Schwester Gundegard Deinzer entschied sich mit 15 Jahren für ein Klosterleben
Dass es ihr der liebe Gott leicht gemacht hätte, kann man nicht gerade behaupten. Bandscheibenoperationen, Herzrhythmusstörungen, ein Schlaganfall – Schwester Gundegard Deinzer hat viel mitgemacht in ihrem 85-jährigen Leben. Andererseits: Ohne körperliche Leiden hätte sie vermutlich nie ins Kloster gefunden. Stand am Beginn ihrer Entscheidung, Ordensfrau zu werden, doch ein Abszess im Hals: „Der ausgerechnet auftrat, nachdem ich wenige Tage zuvor den Blasiussegen erhalten hatte.“ Heute kann sie darüber lachen. Damals war die Situation sehr ernst.
Sie war 13 Jahre alt. Es war kurz nach dem Krieg, der junge Arzt, der sie behandelte, hatte noch nie einen Halsabszess entfernt. Die Narben sind noch heute sichtbar. Erst nach 16 Tagen durfte sie das Krankenhaus wieder verlassen.

Schwester Gundegard Deinzer, hier in einem der Höfe des Mutterhauses, liebt Blumen.
Trotz Angst und Banges, die Kliniktage blieben ihr in eindrucksvoller Erinnerung. In dieser Zeit hat sie Erlöserschwestern kennengelernt. In ihrer Heimat Schneeberg fand bald darauf eine Volksmission statt. Die Predigten dort machten tiefen Eindruck auf das junge Mädchen. In ihr reifte der Entschluss, in ein Kloster einzutreten.
Im April 1948, kurz nach ihrem 15. Geburtstag, kam sie ins Noviziatshaus der Erlöserschwestern in Bad Kissingen. „Ich war der Benjamin“, schmunzelt sie. Sich so jung für ein Klosterleben zu entscheiden, war schon damals radikal. Und damals, vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil, ging es im Kloster noch strenger zu als heute, erinnert sich Schwester Gundegard Deinzer. Sie musste lernen, dass sich junge Menschen nicht im Überschwang zu umarmen hatten: „Wir sollten distanziert miteinander umgehen.“ Solcherart Kritik seitens der Kandidatenmeisterin musste kniend entgegengenommen werden.
Den Gehorsam zu akzeptieren war nicht immer leicht. Doch für Schwester Gundegard gab es keine Alternative. 1956, da war sie bereits Fachlehrerin für Handarbeit und Hauswirtschaft, kam sie ins Mutterhaus nach Würzburg und wurde eingekleidet. Im Oktober 1962 legte sie das Ewige Gelübde ab. Beruflich führte ihr Weg zunächst ins Jugendhaus Volkersberg, wo sie mehr als acht Jahre lang als Bildungsreferentin tätig war.
„Halbe Sachen habe ich noch nie gemacht.“
Doch auch Schwester Gundegard blieb nicht von Glaubenszweifeln verschont. „Fast jeder erlebt einmal eine Krise“, weiß sie heute. Sie selbst rang Ende der 1960er mit sich und ihrem Glauben. Die biblische Figur des Abraham half ihr in dieser Situation. Intensiv setzte sie sich damit auseinander, dass Abraham einfach loszog, ohne zu wissen, was werden würde. Dieses Bild gab ihr neue Kraft. „Durch diese Krise habe ich erst gelernt, was Glauben bedeutet“, sagt die 85-Jährige.
Der Wunsch, eine eigene Familie zu haben, irritierte ihren Lebensweg hingegen nie. „Unsere klösterliche Gemeinschaft ist meine Familie“, sagt Schwester Gundegard. Die allerdings schrumpft. So musste die Ordensfrau 2015 das vor 129 Jahren gegründete Kloster „Maria Schnee“ in Lülsfeld bei Schweinfurt auflösen. Seither arbeitet sie in der Bibliothek des Mutterhauses in Würzburg, wo noch 60 Ordensfrauen leben. Keine ist jünger als 70.
Die Frage, warum sich heute kaum jemand mehr für ein Klosterleben entscheiden will, beschäftigt Schwester Gundegard sehr. Doch sie verfällt nicht in Pessimismus. „Gottes Wege sind unergründlich“, meint sie. Und betet dafür, dass weiterhin der eine oder andere zu seiner geistlichen Berufung findet. Sie selbst würde sich wieder für ihren Weg entscheiden. Mit aller Radikalität: „Halbe Sachen habe ich noch nie gemacht.“
Fotos: Pat Christ