Das Friedensfestival „Rendezvous! Gemeinsam für Europa“ wirkt in Würzburg nach
Es war ein imponierendes Treffen: Mehr als 2.000 Mitglieder der Katholischen Landjugendbewegung Deutschlands (KLJB) und des Mouvement Rural de Jeunesse Chrétienne (MRJC) kamen Anfang August 2018 in Besançon zusammen. Vier Tage lang feierten sie das erste deutsch-französische Friedensfestival „Rendezvous! Gemeinsam für Europa“. Auch 17 KLJB-Jugendliche aus Würzburg nahmen daran teil. Das Festival, es wirkt nach.
„Wir waren ganz und gar eins“, so bringt Regina Mack das Treffen auf einen Nenner. Mack ist 23 Jahre alt, studiert an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf Lebensmittelmanagement und engagiert sich als ehrenamtliche Diözesanvorsitzende bei der KLJB Würzburg. Europa war für die junge Frau bisher immer etwas reichlich Abstraktes. Zwar ist es für Mack selbstverständlich, an Europawahlen teilzunehmen. Einfach, weil sie immer wählen geht. Aber was Europa eigentlich bedeutet, warum das Thema von so großer politischer Wichtigkeit ist, das wurde der jungen Frau aus Euerfeld bei Kitzingen erst so richtig durch das Friedensfestival bewusst.
Allein die Fahrt nach Frankreich war für sie ein Erlebnis. Die Würzburger KLJB schloss sich der Münchner Gruppe an: „Mit drei Bussen fuhren wir über die Grenze.“ So etwas, weiß Mack, wäre früher undenkbar gewesen. Da hätte man womöglich stundenlang gewartet. Vielleicht wären die Pässe gecheckt worden. Vielleicht hätte man Koffer öffnen müssen. Jetzt fährt man einfach von einem Land ins andere. Ganz frei. „Wir sind das so gewohnt“, sagt Mack. Doch sie weiß, dass es andernorts in der Welt anders ausschaut. Da gibt es noch Grenzen. Da stehen Mauern. Oder werden neu errichtet.
In Besançon erwartete die Jugendlichen ein umfangreiches Programm. Es ging um so wichtige Themen wie Landwirtschaft und Ernährungssouveränität, Demokratie und Religion, das Zusammenleben auf der Erde und um Fragen des Wirtschaftens und Arbeitens. Auch wurde jede Menge Kreatives angeboten. „Unsere Würzburger Gruppe nahm geschlossen am Actionpainting-Workshop teil“, erzählt Rebekka Hettrich, 24 Jahre alt, Groß- und Außenhandelskauffrau und ebenfalls ehrenamtlich im Würzburger KLJB-Diözesanvorstand engagiert. Gemeinsam entstand ein buntes Friedensbild, das inzwischen einen Platz im Würzburger KLJB-Büro gefunden hat.
Kleine Unterschiede
Interessant war für Regina Mack und Rebekka Hettrich, die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich zu erleben. Die gibt es. Was ja nicht schlimm ist. Im Gegenteil. Es ist spannend, mitzubekommen, dass Menschen nur wenige hundert Kilometer entfernt ganz anders leben. Was bei Kleinigkeiten beginnt. „Die Franzosen frühstücken anders als wir“, erzählt Rebekka Hettrich. Hat man in Deutschland Gäste, bewirtet man sie am Morgen reichlich. In Frankreich hat das Frühstück keine so große Bedeutung. Das war für die deutschen Jugendlichen ungewöhnlich. Dafür konnten sie mittags und abends schwelgen: Zehn Food-Trucks warteten mit Leckereien auf.
„Ich habe teilgenommen, weil ich einmal dieses Wir-Gefühl zwischen französischen und deutschen Jugendlichen erleben wollte. Und ich habe es erlebt, wir waren wirklich eine tolle Gemeinschaft. Das Friedenfestival war für mich zudem eine gute Gelegenheit, einmal andere Sichtweisen kennen zu lernen. Französische Jugendliche sind wirklich etwas anders als wir – aber offen und interessiert. Nicht unproblematisch war die Verständigung, weil viele von uns kein Französisch und die französischen Jugendlichen meist kein Deutsch sprechen. Dennoch haben wir es bereits beim Kennenlernabend geschafft, uns zu mischen und ins Gespräch zu kommen.“ (Rebekka Hettrich, 24 Jahre, Eßleben)
Zu den Highlights des Festivals gehörte die „Vereinbarung für den Frieden“, die von den Vorständen der beiden Landjugendverbände mit Blick auf das 100-jährige Ende des Ersten Weltkriegs unterzeichnet wurde. Die Erklärung hält fest, wofür MRJC und KLJB einstehen und wie sich junge Menschen ein friedliches Leben auf der Erde vorstellen. Alle Jugendlichen, die am Treffen teilnahmen, verstehen sich als Botschafter des Friedens und wollen andere von ihrer Friedensvision begeistern.
