Monsignore Wolfgang Huber eilt ein Ruf voraus: er galt schon immer als weltoffener Oberbayer. Das hat dann wohl dafür gesorgt, dass der ehemalige Münchner Dompfarrer im Jahr 2014 zum Präsidenten von missio München berufen wurde. Im Interview mit Gemeinde creativ spricht er über die Stellung der Kirche als „global player“, den von Bundesminister Gerd Müller vorgeschlagenen „Marshallplan mit Afrika“ und wie Papst Franziskus die Sicht auf die Weltkirche verändert hat.
Gemeinde creativ: Monsignore Huber, wann sind Sie zum ersten Mal mit „Weltkirche“ in Berührung gekommen?
Wolfgang Huber: Als ich 1984 in Paris studiert habe, habe ich viele Menschen aus afrikanischen Ländern getroffen. Seit dieser Zeit habe ich die Kontakte gepflegt. Damals habe ich gemerkt: die katholische Kirche ist nicht nur ein Dorf.
Die katholische Kirche wird oft als der älteste global player der Welt bezeichnet. Welche Vorzüge hat sie gegenüber anderen Organisationen?
Ganz egal, wohin man kommt – ob das der Busch von Afrika ist, die Inselwelt der Philippinen oder ein kleines Dorf in Nordostindien – mit Englisch oder Französisch kommt man da nicht weiter, aber man kann dort den Gottesdienst mitfeiern, man wird in den Gemeinschaften herzlich aufgenommen und fühlt sich willkommen. Der Erzbischof von Burkina Faso aus Ouagadougou sagt immer: „Wir sind eine Familie Gottes.“ Und genau das unterscheidet uns von anderen. Zudem ist es uns als global player wichtig, dass die Menschenwürde jedes Einzelnen im Vordergrund steht, nicht Machtinteressen oder wirtschaftliche Vorzüge.
In Gesprächen hört man immer wieder, kirchliche Hilfswerke oder Orden sind auch dann noch vor Ort, wenn alle anderen Organisationen längst gegangen sind. Wie kann die Beständigkeit für das weltkirchliche Engagement der katholischen Kirche nachhaltig gesichert werden?
Bundesminister Gerd Müller sagt mir immer wieder: „Ganz egal, wo ich hinkomme, die katholische Kirche ist schon dort gewesen.“ Das ist gut und soll so bleiben. Wichtig ist, dass wir uns unser Ziel immer wieder neu bewusst machen. So kann man Menschen finden, die bereit sind, Lebensqualität vor Ort zu schaffen. Genau das machen wir bei missio bereits seit 1838 – wir versuchen Lebensqualität zu schaffen und den Menschen vor Ort eine Perspektive zu geben. Gerade jetzt im Kontext der Flüchtlingsfrage muss ich das häufig erklären. Denn ich bin überzeugt: kein Flüchtling kommt freiwillig zu uns. Sie alle würden es vorziehen, in ihrer Heimat ihr Leben zu gestalten. Dabei können wir helfen.

Bei seinen Reisen ist Monsignore Wolfgang Huber immer ganz nahe dran an den Menschen. Vor allem die Jugend in Afrika liegt ihm am Herzen.
missio ist vor allem in den Ländern Afrikas, Asiens und Ozeaniens aktiv. Wo liegen momentan die Schwerpunkte?
Zwei Dinge sind uns besonders wichtig: die Ortskirchen zu stärken und Bildung zu ermöglichen. Bildung vor allem für die jungen Menschen und auch für Frauen. Daneben geht es um friedensstiftende Maßnahmen, um interreligiösen Dialog und Nothilfe. Viele unserer Projekte sind auch im Gesundheitsbereich angesiedelt und natürlich ist die Bewahrung der Schöpfung ein Thema.
Nun steht missio nicht nur für die Arbeit vor Ort, sondern engagiert sich auch sehr intensiv im Bereich des Globalen Lernens und der Bildung. Warum ist dieser Bereich wichtig?
