Elisabeth Keilmann arbeitet seit mehr als 20 Jahren an der Schnittstelle von Kirche und Sport. Als Sport- und Olympiaseelsorgerin der Deutschen Bischofskonferenz begleitet sie das deutsche Team zu Großereignissen. Im Interview mit Gemeinde creativ spricht sie über das, was die DJK als katholischen Sportverband ausmacht, über ihre Begegnungen mit jungen Athleten und warum es Seelsorger nicht nur bei Niederlagen, sondern auch in den Sternstunden des Sports braucht.
Frau Keilmann, Sie sind Geistliche Beirätin der DJK auf Bundesebene und Sport- und Olympiaseelsorgerin der Deutschen Bischofskonferenz, das wird man vermutlich nicht, ohne eine gewisse Vorprägung…
Elisabeth Keilmann: Das stimmt, ohne Begeisterung für den Sport und seine Themen wäre ich hier nicht richtig. Die Themen rund um Kirche und Sport begleiten mich seit mehr als 20 Jahren. Dabei habe ich unterschiedliche Positionen in meinem Heimatbistum Essen und in der DJK auf Bistums- und Bundesebene bekleidet. Ich bin in meiner Freizeit selbst sportlich aktiv, ich fahre zum Beispiel gerne Fahrrad, wandere und mache Nordic Walking. Und was ich selbst nicht ausüben kann, das verfolge ich über die Medien: sportliche Großereignisse wie Europa- und Weltmeisterschaften, Fußball und seit neuestem auch den Wintersport.
Was macht die DJK als katholischen Sportverband aus?
Der DJK-Sportverband versteht sich als „Brücke zwischen Kirche und Sport“. Die DJK fördert einerseits qualifizierte Sportangebote, andererseits die Gemeinschaft und orientiert sich – und genau das ist das Besondere – an der christlichen Botschaft. Unser Auftrag lautet: „Sport um der Menschen willen“. Bewegung und Besinnung, Sport und Spiritualität stehen im Zentrum.
Uns kommt es nicht so sehr auf die Siege an, der Mensch steht im Mittelpunkt. Oder anders formuliert: In Gemeinschaft das Beste geben, damit am Ende der Mensch gewinnt. Deswegen lehnen wir auch Manipulation, demütigende Trainingsmethoden oder das bewusste Inkaufnehmen von Gesundheitsgefährdungen strikt ab. Wir haben ein Anti-Doping-Konzept, es gibt Bildungsangebote für Übungsleiter, die sich mit diesen Themen befassen, und wir haben Konzepte zur Prävention sexualisierter Gewalt erarbeitet. Die spirituelle und seelsorgerische Begleitung unserer Angebote und Veranstaltungen sind sicher ein Alleinstellungsmerkmal: dazu zählen Sportler-Gottesdienste, Sportexerzitien, Pilgertage oder Wallfahrten. Vielfach beginnen Turniere oder andere Veranstaltungen mit einem geistlichen Impuls.
Welche Großereignisse haben Sie schon begleitet?
Mein erster Einsatz war die Sommer-Universiade im vergangenen Jahr in Neapel. Dort war ich gemeinsam mit meinem evangelischen Kollegen vor Ort. Die Atmosphäre war großartig, wir durften junge Athletinnen und Athleten kennenlernen, konnten neue Kontakte knüpfen und es gab viele Begegnungen, die uns in guter Erinnerung geblieben sind – nicht nur mit den Sportlern, sondern auch mit Trainern und Betreuern. Ich war beeindruckt, wie schnell wir ins Gespräch kamen, auch über Themen rund um Kirche und Glaube. Wir waren – und das war das Entscheidende – nahe bei den Menschen. Wir haben die Sportler zu den einzelnen Wettkämpfen begleitet, sind im selben Bus mitgefahren und standen als Ansprechpartner zur Verfügung. Eine Athletin hat es so formuliert: „Seelsorger sind Trainer für die Seele, es ist gut, dass Sie dabei sind.“
Nun fallen die Olympischen Spiele heuer aus, für Sie wäre das Premiere gewesen…
Die geplanten Olympischen Spiele und Paralympics in Tokio 2020 sind verschoben worden. Das war angesichts der Pandemie eine verantwortungsvolle und richtige Entscheidung. Die Gesundheit aller Menschen hat höchste Priorität. Wenn sie im kommenden Jahr nachgeholt werden, werden es für mich die ersten Olympischen Spiele in dieser Funktion sein, deswegen bin ich schon sehr gespannt, wie das aussehen wird. Ich male mir keine allzu konkreten Abläufe aus, weil jeder Tag sicher anders sein wird. Die Universiade hat mir gezeigt, was wichtig ist: da sein, ansprechbar sein und nicht nur auf die Leistungen der Sportler schauen, sondern den ganzen Menschen in den Blick nehmen. Schön ist es, wenn man Freude teilen kann, aber ich bin auch da, um zu trösten und Mut zuzusprechen. Auch im Krisenfall stehen wir den Sportlern und Betreuern zur Seite. Bei den Olympischen Spielen in Rio 2016 ist ein Trainer tödlich verunglückt. In solchen Extremsituationen ist es gut, wenn erfahrene Seelsorger sich um die Betroffenen kümmern können.
Im Vorfeld der Spiele werden alle Sportler der deutschen Mannschaft ein ökumenisches Begleitheft mit dem Titel „Mittendrin“ erhalten. Es ist gedacht als Impulsheft mit biblischen Texten, Meditationen und Gebeten – ein geistliches Trainingsheft, wenn man so will.
Nicht alle Sportler in einer Mannschaft sind christlich geprägt oder sozialisiert, ist das ein Problem?
