Ein Plädoyer
Von Jens Hausdörfer, Geistlicher Verbandsleiter BDKJ Bayern
Es geht uns gut in Bayern – egal ob jung oder alt: Wir leben in einem funktionierendem Rechtsstaat, schwimmen in einem unglaublichen Reichtum und genießen ein nie gekanntes Lebensniveau. Selbst eine so außergewöhnliche Herausforderung wie das Corona-Virus meistern wir verhältnismäßig gut.
Dennoch gibt es auch Schattenseiten, die gerade jetzt in Krisenzeiten deutlich zu Tage treten: Eine beträchtliche Zahl von Menschen lebt in prekären finanziellen Verhältnissen, was beispielsweise Auswirkungen auf ihre Teilhabe- und Bildungschancen sowie ihre Gesundheitsversorgung hat. Und viele Mitbürger bekommen keinen gerechten Lohn für ihre „systemrelevante“ Arbeit. Schließlich gibt es große Herausforderungen zu meistern, um auch in Zukunft gut leben zu können: ob das der Klimawandel ist, die Digitalisierung der Gesellschaft und der Arbeitswelt oder die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme.
Als Vertretung von jungen Menschen sagen wir: jetzt ist die Zeit, diese Herausforderungen anzugehen, damit unsere Kinder und Enkel eine lebenswerte Umwelt und eine solidarische Gesellschaft vorfinden.
Da die zukünftigen Generationen diejenigen sind, die von politischen Entscheidungen heute besonders betroffen sind, sollten deren Interessen und Vorstellungen bei politischen Entscheidungen berücksichtigt werden. Doch dies ist nicht immer und ausreichend der Fall:
Auf der einen Seite verwehren wir jungen Menschen unter 18 Jahren das Recht, Politik aktiv mitzugestalten, indem sie nicht an Wahlen teilnehmen dürfen. Auf der anderen Seite sorgt die demographische Entwicklung dafür, dass der Großteil der Wähler älteren Generationen angehört. Eine authentische Partizipation von jungen Menschen sieht anders aus!
Dazu kommt ein Strukturkonflikt der Demokratie: Da Politiker in relativ kurzen Abständen (wieder-)gewählt werden, müssen sie schnelle Erfolge vorweisen. Langfristige und nachhaltige Projekte drohen da in den Hintergrund zu treten. Stattdessen werden kurzfristig Wahlgeschenke verteilt.
Als katholische Jugendverbände setzen wir uns daher ein, dass junge Menschen mit ihren Themen mehr Beachtung in Politik und Gesellschaft finden.
So fordert der BDKJ Bayern unter anderem Folgendes:
- Eine Wahlalterabsenkung auf Kommunal- und Landesebene auf 16 Jahre,
- die Entwicklung objektiver Kriterien zur Evaluation politischer Prozesse aus der Perspektive von jungen Menschen und die Etablierung eines verbindlichen „Jugend-Checks“ bei Gesetzgebungsverfahren,
- die gezielte Förderung von jungen Menschen in prekären Lebenslagen,
- einen konsequenten Umbau unserer Wirtschaft und Gesellschaft zu mehr Nachhaltigkeit und ein striktes Einhalten der vereinbarten Klimaziele und
- eine Weiterentwicklung und Absicherung der sozialen Sicherungssysteme.
Als junge Christinnen und Christen wollen wir aber nicht die Bedürfnisse anderer Generationen aus dem Blick verlieren. Auch ältere Menschen haben mit Herausforderungen zu kämpfen. Daher ist uns der Dialog mit Vertretern anderer Lebensalter so wichtig.
Uns geht es nicht um die Heraufbeschwörung eines Generationenkonfliktes, den es so gar nicht gibt: Studien zeigen klar auf, dass keine Generation nur ihren Eigennutz im Blick hat. Und aufgrund unseres Lebensstandards und Reichtums besteht im Moment auch kein Verteilungskampf um begrenzte Ressourcen.
Was es aber sehr wohl gibt, ist eine Schieflage unseres Sozialstaates. In allen Generationen sind überraschender Weise ähnliche Herausforderungen zu erkennen: fehlende Partizipation und Teilhabemöglichkeiten, eingeschränkte und überteuerte Mobilität, vor allem auf dem Land oder Kinder- und Altersarmut etwa, um nur einige Beispiele zu nennen.