Ich denke, dass es für die jungen Menschen bei uns wichtig ist, zu erfahren, was katholische Kirche eigentlich bedeutet: dass wir eine weltweite Gemeinschaft sind, die uns zusammenhält und uns voranbringt. Gerade bei Firmungen merke ich das immer wieder. Deswegen sind wir in Schulen unterwegs, zum Beispiel mit unserem Projekt „missio for life“ (vgl. Gemeinde creativ September-Oktober 2015). Dabei können Jugendliche lernen, wie es Gleichaltrigen in anderen Ländern geht, welche Sorgen und Nöte sie haben. Außerdem ist unser Fluchttruck auf Tour. Darin kann man erleben, was es heißt, auf der Flucht zu sein.
Markenzeichen der katholischen Kirche ist ihre Vielfalt. Im weltkirchlichen Bereich gibt es viele Akteure. Welche Formen der Zusammenarbeit gibt es hier?
Unsere Aufgabe als päpstliches Hilfswerk sehe ich im Moderieren und darin, zu schauen, wie man gemeinsam Dinge auf den Weg bringen kann. Wir sind für die bayerischen (Erz-)Diözesen und Speyer zuständig, suchen stets die Kooperation mit den Bistümern, aber natürlich auch mit den Pfarrgemeinden und kirchlichen Verbänden. Wir bieten Expertise, Kontakte und Information. Wir können ein Stein des Anstoßes sein, wollen aber, dass die Menschen dann selbst engagiert mit dabei bleiben. Seit 2014 gibt es jedes Jahr eine Delegationsreise mit Vertretern des jeweiligen Bistums, welches den Weltmissionssonntag ausrichtet. Das hat sich inzwischen bewährt und die Bistümer schätzen diese Möglichkeit. Hier entstehen Kontakte, die dann auch über die Weltmissionskampagne hinaus bestehen bleiben.
Was halten Sie von dem „Marshall-Plan mit Afrika“, den Bundesentwicklungsminister Gerd Müller fordert?
Ganz wichtig ist das kleine Wörtchen „mit“ – es ist ein Marshallplan mit Afrika, nicht für Afrika. Das ist ganz in unserem Sinn. Ich halte den Vorschlag von Bundesminister Gerd Müller für eine gute Möglichkeit, dass tatsächlich vor Ort Dinge vorankommen, dass die junge Bevölkerung in Afrika eine Vision haben kann. Das ist der Knackpunkt. Einfach nur Geld überweisen bringt nichts, ein Gebäude bauen und sich dann zurückziehen, auch nicht. Es ist wichtig, dass in Afrika Perspektiven geschaffen werden, dass Firmen dort gerne investieren, damit Arbeitsplätze entstehen und junge Menschen eine Zukunft im eigenen Land sehen.
Was können wir von den Menschen in Afrika, Lateinamerika oder Asien lernen?
Was immer als erstes auffällt, ist die Glaubensfreude, die diese Menschen ausstrahlen. Viele von ihnen leben unter der Armutsgrenze, haben große Sorge um ihr Auskommen, aber sie haben eine tief verwurzelte Lebensfreude – und sie haben Hoffnung, einen festen Glauben an die Zukunft. Das ist etwas, was uns als „gesättigte Katholiken“ durchaus immer wieder neu motivieren kann. In Afrika laufen die Menschen manchmal neun, zehn Kilometer für einen Gottesdienst, sie kommen dann in der Steppe bei größter Hitze zusammen, aber sie klagen nicht, sie freuen sich und feiern gemeinsam. Manchmal sollten wir aufhören nur in Strukturen zu denken, sondern kreativ sein, Neues wagen und die Freude am Glauben wieder spüren lernen und sie nach außen tragen.
Mit Papst Franziskus steht ein Mann aus Lateinamerika an der Spitze unserer Weltkirche. Was hat sich mit ihm verändert?
Als Papst Franziskus gewählt wurde, war ich noch Dompfarrer. Die Journalisten wollten Stimmen zum neuen Papst sammeln, was sich schwierig gestaltete, weil niemand Jorge Mario Bergoglio so wirklich gut kannte. Ich kannte ihn auch nicht, aber ich habe damals trotzdem ein Interview gegeben und ich habe gesagt: „Er ist ein Papst aus Lateinamerika. Er wird uns zeigen, dass wir in Europa nicht der Mittelpunkt der Welt sind.“ Und genau das tut er. Papst Franziskus sagt: „Geht an die Ränder, und schaut, wie die Menschen leben.“ Er zeigt uns, was Kirche sein kann und wie sie gelebt werden darf – das ist wirklich großartig.

