Das Projekt „Weilheimer Glaubensfragen“
Weilheim in Oberbayern liegt im Pfaffenwinkel. Eingebettet in die Landschaft des bayerischen Alpenvorlandes zwischen dem Starnberger See und dem Ammersee. Die Zugspitze lockt in der Ferne. Auf jede Erhebung folgt wieder eine Senke, und aus jeder Richtung sieht der Besucher einen Zwiebelturm, einen Glockenturm, einen Kirchturm. Seit 2010 steht im oberbayerischen Weilheim nichts Geringeres zur Diskussion als die „Weilheimer Glaubensfragen“.
Die Anfänge
„Stopp! Was glaubst du eigentlich?“ hieß es im Oktober 2010 in der Weilheimer Fußgängerzone. „Ja, Mensch, was glaubst du eigentlich…?“, mit dieser Frage ist die Kirche in Weilheim auf die Straße gegangen – und sie hat überraschend viele unterschiedliche Antworten bekommen. Gläubige und Ungläubige, Sichere und Zweifelnde, Kritische und Fernstehende haben gesagt oder aufgeschrieben, was sie glauben und bekennen – und auch, was sie nicht glauben, was sie umtreibt und stört, und auch, was sie gerne genauer wüssten. Es wurden keine komplexen Glaubensbekenntnisse erwartet, ein simpler Satz oder ein Wort waren ausreichend. Wir wollten den Leuten Raum für ihre Stimme geben.
Viele Menschen waren zunächst überrascht, da sie vorher keine Berührungspunkte mit Menschen hatten, die nach ihrem Glauben fragten. Die meisten Menschen, die wir trafen, waren aber sehr interessiert, mehr zu erfahren. Häufig zogen sie direkt Parallelen zu anderen Religionen, denn Glaube bietet auch eine Möglichkeit weltweit Menschen zu verbinden. Aufgrund von Erkenntnissen aus der Naturwissenschaft fiel es den Befragten teilweise schwer, alles nachzuvollziehen, was in der Bibel steht. An der Existenz eines Gottes zweifeln die meisten aber dennoch nicht. Mit ihrem Glauben hadern die meisten nicht, aber warum passiert in der Welt so viel Schlechtes – auch im Namen der unterschiedlichen Glaubensrichtungen? Viele waren hier der Meinung, dass das weniger mit Religion zu tun hat, sondern eher an einzelnen Personen liege.
Aus den weit mehr als tausend Rückmeldungen haben sich fünf Themenschwerpunkte herausgebildet:
- Wie kann das Leben glücken? Was macht uns Menschen glücklich?
- Werte braucht das Leben! Aber woher nehmen wir sie, was ist wertvoll?
- Gibt es ein Miteinander unter den Religionen? Und wie kann es gelingen?
- Glaube „ja“, Kirche „nein“. Geht es auch ohne Kirche?
- Zwischen Tradition und Moderne – Wohin geht es mit der katholischen Kirche?
Weil man bei „Stopp“ zwar kurz stehen bleiben soll, es dann aber weitergehen muss, hieß es für unsere Aktion jetzt: „Go!“ Genauer gesagt bei fünf Vortragsabenden wurde nach überzeugenden Antworten gesucht. Nach einigen schwierigen Anfragen konnten namhafte Fachleute für dieses Forum gewonnen werden. Die „Weilheimer Glaubensfragen“ sollten ein offenes Forum bieten für alle, die es im Leben und im Glauben umtreibt, die (noch) Fragen haben und nach Antworten suchen.
Weiterentwicklung
So starteten wir 2011 mit fünf Vortragsabenden. Namhafte Referenten gaben überzeugende Antworten. Der Vortrag von Manfred Lütz war ein erster gelungener Auftakt. Mehr als 800 Zuhörer waren in die Stadthalle gekommen, um den Mediziner, Theologen und Bestsellerautor zu seinem Thema „Die Werte, die Wahrheit und das Glück“ zu hören. Bereits die ersten „Weilheimer Glaubensfragen“ waren somit ein erfolgreicher Start mit vielen guten und auch mit manch neuen Einsichten.
