Menschen urteilen, haben jedoch nicht die Spur einer Ahnung: immer wieder trifft man auf dieses Phänomen. Nicht zuletzt im Zusammenhang mit anderen Religionen. Gerade dieser Tage blühen die Vorurteile gegenüber Bürgern jüdischen oder muslimischen Glaubens. Interreligiösen Projekten kommt deshalb eine wachsende Bedeutung zu. In Würzburg initiierte die Theologin Monika Berwanger vor zwei Jahren ein solches Projekt. „Miteinander suchen, voneinander lernen“ heißt ihr Gesprächskreis. Er kann Pfarreien als Vorbild dienen.
Bayernweit greift Rechtsextremismus um sich. Dem Verfassungsschutz zufolge sind im Freistaat inzwischen fast 2.400 Personen der rechtsextremistischen Szene zuzurechnen. Diese Menschen hetzen im Internet gegen Flüchtlinge und Bürger, die ursprünglich aus einem anderen Staat kommen. In ganz Deutschland steigt außerdem die Zahl der antisemitischen Straftaten. Aber auch islamistische Delikte häufen sich. Vor kurzem erst kam es zu einem Anschlag in Nizza, einer in Wien folgte. Viele Medien berichteten. Die feindselige Haltung gegenüber Muslimen droht dadurch weiter zu wachsen.
Sachliche Berichte über den Islam schaffen es dagegen kaum auf die Titelseite einer Zeitung. Auch daran liegt es, dass wir wenig voneinander wissen. Monika Berwanger hat es seit jeher gereizt, zu erfahren, wie Menschen leben, die anders als sie selbst aufgewachsen sind. Vor allem fremde Religionen fand sie schon immer faszinierend. 2015, als die ersten Flüchtlinge zu den Würzburger Erlöserschwestern kamen, war sie sofort bereit, sich ehrenamtlich für die neuen Bürger zu engagieren. Dadurch kam die promovierte Theologin intensiv mit Muslimen in Kontakt.
Angstfrei aufeinander zugehen
Es gehört ein Quantum Neugier und es gehört Offenheit dazu, um in einen interreligiösen Dialog einzutreten. Wer Angst hat, dass der eigene Glaube dadurch möglicherweise in Frage gestellt wird, ist für einen solchen Dialog nicht gut geeignet. Monika Berwanger kennt diese Angst nicht. Eine Religion, sagt sie, sei nicht besser als eine andere: „Und Gott ist nicht katholisch, evangelisch, jüdisch oder muslimisch.“ Eine solche Haltung macht es möglich, sich auf verschiedene Vorstellungen über Gott einzulassen. Genau dies geschieht in Berwangers Gesprächskreis „Miteinander suchen, voneinander lernen“.
Monika Berwanger ist sich der Unmöglichkeit bewusst, die Wahrheit zu erkennen. Gerade deshalb findet sie es spannend, gemeinsam auf Wahrheitssuche zu gehen. Oft geschieht dies in ihrem Gesprächskreis dadurch, dass sie eine provokative Frage in den Raum stellt: „Wer ist Gott?“ oder „Welche Farbe hat Gott?“ Acht bis 18 Interessierte im Alter zwischen 20 und 80 Jahren nehmen an den Dialogen teil. Berwanger gelang es, Menschen aus Syrien, Eritrea und Äthiopien um sich zu versammeln. Eine einheimische Seniorin sagt von sich, sie sei Atheistin. Ein Mann jüdischen Glaubens nimmt teil und auch „ein Student, der keiner Religionsgemeinschaft angehört.“
Nie geht es darum, eine Religion zu propagieren oder überhaupt für ein religiöses Leben zu werben. Ziel ist einzig, sich gegenseitig kennen zu lernen und einen Raum zu eröffnen, der es möglich macht, sich friedlich mit dem Thema „Religion“ zu beschäftigen. Immer wieder, schildert Berwanger, kommt die Gesprächsrunde auf Aspekte, die mit „Freiheit“ oder „Unfreiheit“ zu tun haben. Die jeweilige Religion, aber auch die Kultur, in der jemand lebt, können für unterschiedliche Zwänge sorgen. So ist im Islam festgelegt, was Frauen dürfen. Und was ihnen verboten ist. Genauso hat aber auch die christliche Religion Elemente, die als Zwang empfunden werden.
Titelbild: Monika Berwanger bringt mit ihrem Projekt „Miteinander suchen, voneinander lernen“ Christen, Muslime, Juden, Atheisten und Areligiöse miteinander in Kontakt.
Foto: Pat Christ