Wer verteidigt Ehe und Familie?
Von Winfried Röhmel
Journalist
Es wird viel über „die Familie“ gesprochen, geschrieben und gesendet. Der „demographische Faktor“ gibt doch zu denken. Aber die öffentliche Aufmerksamkeit wird eher „neuen Lebensentwürfen“ zugewendet. Die Ehe von Mann und Frau gilt nicht mehr als Leitmodell der Familie. Die Institution Ehe wird durch „Beziehungen“ im Spektrum zwischen Patchwork und Homo-Ehe ersetzt.
Die Entkoppelung von Ehe und Familie, genauer die Auflösung ihres inneren Zusammenhangs, wird als Zeichen einer Gleichberechtigung der Geschlechter und einer Selbstverwirklichung von Mann und Frau gewertet, als zukunftsträchtiger Lebensentwurf. Um das zu propagieren werden individuelle Konfliktsituationen in Ehen und die steigenden Scheidungsraten ins Feld geführt, als gäbe es in den so genannten neuen Lebensformen nicht die gleichen oder ähnliche Konflikte und Dramen. Wer an der Institution Ehe und ihrer inneren Zuordnung zur Familie festhält, wird als Anhänger eines „traditionellen und überlebten“ Familienmodells dargestellt, zuweilen regelrecht verunglimpft. Allenfalls will man noch eine Art Wahlfreiheit gelten lassen. Wenn etwa unverbesserliche Katholiken oder andere Christen ihrem kirchlichen Dogma folgen wollen, sollen sie das auch weiterhin tun dürfen, etwa nach dem ironischen Motto „Ehe wem Ehe gebührt“.
Der Artikel 6 des Grundgesetzes wird inzwischen offen in Frage gestellt. Es stört, dass der den Grundrechten zugeordnete Artikel – „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“ (Art. 6,1) – der inneren Einheit von Ehe und Familie Verfassungsrang einräumt und so dem Staat und seinen Institutionen ausdrücklich gebietet, Ehe und Familie in ihrer gegenseitigen Zuordnung zu schützen und zu fördern. Das steht natürlich den neuen Familienmodellen entgegen. So ließ sich etwa ein Kommentator des Bayerischen Rundfunks mit der bereits durch den Wortlaut des Artikels widerlegten Auffassung vernehmen, Ehe und Familie seien im Grundgesetz deswegen als innere Einheit formuliert, weil man sich zum Zeitpunkt seiner Abfassung gar nicht habe vorstellen können, Kinder auch außerhalb der Ehe groß zu ziehen. Tatsächlich verpflichtet der Artikel den Gesetzgeber dazu, unehelichen Kindern „die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen“ (Art. 6,5). Schließlich weist in die gleiche Richtung die immer wieder neu angezettelte Debatte um eine „völlige Gleichstellung“ so genannter „Homo-Ehen“, ein Begriff den die Gesetzgebung aus guten Gründen nicht anwendet. Von der Statistik her ist das sicher kein großes Thema. Es gibt etwa 20 Millionen Ehepaare in Deutschland und lediglich 25.000 eingetragene Lebenspartnerschaften. Aber als ideologischer Kampfplatz gegen die Institution Ehe, wie sie das Grundgesetz vorgibt, ist die Debatte stets willkommen.
Als in Frankreich homosexuelle Lebenspartnerschaften mit Ehepaaren gleichgestellt werden sollten formierte sich dort, anders als in Deutschland, politischer Widerstand, der sich jetzt im ganzen Land in nicht nur von der katholischen Kirche getragenen Aktionen und Demonstrationen artikuliert. Nicht etwa „Sittenwächter alter Schule“, sondern ein „buntes Bündnis von Franzosen“, wolle allen Kindern ihre Mama und ihren Papa sichern, berichtete die Frankfurter Allgemeine. So einfach und selbstverständlich kann sich wirkungsvolle politische Aktion gegen eine als unerträglich empfundende ideologische Umdeutung von Ehe und Familie darstellen.
Anlass für Protest gäbe es längst auch in Deutschland. Der in Artikel 6 formulierte Auftrag der Verfassung wird unabhängig von der jeweils regierenden politischen Couleur seit Jahrzehnten und trotz eindeutiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nur unzureichend erledigt. Die betroffenen Ehepaare und ihre Kinder lassen sich scheinbar alles gefallen, anstatt sich endlich mit Massendemonstrationen und, warum nicht auch, mit Massenklagen zu empören. Manchmal muss man der Demokratie mit demokratischem Aufruhr auf die Sprünge helfen.
Warum stellen sich katholische Verbände, die sich doch zumindest in ihren Grundsatzprogrammen immer noch zu Ehe und Familie bekennen, nicht an die Spitze eines längst auch in Deutschland fälligen Aktionsbündnisses, das den inneren Zusammenhang von Ehe und Familie und somit auch den Artikel 6 des Grundgesetzes gegen jeden ideologischen Zugriff verteidigt? 40 Millionen Frauen und Männer in Deutschland, die eine Ehe eingegangen sind, sollten sich doch endlich in angemessener Weise Gehör verschaffen können.