Äthiopien steht heuer im Fokus des Weltmissionsmonats. Bei der Delegationsreise hat Monsignore Huber gemeinsam mit dem äthiopisch-katholischen Kardinal Berhaneyesus Souraphiel und Bischof Rudolf Voderholzer die Weltmissions-Kerze entzündet.
Der Weltmissionsmonat steht vor der Tür, Beispielland ist heuer Äthiopien. Können Sie uns etwas über die diesjährige Kampagne berichten?
Äthiopien ist ein wunderbares Land, aber doch etwas untypisch für Afrika: es ist nicht so heiß, wie man es von Afrika erwartet und teilweise sehr bergig, die Hauptstadt Addis Abeba liegt auf über 2.000 Metern. Zudem ist es das einzige Land Afrikas, das nie unter einer kolonialen Herrschaft stand. Man geht ja davon aus, dass Äthiopien die Wiege der Menschheit ist und dass die Bundeslade in Axum liegt, was es auch kulturgeschichtlich interessant macht. Katholiken machen nur einen geringen Teil der Bevölkerung aus, aber die katholische Kirche ist ein wichtiger Teil der Gesellschaft, gerade mit Blick auf Schulbildung. Mit Abiy Ahmed Ali als Premierminister besteht nun endlich die Chance auf Frieden zwischen Äthiopien und Eritrea, was unserer diesjährigen Kampagne nochmals zusätzliche Aktualität verleiht. Es wäre so wichtig, hier eine Aussöhnung auf den Weg zu bringen, denn beide Länder haben sehr gelitten. Im Oktober, dem Weltmissionsmonat, haben wir natürlich wieder viele Gäste aus Äthiopien nach Bayern eingeladen, die man bei verschiedenen Veranstaltungen erleben und gerne auch in die Pfarreien einladen kann. Diese persönlichen Begegnungen sind immer etwas ganz besonderes!
Fotos: missio München
Monsignore Wolfgang Huber (Jahrgang 1962), geboren in Reit im Winkl, ist seit 2014 Präsident des päpstlichen Hilfswerks missio in München. Zuvor war er gut zwölf Jahre lang Pfarrer der Münchner Dompfarrei Zu Unserer Lieben Frau. Monsignore Huber wurde 1989 vom damaligen Münchner Kardinal Friedrich Wetter in Freising zum Priester geweiht. Anschließend war er Kaplan in München, dann Präfekt des Studienseminars in Traunstein.
Der Weltmissionssonntag ist die größte Solidaritätsaktion der Katholiken weltweit. Um die im 19. Jahrhundert entstandenen missionarischen Initiativen besser zu koordinieren, rief Papst Pius XI. 1926 erstmals den Weltmissionssonntag aus. Jedes Jahr wird seither in gut 100 Ländern für die soziale und pastorale Arbeit in den 1.100 ärmsten Diözesen der Welt gesammelt. Weltmissionssonntag ist heuer am 28. Oktober 2018. Im Mittelpunkt der Kampagne in Deutschland steht Äthiopien. Im Vorfeld organisiert missio den Monat der Weltmission mit zahlreichen Aktionen. „Gott ist uns Zuflucht und Stärke“ (Ps 46) lautet das diesjährige Leitwort. Obwohl die katholische Kirche in Äthiopien weniger als ein Prozent der Bevölkerung ausmacht, leistet sie einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag. Sie betreibt Schulen und Kliniken, engagiert sich im interreligiösen Dialog, hilft Flüchtlingen, Armen und Bedürftigen. Das Plakatmotiv zeigt junge Katholikinnen im Bergdorf Agaro-Bush in der Region Kaffa am „Fest Gottes des Vaters“, das katholische und orthodoxe Christen in Äthiopien am 7. April feiern. Nach dem Festgottesdienst umrunden die Gläubigen in einer Prozession dreimal die Kirche und führen dabei eine Darstellung der Bundeslade mit sich.