Liebe Leserin, Lieber Leser,
bei der Vorbereitung dieser Ausgabe habe ich mich gefragt, wann und wo ich eigentlich Demokratie gelernt habe – und ich muss zugeben, dass mir keine wirklich gute Antwort dazu eingefallen ist. In der Schule hieß „Demokratie“ oft, entweder am lautesten schreien – beispielsweise wenn es darum ging, welches Buch als neue Lektüre ausgewählt werden sollte oder wer sich für das Amt des Klassensprechers zur Verfügung stellen wollte – oder aber es hieß, sich der Meinung der Lautesten und Beliebtesten in der Klasse anzuschließen, damit war man immer auf der sicheren Seite. Es hieß aber auch „wegducken“ und hoffen, dass der eigene Name nicht genannt wurde, wenn es um weniger beliebte Aufgaben wie das Führen des Klassenbuches ging.
Schon ein bisschen stolz war ich dann, als zum ersten Mal die Wahlunterlagen nach Hause kamen – mein erstes demokratisches Kreuz, und ich war sowas von überfordert! Es war eine Kommunalwahl, die Wahlzettel riesig, das Prozedere kompliziert und all diese Namen, die mir so gar nichts sagen wollten…
Trotz der anfänglichen Startschwierigkeiten ist aus mir dann doch eine ganz passable Demokratin geworden – weil ich der festen Überzeugung bin, dass die Demokratie die einzig richtige Form für ein gutes, gelingendes Zusammenwirken und Zusammenleben ist. Wegducken ist längst keine Lösung mehr. Die Beiträge in dieser Ausgabe von Gemeinde creativ wollen das zeigen – sie rücken aktive Demokraten in den Mittelpunkt, die durch ihren Einsatz und ihre Haltung das Leben in Staat, Gesellschaft und Kirche mitgestalten. Im Interview geht der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Peter Küspert, auf das manchmal nicht ganz einfache Verhältnis zwischen Staat und Kirche ein. Wir fragen, wie viel Freiheit Religion und Demokratie vertragen und welche Rolle Religion in einem säkularen Staat spielen kann und muss.
Demokratie ist vielseitig, sie ist ein bunter Strauß an Meinungen, die man auch mal aushalten muss – und Demokratie ist Zukunft. Dafür steht das kleine Mädchen mit den Luftballons auf dem Cover dieser Ausgabe. Demokratie bedeutet, tolerant zu sein, sagt Rudi Schmidt im Kommentar. Demokratie bedeutet auch: Argumente und Meinung auszutauschen, andere Sichtweisen gelten zu lassen, um Positionen zu ringen. Und Demokratie bedeutet: Kompromisse finden, zurückstecken, leidensfähig sein, wenn die eigene Meinung überstimmt wird. Das alles lernen junge Menschen in der katholischen Jugendarbeit. Unsere Jugendverbände sind Werkstätten für Demokratie – drei Stimmen dazu lesen Sie auf den Seiten 22/23.
Ihre
Alexandra Hofstätter, Redaktionsleiterin
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