Ein sechsköpfiges Team um Martin Gregori trifft sich im Vorfeld mehrmals, bis eine gemeinsame Linie bei lebhaften Diskussionen gefunden ist. Das gemeinsame Ziel ist, Antworten auf große Fragen zu finden, die die Menschen heute bewegen. Dabei orientieren wir uns an folgenden Überlegungen. Wir wollen:
- Aktuelle Fragen der Zeit im Horizont christlichen Glaubens erhellen und Klärungen im gesamtgesellschaftlichen Diskurs voranbringen.
- Öffentliche Auseinandersetzungen über Themen der Kirche aufgreifen und Impulse für reformorientierte Weiterentwicklungen geben.
- Kirchliche und gesellschaftliche Situation aus mehreren Perspektiven wahrnehmen und dabei Herausforderungen ableiten.
- Orientierung zu den großen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und religiösen Fragen unserer Zeit geben.

Kardinal Christoph Schönborn kam aus Wien nach Weilheim.
Die „Weilheimer Glaubensfragen“ bilden eine große Bandbreite drängender kirchlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Themen ab und setzen sich mit unterschiedlichen Positionen dazu und aus verschiedenen Perspektiven damit auseinander. Dabei durften wir bekannte Persönlichkeiten aus ganz Deutschland und Europa aus Politik, Medien, Religion und Wirtschaft begrüßen, wie den Büchner-Preisträger Martin Mosebach, Manfred Lütz, Kardinal Christoph Schönborn aus Wien, den ehemaligen EKD-Ratspräsidenten Wolfgang Huber, den Linken-Politiker Gregor Gysi, BR-Chefredakteur Sigmund Gottlieb, den Moraltheologen Eberhard Schockenhoff, den Journalisten Heribert Prantl, Fürstin Gloria von Thurn und Taxis und den ehemaligen bayerischen Ministerpräsident Günther Beckstein.
Als Termin für die Vorträge planen wir den Zeitraum von Ende März 2017 bis Ende Juli. Selbstverständlich sind wir bereit, auf terminliche Alternativen mit den Referenten einzugehen. Für 2017 wurden beispielsweise fünf renommierte Referenten ausgewählt, die das Thema „Gott. Mensch. Welt. Wer denkt, wer lenkt?“ aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchteten. Mit Günther Beckstein machte im Mai der wohl prominenteste Referent in der diesjährigen Runde den Anfang. Der ehemalige Ministerpräsident engagierte sich neben der Politik viele Jahre auch in der evangelischen Kirche. Sein Thema: „Ohne Verzicht wird es nicht gehen – Die Verantwortung des Menschen für die Schöpfung“ begeisterte etwa 400 Zuhörer.
Die „Weilheimer Glaubensfragen“ sind mittlerweile durch den Bayerischen Rundfunk, das Internet und überregionale Zeitungen weit über die Grenzen von Weilheim hinaus bekannt. Sie bieten ein offenes Forum, für Menschen die kritisch mitdenken, weitere Fragen haben und nach überzeugenden Antworten suchen. Bislang haben mehr als 13.000 Besucher die Vorträge besucht.
Auch für die Zukunft wollen wir Themen auswählen, die viele Menschen bewegen. Es soll damit gezeigt werden, dass sich die Kirche den vielen berechtigten Fragen von Gläubigen und Menschen ohne Glauben nicht verschließt, sondern versucht, diese überzeugend zu beantworten. Zustimmung und Einsicht kann nur erreicht werden, wenn wir transparent und sinnvoll am Puls der Zeit agieren und als bekennende Christen authentisch leben. Auch in Weilheim begegnet uns immer wieder eine Art von Gleichgültigkeit, was Glaubensfragen betrifft.
Für die Organisatoren der „Weilheimer Glaubensfragen“ ist es eine große Freude, wie sich die Veranstaltungsreihe gemacht hat. Auf zu den nächsten Jahren – wir freuen uns auf weitere bewegende Themen, bei anregenden Begegnungen mit vielen interessierten Besuchern, auf Einsichten und Aussichten mit renommierten Referenten, die ideenreich weiterhelfen.
Fotos: Weilheimer Glaubensfragen