Reformen sollen Aufbruchsstimmung erzeugen
Unsere Dörfer haben sich innerhalb von zwei Generationen gewaltig verändert. Früher lebten fast ausschließlich Landwirte und Handwerker im Dorf. Heute findet man Vertreter vieler Berufe und Schichten, deren Arbeitsplätze sich außerhalb befinden. Eltern, Kinder, Großeltern lebten damals unter einem Dach. Heute ist das anders. Ältere, oft vereinsamte Menschen bleiben zurück.
Auch die Situation der Kirche, früher Kristallisationspunkt des öffentlichen Lebens, hat sich geändert. Priestermangel auf der einen und rückläufiger Kirchenbesuch auf der anderen Seite stellen sie vor große Herausforderungen. Nach der Kommunalreform im Jahr 1978 mit der Schaffung von Einheitsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften, zieht nun die katholische Kirche im Bistum Augsburg 40 Jahre später mit der Gliederung in Einheitspfarreien und Pfarreiengemeinschaften nach. In den kommunalen Gemeinden und Kirchengemeinden findet man oftmals die gleichen Menschen und ähnliche Aufgaben. Kirchen und Kommunen können also vieles in Abstimmung leisten, ohne ihre jeweilige Eigenständigkeit und Identität aufzugeben. Eine intensive Zusammenarbeit zwischen den Kirchengemeinden und den Pfarreien in den Pfarreiengemeinschaften, auch in unseren Dörfern, wird in Zukunft genauso wichtig sein, wie die interkommunale Zusammenarbeit in den politischen Gemeinden. Die Pfarreiengemeinschaften sollten diese als neue Chance begreifen und gestärkt daraus hervor gehen.
Reformen, bei denen nur die Strukturen verändert werden, sind selten erfolgreich, vor allem wenn die Aufbruchsstimmung fehlt. Belohnt werden Anstrengungen, nicht Jammern und Ausreden. Wir als Kirchenmitglieder sind mehr gefordert als bisher. Das Dokument der Deutschen Bischöfe „Gemeinsam Kirche sein“ kann uns Inspiration und Hilfe sein, auf dem Weg von der versorgten zur sorgenden Gemeinde.
Der Augsburger Diözesanbischof Konrad Zdarsa hat in seinem Vorwort zu den „Pastoralen Laiengremien“ geschrieben: „Füllen Sie diese Satzungen nun mit Leben, inspiriert vom Heiligen Geist, um glaubwürdig das Evangelium Jesu Christi zu verkünden!“. Die Mitglieder der Pfarrgemeinderäte leisten hervorragende Dienste. Aus dem Bereich der Gottesdienstgestaltung sind sie nicht wegzudenken. Die Aufgabe der Kirche besteht aber nicht nur in Eucharistiefeier und Sakramentenspendung, sondern umfasst auch die Glaubensverbreitung und die sozial-caritativen Dienste. „Machen wir unseren Einfluss geltend in unserem allernächsten Umfeld und geben wir unserem Glauben, geben wir der Kirche unser Gesicht!“, sagt der neue Bischöfliche Beauftragte des Diözesanrates im Bistum Augsburg, Prälat Bertram Meier.
Für eine soziale Gemeinde
Nach einer Vollversammlung des Diözesanrates zum Thema „Senioren in der Pfarrgemeinde“ wurde das Thema „Kirche und Kommune“ zum Motto einer Vortragsreihe mit 20 Abendveranstaltungen in den einzelnen Dekanaten des Bistums. Als Referenten wirkten die Diözesanratsvorsitzende Hildegard Schütz, Gemeindeentwickler Thomas Stark und ich als Vorsitzender des Sachausschusses „Land“ mit. Von Seiten der Pfarreien nahmen Dekane, Pfarrer, kirchliche Mitarbeiter und die Mitglieder der Dekanats-, Pastoral- und Pfarrgemeinderäte teil. Zudem waren Landräte und Bürgermeister beteiligt.
Die Veranstaltungen waren sehr gut besucht und äußerst konstruktiv. Als Grundlage diente die Studie „Netzwerk Kommune – Kirche – Gesellschaft“. Eine konkrete Forderung dieser Veranstaltungsreihe war die Aufgabe für die Pfarrgemeinderäte, jedes Jahr ein Arbeitsgespräch zwischen ausgewählten Pfarrgemeinde- und Gemeinderäten zu führen, um die sozialen Bedürfnisse in der Gemeinde zu erfassen. Zudem soll ganz konkret in beiden Gremien ein Kirchenbeauftragter im Gemeinderat und ein Kommunalbeauftragter im Pfarrgemeinderat benannt werden, die für die Dauerhaftigkeit und den Erfolg der Gespräche zwischen Kirche und Kommune zuständig sind.
