen – an die Ränder unserer Gesellschaft und stellt nicht Strukturen und Abläufe in den Mittelpunkt, sondern den Menschen. Auf den folgenden Seiten stellt Gemeinde creativ einige Projekte von Pfarreien vor, die in besonderem Maß in die Gesellschaft hineinwirken:
„Nützen wir ihn, schützen wir ihn“
Die Aktion zum arbeitsfreien Sonntag in Tutzing

Beim Thema Sonntagsschutz kooperieren in Tutzing unterschiedliche Gruppen und Personen: Die Pfarrei St. Joseph, die evangelische Christusgemeinde, die KAB. Und auch die Grundschüler zeigen mit Bildern, was sie am Sonntag toll finden. Foto: Sarah Weiß
Von Sarah Weiß, Freie Journalistin
„Wir müssen uns klar machen, dass der Sonntag ein großes Geschenk ist“, fordert Dorothee Geißlinger-Henckel. Die evangelische Pfarrerin in Tutzing beobachtet seit Jahren, wie das Privileg des Sonntags immer weiter aufgeweicht wird. „Das geschieht ganz unmerklich, niemand kippt ihn radikal, aber trotzdem gibt es immer mehr verkaufsoffene Sonntage und Ähnliches. Wenn wir unsere Bedürfnisse der Arbeitswelt unterordnen müssen, geht viel verloren.“
Um den Sonntag zu schützen, findet deshalb bereits seit zehn Jahren in Tutzing die Aktion zum arbeitsfreien Sonntag statt. Im Zweijahresrhythmus beteiligen sich neben der katholischen Kirchengemeinde St. Joseph und der evangelischen Christusgemeinde unter anderem die Ortsgruppe der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) und die Tutzinger Bürgermeisterin Marlene Greinwald an der Aktion. Nach den Gottesdiensten kommen alle bei Kaffee und Tee vor dem Rathaus zusammen, wo es auch einen Infostand der KAB gibt, berichtet Martin Held, der im Pfarrgemeinderat engagiert ist. Kinder zeigen Bilder, was sie am Sonntag schön finden und es gibt verschiedene Ansprachen. Held ist klar, dass ihre Forderung nicht für alle umsetzbar ist – zu viele Berufe gebe es, die auch am Sonntag unabdingbar sind, wie Krankenschwestern, Notärzte, Polizisten. „Aber ob es am Tag des Herrn wirklich noch einen weiteren Semmelservice geben muss? Ich glaube, es gibt zu viele Ausnahmen.“ Der Meinung ist auch Dorothee Geißlinger-Henckel. „Am Sonntag sollen wir nicht arbeiten, sondern gemeinsam Gottesdienst feiern. Das ist ein für uns reservierter Raum und Zeit, um unsere Wurzeln zu spüren.“ Aber nicht nur im Zeichen des christlichen Glaubens hält sie den Sonntag für schützenswert. „Für mich hat das ganz klar eine politische Dimension: Wofür will ich meine Zeit am Sonntag hergeben? Für dasselbe wie im Alltag? Für Konsum? Was ist das für ein Menschenbild, in dem ich immer funktionieren muss?“ Pausen sind wichtig – auch für die Gesundheit, sagt sie. Zudem sei der Sonntag ein Tag für die Gemeinschaft: „Wenn jeder an einem anderen Tag frei hat, kommen wir nicht mehr zusammen.“
Als wichtiges Zeichen sieht Geißlinger-Henckel den Boykott der sonntags angebotenen Dienstleistungen: „Wenn niemand mehr am Sonntag einkauft, werden die Läden an diesem Tag auch nicht mehr aufmachen.“ Und so könne er das große Gut bleiben, das er sein soll: „Nützen wir ihn, schützen wir ihn!“, sagt sie.
Den Blick nach außen richten
Von Hans Rombeck, Vorsitzender Dekanatsrat Ebersberg