Die Antwort darauf kann nur ein generationenübergreifender Einsatz für mehr Gerechtigkeit und Solidarität in unserem Land sein – hier sind wir alle gefragt, gleich ob jung oder alt.
Dies geschieht durch einen verstärkten Dialog und Austausch auf Augenhöhe, durch ein gegenseitiges Kennen- und Verstehenlernen, durch ein Begreifen der jeweiligen Lebensrealitäten und spezifischen Bedürfnissen und schließlich durch ein Aushalten der unterschiedlichen Ansichten und politischen Aktions- und Ausdrucksformen.
Es braucht schlichtweg mehr Bündnisse und Koalitionen über Generationengrenzen hinweg zum Wohl aller, die jetzt und in Zukunft in unserem schönen Bayern leben.
Ein neues Miteinander der Generationen
Von Marianne Habersetzer, Vorsitzende des Landesforum Katholischer Seniorenarbeit Bayern
… in Zeiten der Krise
Die Corona-Pandemie hat beklemmende Differenzierungen von jung und alt zur Diskussion gestellt – quasi „neue Generationenverträge“ hervorgebracht: die Jungen gehen arbeiten, die Alten werden isoliert. Ebenso hätte man fordern können: die Männer, die mehr von diesem Virus betroffen sind, bleiben zu Hause, die Frauen dürfen raus.
Die Corona-Krise, deren Auswirkungen wir immer noch spüren, hat uns aber ein Miteinander der Generationen neu gelehrt:
- Unendlich wichtig ist die Gemeinschaft von Jung und Alt.
- Nur gemeinsam und in Solidarität und Subsidiarität (gegenseitiger Unterstützung) werden Krisen bewältigt.
Solidarität bedeutet wesentlich mehr als bloße Fairness im Umgang miteinander und Achtung vor den Bedürfnissen der anderen.
Christliche Solidarität bedeutet ein Sich-Einsetzen für Menschen über ausgrenzende Unterschiede hinweg. Besonders das Eintreten für die Schwächeren ist notwendig. Es gehört zu den demokratischen Grundrechten, die Interessen von Benachteiligten zu vertreten. Christen, alt und jung, müssen sich bei entscheidenden Fragen und Anliegen lautstark zu Wort melden.
Neu ist die Solidarität der Altengenerationen untereinander – die Hilfe der Älteren für Alte und Hochbetagte – diese gilt es deutlich zu machen und deren Notwendigkeit zu stärken.
Auch bedarf es einer neuen Solidarität zwischen den Geschlechtern. Soll der viel zitierte „Generationenvertrag“ auf eine neue Grundlage gestellt werden, muss eine neue Kultur des Verstehens zwischen den Geschlechtern entwickelt werden. Dazu wird es nötig sein, dass Männer künftig mehr bereit sind, einen Teil der Sorge um alte, hilfs- und pflegebedürftige Menschen zu übernehmen.
Subsidiarität fängt unten an und plädiert für das Recht der kleinen Lebenskreise, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. „Hilfe zur Selbsthilfe“ steht im Vordergrund, dann helfend und unterstützend bereit zu stehen, wenn die oder der Einzelne aus eigener Kraft nicht dazu in der Lage ist oder an die Grenzen gekommen ist. Dabei darf der Zeitpunkt, wie lange die Hilfe notwendig ist, nie aus dem Blick verloren werden. Hier überschreite ich als Person auch immer wieder meine eigenen Grenzen. Diese Verantwortlichkeit lernen wir im Umfeld der Familie – gerade auch, wenn die Generationen sich begegnen; die Themen „loslassen können“, „Vertrauen“ und „ Nähe und Distanz“ finden sich in jeder Beziehung – generationenübergreifend – sowohl in der Familie als auch zum fremden Nächsten.
Es braucht echte Begegnung und eine gute Verständigung zwischen den Generationen; dies gelingt zunächst auf der Basis gemeinsamer Interessen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass jede Generation hinreichend über die Lebenswelt wie auch über die Probleme der anderen Generation informiert ist. Es gilt die Gemeinsamkeiten zwischen den Generationen zu erkennen und die Individualität des Einzelnen – unabhängig von seinem Alter – respektieren und schätzen zu lernen.
Titelfoto: Adobe stock / LIL_22
Fotos: BDKJ Bayern / Privat