Für Regina Mack ist die Friedenserklärung nicht nur ein Stück Papier, das nun in der Schublade verschwinden kann. Sie ist beseelt von dem Gedanken, sich für Frieden zu engagieren. Denn was Krieg bedeutet, das hat sie von ihrem Großvater erfahren. „Im Zweiten Weltkrieg war er in Russland stationiert“, erzählt die junge Christin. Die Geschichten des Opas über das Schreckliche, was er damals erlebte, habe ihre Kindheit geprägt.
Frieden erfordert Einsatz
Rebekka Hettrich und Regina Mack wissen, wie gut es junge Menschen heute haben: Sie wachsen in Frieden auf, genießen Freiheit und Wohlstand. Doch das ist nicht selbstverständlich. Und kann sich jederzeit ändern. Dass selbst innerhalb Europas Kriege ausbrechen können, zeigte der Kosovo-Konflikt. Er tobte, als Mack zur Welt kam. In jenem Jahr, als sie geboren wurde, kam es zum schrecklichen Massaker von Srebrenica.
Mich hat es gereizt, am Friedensfestival teilzunehmen, weil ich es wichtig finde, dass wir Jugendlichen zeigen, was uns Europa bedeutet und dass wir unsere Meinung zu Europa äußern. Schließlich sind wir die Zukunft. Meine Erwartung hat sich erfüllt, wir haben an den vier Tagen gezeigt, was junge Menschen alles gemeinsam bewirken können. Die Meinung von Jugendlichen muss in Europa viel zählen. Wir junge Leute sehen keine unüberwindbaren Unterschiede. Und wir wollen Frieden. In Besançon habe ich erlebt, wie stark dieser Gedanke in uns allen verankert ist. Möglicherweise sind wir noch viel stärker für den Frieden und für Völkerverständigung als die Älteren. Wir kennen es ja nicht anders. Wir haben keine Grenzen und keine Mauern mehr erlebt. Und ich glaube, dass wir auch keine Grenzen mehr im Denken haben.“
(Regina Mack, 23 Jahre, Euerfeld)
„Wir wollen nie mehr in Angst und Schrecken leben“, betont auch Rebekka Hettrich. Bestärkt wurden die Jugendlichen in Besançon durch Friedensaktivisten, die am Eröffnungsabend sprachen. Mit Anne Beaumanoir war sogar eine Zeitzeugin aus dem Zweiten Weltkrieg eingeladen. Während des Krieges hatte Beaumanoir verfolgten Juden in der Bretagne geholfen.
Zu den unvergesslichsten Augenblicken während des Festivals gehörte für die beiden Würzburger KLJBlerinnen jener Moment, als eine Samba-Gruppe aus einer Konzerthalle nach draußen auf den Platz ging. Im Nu brachte sie Hunderte Menschen dazu, gemeinsam zu tanzen. Aber auch den Abschlussgottesdienst behalten Hettrich und Mack als sehr berührend in Erinnerung. Gemeinsam wurde gebetet. Gemeinsam wurde gesungen. Und nichts, was „anders“ war, vermochte zu trennen. Nicht einmal die Sprache.
Gut 2.000 Jugendliche aus Deutschland nahmen im August 2018 am gemeinsamen Friedenstreffen der KLJB und dem Mouvement Rural de Jeunesse Chrétienne Frankreich (MRJC) im französischen Besançon teil. Vier Tage lang haben die jungen Menschen dort in zahlreichen Workshops, interkulturellen Begegnungen und Podiumsdiskussionen am Frieden weitergebaut und eine „Vereinbarung für den Frieden“ unterzeichnet: „Unser Friedensvertrag soll festhalten, für was MRJC und KLJB einstehen und wie wir uns ein friedliches Leben auf der Erde vorstellen“, erläutert Stephan Barthelme, KLJB-Bundesvorsitzender. „Nur wenn wir alle zusammen Botschafter des Friedens werden und andere von unserer Vision begeistern, kann es dauerhaften Frieden in unseren Dörfern, in unseren Ländern, in Europa und weltweit geben.“
Fotos: Pat Christ und KLJB Bundesstelle