Kompetenzzentren helfen mit Argumentationstraining gegen Stammtischparolen
Rechtsextreme Ansichten kommen nicht nur bei Demonstrationen oder in politischen Debatten zum Vorschein, auch im Alltag macht sich vielfältiger Rechtspopulismus und Rechtsextremismus bemerkbar. Nicht selten ist die Menschenwürde in Gefahr. Aufgrund neuer rechter Bewegungen verstärken die bayerischen Bischöfe den Einsatz für gesellschaftliche Teilhabe und Demokratie. Im April 2018 wurde das Kompetenzzentrum für Demokratie und Menschenwürde mit den zwei Standorten in Freising und Nürnberg ins Leben gerufen und gemeinsam von Claudia Pfrang, Direktorin der Stiftung Bildungszentrum, und Siegfried Grillmeyer, Direktor der Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus, vorgestellt.
Schon immer bestand die Notwendigkeit, politische Bildung zu verorten und ihr ein „Zuhause“ zu verschaffen. Aus diesem Grund wurden an den bereits bestehenden Bildungseinrichtungen im Norden Bayerns (Caritas-Pirckheimer-Haus) und im Süden (Kardinal-Döpfner-Haus) die Kompetenzzentren für Demokratiearbeit gegründet, wo politische Bildung eine „Heimat“ haben und in die Regionen „hineinstrahlen“ soll – eine bayernweite Bestätigung für politisches und gesellschaftliches Engagement. Beide Zentren engagieren sich zwar schon seit Jahren in der politischen Bildung, wollen aber nun das Angebot verstärken. Das Motto der beiden Zentren lautet dabei: „Bei uns haben menschenverachtende Parolen keinen Platz“. Insgesamt werden dem Nürnberger Caritas-Pirckheimer-Haus (cph) und dem Freisinger Kardinal-Döpfner-Haus für zwei Jahre 200.000 Euro Projektmittel zur Verfügung gestellt. Damit sollen die beiden Bildungszentren bis Anfang 2020 zusätzliche Programme und Aktivitäten entwickeln.
„Veranstalten – Vernetzen – Vermitteln“
Schon vor der offiziellen Ernennung der Kompetenzzentren waren viele der Angebote gerade in Nürnberg feste Bestandteile im Programm. „All diese Aufgaben sind nichts Neues und wir fangen nicht bei null an, da wir uns schon seit Langem mit diesen Themen und Problemen beschäftigen“, erklärt Siegfried Grillmeyer. Hierzu zählen unter anderem Angebote zum interkulturellen Lernen und zu Menschenrechten, die sowohl für Erwachsene als auch für Jugendliche angeboten wurden. „Als katholische Akademie müssen wir uns für das Gemeinwohl einsetzen“, betont er. Neben dem angemessenen Umgang mit Konflikten sei auch das „Lernen“ von Demokratie von großer Bedeutung.

Kleine Plakette, große Wirkung: Das Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg und die Stiftung Bildungszentrum am Kardinal-Döpfner-Haus in Freising sind seit 2018 „Kompetenzzentren für Demokratie und Menschenwürde“.
Die Kompetenzzentren beteiligen sich zurzeit auch am Projekt „Den Menschen im Blick“ der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Dabei soll die Vielfalt der deutschen Gesellschaft als Chance begriffen werden und ein freies, sicheres Leben ermöglichen. Mithilfe von professionellen Schulungen soll Diskriminierung und Rassismus in Beruf und Alltag entgegengewirkt werden. Zur Zielgruppe gehören vor allem staatliche, zivilgesellschaftliche und kirchliche Institutionen sowie Multiplikatoren.
Einen weiteren Fokus legen die Demokratiezentren auf die Vernetzung von katholischen Institutionen, Einrichtungen, Gremien, Schulen, Pfarreien sowie Diözesen, die rechtsextremen, rassistischen und menschenverachtenden Tendenzen in Kirche und Gesellschaft entgegentreten. „Die Vernetzung ist kirchenintern wichtig, aber auch eine Vernetzung mit der Öffentlichkeit soll erreicht werden“, sagt Claudia Pfrang. Beide Kompetenzzentren sehen sich als Teil der Bildungs- und Zivilgesellschaft.
