Viele Religionen kennen das Fasten, das in vielfältigen Formen vorkommt. Es ist oftmals mit Ritualen und Zeremonien verbunden. Für Christen dauert das Fasten von Aschermittwoch bis Ostern. Neue Besinnung durch Enthaltsamkeit und die Suche nach der Nähe zu Gott werden dadurch ermöglicht. Für Muslime heißt die Zeit des Fastens Ramadan.
Gläubige Christen verzichten in der Fastenzeit auf Dinge, die ihnen lieb sind. Egal ob Schokolade oder Alkohol, in diesen 40 Tagen – mit Ausnahme von Sonntagen – wird als Zeichen von Buße und Besinnung verzichtet. Zur Erinnerung an Jesu Christi Tod wird an Freitagen kein Fleisch verzehrt. Anders hingegen ist es für gläubige Muslime in aller Welt. Während des islamischen Fastenmonats Ramadan wird zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang sowohl auf Nahrung als auch auf Trinken verzichtet. Nachts dürfen sie endlich ihre Mahlzeit einnehmen. Aufgrund des islamischen Mondkalenders verschiebt sich das Datum des Ramadans jedes Jahr um einige Tage. Ziel dabei ist es unter anderem die Seele, zu reinigen und die Beziehung zu Gott zu stärken.
Nach den religiösen Vorschriften des Koran ist jeder Muslim zum Fasten verpflichtet, sofern es der geistige und körperliche Zustand erlauben. Ausnahmen der religiösen Bräuche bilden in diesem Fall diejenigen, denen es schwerfällt: Hierzu zählen schwangere Frauen, ältere oder kranke Menschen, Kinder oder auch Muslime, die auf Reisen sind.
Zeit der Versöhnung und der inneren Ruhe
Neelab Bayani fastet seit sie 12 Jahre alt ist. Sie kommt aus Kulmbach und studiert derzeit Jura an der Universität Bayreuth. Für die 20-jährige Muslimin aus Afghanistan hat die Fastenzeit einen hohen Stellenwert im Leben. Jedes Jahr fühlt sie sich bereit dafür und freut sich auf das geistige Wohlbefinden während des Fastens. Neben dem täglichen rituellen Gebet, dem öffentlichen Glaubensbekenntnis, der sozialen Spende und der Wallfahrt nach Mekka gehört das Fasten zu den fünf Säulen des Islams.
Für Neelab Bayani ist Ramadan eine Zeit der Versöhnung, in der weder gestritten noch geflucht wird. Sie betrachtet diesen Monat als einen besonders heiligen Monat, in dem sie zu ihrer inneren Ruhe findet und damit Gott näherkommt. In ihrer Umgebung fasten nahezu alle muslimischen Verwandten und Freunde, weshalb die Motivation groß ist, in diesem Zeitraum zu verzichten.
„Schon als kleines Kind war ich sehr neugierig und wollte auch unbedingt fasten“, sagt Neelab Bayani. Mit 12 Jahren war es endlich möglich, doch sie war körperlich nicht fit genug. Bereits nach zehn Tagen Fasten merkten ihre Eltern, dass ihre Tochter ein paar Tage Pause brauchte, um neue Energie zu tanken. Danach klappte das Fasten reibungslos. „Beim ersten Mal hatte ich ein sehr starkes Hunger- und Durstgefühl, woran ich mich aber mit der Zeit gewöhnen konnte“, erzählt die Afghanin. Obwohl sie als Kind des Öfteren gerne etwas gegessen hätte, waren sie und ihre drei Geschwister am Ende des Ramadan dennoch stolz auf sich, dass sie es geschafft hatten.
Während ihrer Vorlesungen an der Universität kam es im vergangenen Jahr jedoch zu Erschwernissen bezüglich des Betens. Fünf Mal am Tag zu beten war für sie unmöglich. Das Problem konnte sie lösen, indem sie alle Gebete am frühen Morgen zusammengelegt hat.