Seit Jahren besucht Hans Rombeck die Grundschule Grafing und erzählt über seine ehrenamtliche Arbeit bei der Grafinger Tafel. Er spricht dort auch die Themen Armut, Flucht und Asyl und Lebensmittelverschwendung an. Foto: privat
Seit 20 Jahren bin ich Vorsitzender des Dekanatsrats Ebersberg. In diesem Zeitraum haben sich die Arbeitsgebiete im Dekanatsrat stark verändert. Anfangs war der Blick eher nach innen gerichtet. Bald ging die Blickrichtung wesentlich stärker nach außen, gemäß dem Satzungsauftrag „die Entwicklungen und Herausforderungen im gesellschaftlichen und kommunalen Leben zu beobachten und Anregungen zu geben“. Schnell wurde aber aus dem eher passiven Beobachten ein Aktivwerden.
Den Anfang machte vor 15 Jahren die Gründung einer Tafel in meiner Heimatpfarrei Grafing und daraus entwickelte sich bald eine „Beratertätigkeit“ für den Aufbau weiterer Lebensmittelausgabestellen für Menschen mit schmalem Geldbeutel. Zurzeit gibt es zehn solcher Stellen im Landkreis Ebersberg, die meisten in der Trägerschaft von Pfarreien, von Caritas oder Diakonie. Dieses öffentliche Wirken führte dazu, dass auch die Politik auf das Tun des Dekanatsrates aufmerksam wurde, so dass sich schnell weitere Aufgabenbereiche auftaten, beispielsweise die Mitwirkung bei der Landkreis-Agenda-21 im Bereich Soziales, Kultur und Bildung. Daraus entwickelte sich die Mitgliedschaft im Regionalbeirat, einem auf Landkreisebene wirkenden Beratergremium des Landrates, und der Entwicklung eines Aktionsprogramms 2030 für die nachhaltige Entwicklung im Landkreis Ebersberg mit zahlreichen Leuchtturmprojekten.
Aber nicht nur im kirchlichen Bereich gilt der Spruch: „Hast Du mal ein Ehrenamt, hast Du schnell noch ein paar mehr“. So bin ich in meiner Funktion ebenfalls Mitglied des Leitungsteams des Ebersberger Familientischs, einer im Landratsamt angesiedelten Netzwerk-Organisation, die sich schwerpunktmäßig um Familien und Senioren kümmert, und auch Mitglied des Organisationsteams des Landkreis-Arbeitskreises „Ehrenamt“, einem Zusammenschluss aller Organisationen, Verbände, Vereine und Aktionsgruppen, die auf bürgerschaftlichem Engagement fußen. Da sich all diese A

Seit Jahren besucht Hans Rombeck die Grundschule Grafing und erzählt über seine ehrenamtliche Arbeit bei der Grafinger Tafel. Er spricht dort auch die Themen Armut, Flucht und Asyl und Lebensmittelverschwendung an. Foto: privat
ufgabenbereiche gut verknüpfen lassen mit den regulären Aufgaben eines Dekanatsratsvorsitzenden, wie Mitgliedschaft im Geschäftsführenden Ausschuss des Kreisbildungswerks und im Kuratorium der Caritas, lassen sich schnell tragfähige Netzwerke knüpfen, die halten und auch etwas bewirken können. Das schönste Lob, das ich von einem Kirchenkritiker bekam, lautete: „Ich hab‘ gar nicht gewusst, dass man mit der Kirche so viel anfangen und bewegen kann!“
Eine Aufgabe, die verbindet
Die Generationen sollen sich annähern, voneinander lernen und übereinander wissen. So werden Vorurteile abgebaut. Alle übernehmen Verantwortung in Sorge und Mitverantwortung in der Kommune, für Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften: Für eine Nachbarschaft, in der es sich zu leben lohnt.
Es werden außerfamiliäre Generationenbeziehungen gestaltet, auf freiwilliger und selbstständiger Basis. Vertreter verschiedener Generationen treffen sich in Gemeinde oder Pfarrei, lernen sich näher kennen und stellen gemeinsam etwas auf die Beine. Im Füreinander-Dasein wird die Lebensqualität aller verbessert. Es entstehen Beziehungen. Im Gespräch und gemeinsamen Tun wachsen Verständnis und Wertschätzung. Dabei kann eine neue Generationenkultur entstehen. Generationen leben dadurch nicht nebeneinander her.
Die Ausbildung zum Generationenmentor ist ein bayernweites Angebot des Landesforum Katholische Seniorenarbeit Bayern (LKSB) und wendet sich primär an Männer und Frauen, die sich ehrenamtlich engagieren möchten. Bisher wurde dieser Kurs in den (Erz-)Diözesen Eichstätt, München und Freising, Passau und Regensburg durchgeführt. Daraus entstanden sind unterschiedliche Projekte, wie ein generationenübergreifender Chor oder das Angebot „Mit 17 hat man noch Träume“, bei dem Senioren aus ihrer Jugend erzählen.
Zu diesem Kurs sind eingeladen: Menschen, die Freude daran haben, andere miteinander in Kontakt zu bringen und zu vernetzen und denen eine lebenswerte Zukunft für alle Generationen in ihrer Gemeinde am Herzen liegt.
Die Qualifizierung besteht aus zwei Teilen: einem Grundkurs mit den thematischen Schwerpunkten „Lebenswelten der Generationen“, „Komponenten eines generationenfreundlichen Ortes“ sowie „Rollenklärung und Vermittlung von Handwerkszeug“ für diese Aufgabe. Ein Aufbaukurs schließt sich an, der sich ganz mit der praktischen Arbeit beschäftigt. Die Teilnehmenden entwickeln und planen ein Projekt, führen es vor Ort durch. (hab)
Konkrete Projektbeispiele und Informationen zu den Kursen finden Sie unter www.gemeinde-creativ.de.
Wo man trauern darf
Die Würzburger Augustinerkirche ist ein Ort für Menschen in Lebenskrisen
Von Pat Christ