In einem gemeinsamen Rundschreiben haben Generalvikar Harald Heinrich, Diözesanratsvorsitzende Hildegard Schütz und Caritasdirektor Andreas Magg darum gebeten, das Projekt „Kommune und Kirche für soziale Gemeinden“ des Diözesanrates vor Ort kräftig zu unterstützen und konkrete Möglichkeiten zur Kooperation mit den örtlichen Trägern und Institutionen zum Aufbau und zur Stärkung des sozialen Miteinanders zu beraten. Gemeindeentwickler wollen zwei Beispielprojekte in der Diözese entwickeln. Die Kommunen arbeiten gerne mit den Kirchen zusammen. Es geht um Nachbarschaftshilfen, wie Einkaufen, Begleitdienste, Gesellschaft leisten, Vorlesen, Mitfahrgelegenheiten und Kinderbetreuung. Hier stehen Menschen für Menschen ein. Sie werden Helfer oder können Hilfe in Anspruch nehmen. Es liegt an den Vertretern der Kirche vor Ort, ob sie sich einbringen, Teilbereiche übernehmen oder eigene Konzepte in Abstimmung mit den Kommunen verwirklichen. Bei Projekten des Caritasverbandes Neuburg-Schrobenhausen erfolgt das Management durch eine von der Caritas bezahlte Projektmanagerin. Beim Bürgerverein Egautal wird eine Fachkraft in Teilzeit von der Gemeinde bezahlt. Sie baut den Bürgerservice mit Ehrenamtlichen auf und übernimmt die Koordination.
Handlungsbedarf in unseren Dörfern
Zurzeit entstehen neue Einrichtungen und Angebote für Senioren in den Dörfern. Zu Grunde liegt ein gesetzlicher Auftrag des Freistaates an die Landkreise und kreisfreien Städte, ein seniorenpolitisches Gesamtkonzept für die einzelnen Gemeinden zu erarbeiten. Die Umsetzung beruht auf drei Säulen: Mitwirkung, Sozialraumorientierung und Vernetzung. Sie sollen es den Menschen ermöglichen, auch im Alter und bei Hilfsbedarf mit hoher Lebensqualität zu Hause wohnen zu bleiben. Durch die stärkere berufliche Differenzierung und hohe Mobilität wohnen die Kinder nicht mehr am Ort. Die Frauen, die die häusliche Pflege der Eltern oder Schwiegereltern übernommen haben, sind oft berufstätig. Stark im Trend liegen Tagespflegeeinrichtungen. Am Abend folgt hier die Rückkehr in die häusliche Familie, bei der sie das Wochenende verbringen. Zur hohen menschlichen Qualität dieser Lösung kommt eine erhebliche Kostenersparnis. Aus diesen Gründen wurde die staatliche Förderung bei der Errichtung solcher Pflegeeinrichtungen erhöht. Darüber hinaus gibt es betreutes Wohnen in den unterschiedlichsten Formen. Dadurch werden Familienangehörige wesentlich entlastet, können aber in ihrer Freizeit bei der Pflege mithelfen. Auch hier beteiligen sich die Kirchen. Die Frage ist, ob dies bei den Tagespflegeeinrichtungen und beim betreuten Wohnen in den ländlichen Gebieten in ausreichendem Maße erfolgt. Diese Einrichtungen sind mit dem Betrieb von KiTas vergleichbar, die in unserem Land in wesentlich höherem Ausmaß von kirchlichen Trägern betrieben werden. Auch hier sollten sich die Kirchen insbesondere in unseren Dörfern noch stärker engagieren, damit sie nicht zu spät kommen, wenn der Bedarf schon gedeckt ist.
Wir liegen mit diesen Themen ganz auf der Linie unseres Papstes, der unentwegt dazu aufruft, sich um Arme, Kranke und Schwache zu kümmern. In Evangelii Gau-dium schreibt er: „Die Pfarrei ist keine hinfällige Struktur, gerade weil sie eine große Formbarkeit besitzt, kann sie ganz verschiedene Formen annehmen. Das setzt voraus, dass sie in Kontakt mit den Familien und dem Leben des Volkes steht.“
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