Treten bestimmte Vorfälle auf oder werden Beratungen von Einrichtungen und Gruppen benötigt, ist es ebenso die Aufgabe der Kompetenzzentren, in solchen Fällen zu unterstützen und eventuell auch kompetente Experten weiterzuvermitteln.
Die Nachfrage von katholischen Einrichtungen und Gruppen nach Unterstützung gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Hier helfen die Kompetenzzentren mit Argumentationstrainings gegen Stammtischparolen und Ratschlägen für den Umgang mit sozialen Netzwerken. „Bei solchen Themen ist es besonders wichtig, reflektiert und sensibel zu sein“, sagt Claudia Pfrang. In Südbayern ist aktuell ein Projekt zur Förderung digitaler Zivilcourage geplant. Hierzu zählt beispielsweise der Umgang mit Falschaussagen in Sozialen Medien.
Sensibilisieren und Bewusstsein schaffen
Durch vielfältige Schulungen und Seminare soll unter anderem Bewusstsein geschaffen und gestärkt sowie die Teilnehmenden für diese Themen sensibilisiert werden. Besonders die Reaktionsfähigkeit gegenüber Rassismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit soll gefördert werden. „Unser derzeitiges Ziel ist es, in diesem Bereich neue Konzepte zu entwickeln, neue Zielgruppen zu erreichen und Menschen zu befähigen, sich politisch zu engagieren“, erklärt Siegfried Grillmeyer. Mithilfe von Öffentlichkeitsarbeit und Kampagnen soll auch die Gesellschaft sensibilisiert und angesprochen werden und sich mit diesen immer wichtiger werdenden Themen auseinandersetzen.
Begegnet man jemandem mit einer rechtsextremen Ansicht, wissen viele Menschen nicht, ob oder wie sie sich auf ein Gespräch einlassen sollen. Wie reagieren kirchliche Gemeinden in solchen Situationen? Beide Direktoren der Kompetenzzentren haben eine klare Meinung zum Umgang mit rechtsextremen und populistischen Parolen und Äußerungen: „Besonders bei den jetzigen Herausforderungen ist es wichtig, Brücken zu den Andersdenkenden zu bauen und bei inakzeptablem Verhalten Grenzen zu setzen“, betont Siegfried Grillmeyer. Auch im Pfarrgemeinderat sei es relevant, auf Grenzüberschreitungen aufmerksam zu machen und „rote Linien“ zu markieren.
Dabei soll der Dialog nicht abgebrochen werden – stattdessen soll klar und deutlich kommuniziert werden. „Abhängig von der jeweiligen Situation ist es sinnvoll, während der Diskussion auf eine sachliche Ebene zurückzugehen und nicht zu sehr von Emotionen gefangen zu sein“, fügt Claudia Pfrang hinzu. Für sie spielt eine deutliche und rationale Argumentation eine große Rolle. „Da es sich bei populistischen Aussagen meist um vage Aussagen handelt, sollte man den Gesprächspartner auffordern, konkret zu werden“, erklärt sie. Zudem solle man sich innerhalb einer Diskussion Verbündete suchen, wenn man selbst mit der Situation überfordert ist.
Gerne geben Claudia Pfrang und Siegfried Grillmeyer Hilfesuchenden in Pfarrgemeinden den Ratgeber Was tun gegen ‚rechts‘!? an die Hand. Die handliche Publikation bietet Empfehlungen für den Umgang mit Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in Kirche und Gesellschaft. Das Buch vermittelt Grundkenntnisse, möchte Aufmerksamkeit schaffen für die Problemstellungen und Herausforderungen in diesem Bereich und macht deutlich, warum eine „klare Kante“ gegen ausgrenzende Haltungen aus christlicher Sicht unabdingbar ist. Zudem nennt es Ansprechpartner und Anlaufstellen und gibt konkrete Empfehlungen für die Praxis. Es wird unter anderem den Fragen „Was sind Ursachen und Erscheinungsformen rechter Strömungen?“, „Wie können mögliche Handlungsoptionen aussehen?“ und „Welche konkreten Maßnahmen gibt es?“ nachgegangen.
Foto: Muhadj Adnan und Fotomek / Adobe Stock