Ins „Buch der Namen“ schreiben Trauernde den eigenen Name oder den eines Menschen, mit dem sie in besonderer Verbindung stehen. Foto: Pat Christ
Seit sieben Jahren richtet sich die Augustinerkirche in Würzburg speziell an Trauernde und Traurige. „ZwischenRaum“ nennt sich das pastorale Konzept, das aus einem intensiven Reflexionsprozess hervorgegangen ist. „Wir hatten uns gefragt, ob es die Augustiner in der Stadt noch braucht“, erklärte damals Prior Peter Reinl. „Und falls es sie braucht, wofür denn genau?“
Als Ergebnis des Nachdenkens gestalteten die Augustiner ihre Kirche komplett um – was zunächst extrem umstritten war. Direkt unter der Empore wurde der „ZwischenRaum“ eingerichtet. Trauernde sitzen vor einer goldenen Wand. Hier können sie Lichter für einen geliebten Menschen anzünden. Wer mag, kann den Namen eines Menschen, um den er trauert oder um den er sich sorgt, ins „Buch der Namen“ eintragen.
Mehr als 100.000 Namen umfassen die roten Bände inzwischen. Die Bücher selbst sind sehr hochwertig, von Hand gebunden und teuer – ein Zeichen der Wertschätzung für jeden Namen. Die Augustiner finanzieren sie über Spenden.
„Ich bitte dich ganz besonders für unseren Jonathan, dass es ihm seelisch gut geht“, lautet einer der letzten Einträge. Eine Ehefrau bittet um eine gute Operation für ihren Mann. Katja, der Schrift nach eine Jugendliche, trauert um ihren Vater: „Papa, ich vermisse dich so sehr, du warst der beste Papa der Welt“.

Der „ZwischenRaum“ befindet sich unter de Empore der Augustinerkirche. Foto: Pat Christ
Der „ZwischenRaum“ ist nicht nur für Besucher gedacht, die einen geliebten Menschen verloren haben. Alle Verlusterlebnisse haben hier einen Ort. Da kommt jemand zum Beispiel mit seiner Entlassung nicht klar oder eine Krankheit belastet. An jedem zweiten Mittwoch im Monat findet um 17 Uhr ein „Trauerritual“ statt. Die halbstündige Feier mit Musik und Texten eröffnet Trauernden die Möglichkeit, zu sich zu kommen und Solidarität in ihrer Trauer zu erfahren. Am Ende zünden die Teilnehmer im „ZwischenRaum“ eine Kerze an. Wer mag, findet im „Gesprächsladen“ der Augustiner neben der Kirche jemanden zum Reden. (pat)
Von Straßen und Schienen
Von Alexandra Hofstätter

Symbolbild. Foto: R+R/Adobe Stock
Straßen und Schienen, Investitionen in die Infrastruktur sind kein Thema für kirchliche Gremien? Weit gefehlt, zumal diese Dinge die Menschen direkt vor Ort betreffen. Im Jahr 2007 hat der Diözesanrat Passau deswegen die Diskussionen um den Erhalt der Ilztal-Bahnstrecke zum Anlass genommen, sich grundsätzlich für den Erhalt regionaler Bahnstrecken stark zu machen. Mit Blick auf Klimawandel und zunehmenden Individualverkehr appellierte der Diözesanratsvorsitzende Wolfgang Beier damals an die verantwortlichen Politiker und das Eisenbahnbundesamt: Ein klimaschonendes und energieeffizientes Verkehrsmittel dürfe nicht abgeschrieben werden. Vielmehr brauche es stimmige Konzepte, um möglichst viel Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bekommen.
Im Bistum Passau sind noch heute Menschen um den Erhalt der Iltztalbahnstrecke bemüht. Die Streckenabschnitte, um die es hier geht, können aber auch symptomatisch für andere Regionen in Bayern stehen: Jedes Jahr werden im Freistaat Bahnstrecken stillgelegt. Nicht mehr rentabel, ist zumeist das Argument. Andererseits werden jährlich tausende Kilometer Straßen neu gebaut oder um Fahrspuren erweitert, große Gewerbegebiete neu ausgewiesen und Flächen versiegelt, während Ortskerne veröden. Der Konflikt mit Anwohnern, Naturschützern und Grundstückseignern bleibt zumeist nicht aus. All dies sind Gelegenheiten, sich auch als kirchliches Gremium einzubringen und das gesellschaftliche Leben vor Ort aktiv mitzugestalten. Dies ist eine Aufgabe, nicht nur für einen Stadt- und Gemeinderat, sondern explizit auch für Pfarrgemeinderäte und andere kirchliche Gruppierungen. (alx)