Überhaupt nicht. Bisher habe ich sehr großes Interesse und auch große Wertschätzung für meine Arbeit gespürt. Bei der Universiade kam ein Sportler zu mir, der keiner Kirche angehört, und mich dennoch – oder gerade deswegen? – um Rat gefragt hat. Er wollte wissen, wie ich aus meinem Glauben heraus seine Situation beurteilen würde. Es wird also durchaus gehört, was wir als Kirche zu sagen haben.
Ein Ereignis, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Es gab viele unheimlich schöne Begegnungen, die ich im Rahmen meiner Tätigkeit bisher machen durfte. Die Wallfahrt des DJK Landesverbands Bayern im Oktober 2018 ist mir in besonders guter Erinnerung geblieben: Mitglieder der DJK pilgerten damals von Rauhenzell nach Herrieden, betend und singend zogen knapp 800 Wallfahrer mit Kreuz und Fahnen durch die Felder. Anschließend fand die Messe in der Stiftsbasilika mit dem Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke statt. Das war für mich ein unglaublich schöner Tag und auch richtiges Neuland, denn hier in Nordrhein-Westfalen gibt es so etwas nicht. Dieses Erlebnis hat mir noch einmal eindrücklich vor Augen geführt, dass es nicht nur um den Sport geht, sondern um den Glauben, um das Gemeinschaft-Stiftende. „Im Gehen spürt man den Körper, im Hören der Frohen Botschaft ist der Geist gefordert und die Liturgie berührt die Seele“ – so hatte der Diözesanverband Eichstätt es damals formuliert, treffender kann man es eigentlich nicht sagen. Da freut es mich natürlich sehr, wenn wir im Jubiläumsjahr wieder in Bayern zusammenkommen (vgl. Seite XY).
Man spricht oft vom „Olympischen Geist“, manche der Werte – Fairness, gutes Miteinander, Zusammenhalt – kommen einem ziemlich katholisch vor …
Respekt, Toleranz, Fairness, das sind Werte, die sowohl Kirche als auch den Sport und eigentlich die gesamte Gesellschaft betreffen. Ich glaube, Kirche und Sport sind wichtige Partner, um sich gemeinsam für diese Werte einzusetzen – zumal Sport ja auch immer in die Gesellschaft ausstrahlt und für gewisse Gruppen eine Art Vorbildfunktion hat. Ich bin überzeugt, dass wir Großartiges bewirken können, indem wir uns gemeinsam immer wieder für Respekt und Toleranz, Solidarität und Frieden, aber auch für Themen wie Inklusion und Integration einsetzen.
Sportliche Großereignisse haben keine sonderlich gute Ökobilanz, auch darüber muss in Zeiten von Klimawandel und Fridays-for-Future gesprochen werden.
Das Thema Nachhaltigkeit geht auch am Sport nicht spurlos vorbei. Ich stelle fest, dass sich hier vieles in eine gute Richtung bewegt. Die Sportverbände sind sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und entwickeln nun schrittweise Nachhaltigkeitsstrategien. Hier gibt es schon sehr interessante und vielversprechende Ansätze.
Wie sehen diese Ansätze konkret aus?
Lassen Sie es mich anhand von drei Dimensionen erklären. Die erste ist die ökonomische: dahinter steht die Frage der (Weiter-)Nutzung von Sportstätten und Gebäuden, die beispielsweise für Olympia errichtet wurden. Wünschenswert wäre es, wenn diese Gebäude anschließend beispielsweise als Wohnungen genutzt werden könnten. Wichtig ist, nicht erst teuer aufbauen, um nach dem Großereignis wieder abzureißen. Das ist nicht nachhaltig! Auch Geisterstadien nützen niemandem. Zweitens, die soziale Dimension: hiervon erhoffen wir uns Impulse für die Stadtentwicklung und die Verbesserung der Infrastruktur. Die dritte Dimension ist die ökologische: hier geht es um Mobilität, Abfallwirtschaft, Trinkwasserversorgung und Energie. Ein ganz konkretes Beispiel: Nordrhein-Westfalen hat sich für die Olympischen Spiele 2032 beworben. Nachhaltigkeit war ein wichtiger Aspekt bei der Bewerbung. Das Konzept ist sehr ambitioniert und wirbt für die ersten plastikfreien Spiele. Zudem wären gut 80 Prozent der Sportstätten schon vorhanden, ebenso Hotel- und Messekapazitäten wären fast ausreichend. In diese Richtungen müssen wir weiterdenken, damit sportliche Großereignisse weiterhin die Akzeptanz der Gesellschaft finden.
Zum Abschluss, was wünschen Sie sich für die nächsten Olympischen Spiele?
Ich wünsche mir spannende, aber natürlich vor allem faire Wettkämpfe, friedliche Spiele und ein gutes Miteinander aller Beteiligten.
Elisabeth Keilmann ist Geistliche Beirätin der DJK auf Bundesebene und seit 2018 Sport- und Olympiaseelsorgerin der Deutschen Bischofskonferenz. Sie ist die erste Frau in dieser Funktion. Der Sport begleitet die Pastoralreferentin schon sehr lange – privat wie beruflich. Seit 1997 war sie als Vertreterin des Bistums Essen im Arbeitsbereich „Kirche und Sport“ der Deutschen Bischofskonferenz aktiv. Seit 2006 war sie zudem Geistliche Beirätin des DJK-Sportverbands im Bistum Essen, außerdem war sie sechs Jahre stellvertretende Präsidentin des DJK-Sportverbands. Als Mitglied des Präsidiums vertritt sie die DJK auch weiterhin im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).
Fotos: Privat und DJK