Strenger Verzicht
Während der Fastenzeit gibt es einen klaren Ablauf: Von Beginn der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang ist es Muslimen untersagt, tagsüber zu essen und zu trinken. Das Ende des Fastens wird dann gewöhnlich mit einem Bittgebet sowie einem Schluck Wasser oder einer Dattel eingeläutet. In Deutschland ist das gegen 22 Uhr. Viele essen mit der ganzen Familie, aber auch Moscheen laden zum Fastenbrechen ein. Oftmals kommen auch Gäste zu Besuch und bringen Süßigkeiten mit. „In Deutschland ist es besonders schwer, weil die Tage länger sind als in Afghanistan“, sagt Neelab Bayani. „Da es im Sommer immer sehr spät dunkel wird, fasten wir somit auch länger als in Afghanistan“. Dennoch sieht sie einen Vorteil im Fasten in Deutschland: Im Vergleich zu ihrem Heimatland ist es hier generell nicht so warm, was den Verzicht auf Flüssigkeit erträglicher macht.
„Natürlich ist es schwer, um halb drei aufzustehen, um vier Uhr nach dem Essen und Beten wieder schlafen zu gehen und mich anschließend um 6.30 Uhr für die Universität fertig zu machen“, erzählt die Afghanin. Das alles mit dem Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit tagsüber. Wenn sie beschäftigt ist und sich ablenkt, denkt sie nicht an Essen oder Trinken. Ihr Körper gewöhnt sich mit der Zeit an die Enthaltsamkeit, sodass sie trotz leichter Kopfschmerzen und körperlicher Schwäche den Tag gut übersteht. Für Neelab Bayani ist es ein sehr spiritueller Monat. „Die Menschen suchen die Gemeinschaft, essen gemeinsam, feiern und treffen sich am Abend, eine Qual ist das nicht“.
Das große Fastenbrechen
Zur Feier am Ende des Monats – auch Eid al-fitr genannt – werden Verwandte und Freunde eingeladen. Nach 30 Tagen Fasten gibt es nun drei Tage lang Geschenke, Süßigkeiten und ein familiäres Zusammensein. Der muslimische Fastenmonat Ramadan wird somit beendet. Für das Fest kaufen sich besonders die Frauen neue Kleider und machen sich schick für die Feier. „Auf den Tischen stehen immer getrocknete Früchte, frisches Obst, Kekse und Kuchen“, zählt Neelab Bayani auf. Damit danken Muslime Allah, dass sie den vergangenen Monat und die damit verbundenen Anstrengungen und Aufgaben geschafft haben.
Vor dem großen Treffen mit Familie und Freunden feiern viele Muslime das Fest des Fastenbrechens mit gemeinsamen Gebeten in der Moschee. Nur leider ist dies für Neelab Bayani und ihre Familie nicht möglich in Deutschland. Sie beten Zuhause und gehen in Kulmbach in keine Moschee, da dort nur Türkisch gesprochen wird. Dennoch feiert ihre Familie mit fünf weiteren afghanischen Familien, die ebenfalls in Kulmbach wohnen. „Alle Familien feiern gemeinsam das Eid al-fitr und genießen das Beisammensein“, sagt Neelab Bayani. Schließlich soll es an diesem Tag allen gut gehen und jeder soll das große Fest mitfeiern können. Zum Ramadan gehören auch insbesondere wohltätige Zwecke.
Während der Fastenzeit wird Geld gespart und an ärmere Menschen in der muslimischen Gemeinde oder auch auf der Straße gespendet. Eine Tradition, auf die Neelab Bayani sich besonders freut, ist der Henna-Abend am Tag vor dem Fastenbrechen. Dabei bemalen sie sich gegenseitig ihre Handflächen und bereiten sich für den nächsten Tag vor.
Parallelen zu christlichen Festen
Viele bezeichnen das Fastenbrechen als das Weihnachten der Muslime, denn es ist – wie Weihnachten bei den Christen – ein familiäres Fest. Beide Feste sind sich in vielen ihrer Bräuche erstaunlich ähnlich und weisen trotz der Unterschiede in der religiösen Bedeutung einige Parallelen auf: Auch für das Fest des Fastenbrechsens spielen das Beschenken der Kinder und Süßigkeiten eine wichtige Rolle. Man sitzt lange zusammen, redet und der Tisch ist immer voll mit Essen. Für Muslime ist das ein besonderes Ereignis. Sie freuen sich auf das Fastenbrechen wie die Christen sich auf das Weihnachtsfest freuen.
Foto: Muhadj Adnan