Bis zur Erfindung des Buchdrucks wurden Texte per Hand abgeschrieben. Die Arbeit machten zumeist Mönche in Klöstern. Die Handschriften waren oft aufwendig verziert und mit Bildern ausgeschmückt.
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Um das Jahr 1450 erfindet Johannes Gutenberg ein neues Druckverfahren. Die Bibel in der Übersetzung Martin Luthers wird der erste Buch-Bestseller der Geschichte und Martin Luther einer der Wegbereiter der modernen deutschen Sprache.
An der Wende vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit steht eine Zeit des Aufbruchs und des Entdeckergeists. In vielen Bereichen der Wissenschaft werden neue, aus heutiger Sicht bahnbrechende, Erfindungen gemacht. Aber auch die Lebenswelten der Menschen verändern sich durch neue Errungenschaften. Martin Behaim entwirft den ersten Globus, Kopernikus das heliozentrische Weltbild, Peter Henlein die Taschenuhr. Es ist die Zeit Leonardo da Vincis, die Zeit, in der Christoph Kolumbus, Vasco da Gama und Ferdinand Magellan die Ozeane befahren und bis dahin unbekannte Welten entdecken. In dieser Zeit lebt Martin Luther. Der spürbare Wind des Wandels prägt auch den Reformator. Aber, die Reformbewegung innerhalb der Kirche wäre anders verlaufen, hätte es nicht eine ganz entscheidende Neuerung gegeben: Den Buchdruck.
Im Mittelalter waren Bücher etwas ausgesprochen Wertvolles. Sie waren teuer, ihre Herstellung war aufwendig. In stundenlanger Arbeit haben Mönche die Texte von Hand abgeschrieben und sie mit schmuckvollen Lettern und Bildern verziert. Das dauerte lange, Fehler beim Abschreiben kamen häufig vor. Jedes fertige Buch war damit aber auch ein Unikat. Im Spätmittelalter entstanden Schulen und Universitäten. Die Nachfrage an Büchern stieg. Weil die schreibkundigen Mönche den Bedarf alleine nicht mehr bewerkstelligen konnten, entstanden erstmals auch weltliche Schreibstuben. Aber noch immer waren Bücher etwas, das einer gebildeten und wohlhabenden Elite vorbehalten war. Lesen konnte sie das gemeine Volk ohnehin nicht, zumal sie in lateinischer Sprache verfasst waren.
Martin Luther hatte eine Vision. Er wollte, dass alle Menschen, vom einfachen Bauern bis zum Adeligen, die Bibel selbst lesen und verstehen konnten. Dazu brauchte es zwei Dinge: Eine verständliche Übersetzung in die Volkssprache und genügend Bibeln, um das Wort Gottes direkt zu den Menschen bringen zu können.
LUTHERS BIBELÜBERSETZUNG
Um das Jahr 1500 gab es bereits erste Bibelübersetzungen in der Volkssprache. Sie alle basierten auf der „Vulgata“, der spätantiken lateinischen Bibelfassung. Beim Volk kamen sie nicht sonderlich gut an. Martin Luther wählt einen anderen Weg. Er schafft eine ganz neue Bibelübersetzung, die vor allem auf dem griechischen und hebräischen Urtext beruht. Hilfe bei seiner Übersetzungsarbeit erhält er von seinem Freund Philipp Melanchthon, ebenfalls ein bedeutender Reformator. Luther geht akribisch genau bei seiner Übersetzung zu Werk. Anders als seine Vorgänger übersetzt er nicht Wort für Wort, sondern freier. Er will „dem Volk aufs Maul schauen“, will, dass seine Übersetzung verstanden wird und orientiert sich deswegen an der Alltagssprache der Menschen seiner Zeit. Er übersetzt nach dem Prinzip: „Man muss nicht die Buchstaben in lateinischer Sprache fragen, wie man soll deutsch reden, sondern man muss die Mutter im Hause, den gemeinen Mann auf dem Markt darum fragen und danach dolmetschen, so verstehen sie es dann.“
Seine Wortwahl und pragmatische Ausdrucksweise spiegeln das wider. Luther und seiner Bibelübersetzung verdanken wir Begriffe wie „Denkzettel“, „Feuereifer“, „Herzenslust“ oder „Nächstenliebe“, aber auch Sprachbilder wie „ein Dorn im Auge“, „seine Hände in Unschuld waschen“ oder „Hochmut kommt vor dem Fall“.
In einer Rekordzeit von nur elf Wochen übersetzt Martin Luther das Neue Testament auf der Wartburg. Es wurde 1522 unter der Bezeichnung „Septembertestament“ veröffentlicht. Bereits im Dezember desselben Jahres waren die 3.000 Exemplare der ersten Auflage vergriffen. Ein Buch kostete damals anderthalb Gulden. Das war deutlich günstiger als die handgeschriebenen Versionen, aber immer noch viel Geld: anderthalb Gulden kostete etwa auch ein ganzes Kalb. Für die Übersetzung des Alten Testaments braucht Luther deutlich länger. Erst zwölf Jahre später, 1534, ist sie fertig.
DIE REFORMATION ALS MEDIENEREIGNIS
Bis zu Martin Luthers Tod im Jahr 1546 wurden mehr als 100.000 Gesamtausgaben seiner Bibelübersetzung verkauft. Die neue Sprache alleine hätte jedoch nicht ausgereicht. Dass seine Bibelübersetzung zum ersten Buch-Bestseller der Geschichte wurde, hat Martin Luther ganz entscheidend einem Mann zu verdanken: Johannes Gutenberg.

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Dieser Johannes Gutenberg wird landläufig gerne mit der Erfindung des Buchdrucks gleichgesetzt. Genaugenommen ist das nicht richtig. Den Buchdruck als solchen gab es bereits, als Johannes Gutenberg um 1450 mit einer neuen, einfacheren Methode experimentierte. Er erfand nicht den Buchdruck selbst, sondern nur ein neues Druckverfahren mit beweglichen Lettern. Dabei werden kleine, einzelne Metallbuchstaben in Zeilen aneinandergereiht und so zu einer Druckvorlage zusammengesetzt. Mit dieser Idee revolutionierte Gutenberg den Buchdruck. So war es möglich, schnell und vor allem kostengünstiger als zuvor, auch umfangreiche Schriftwerke in größerer Stückzahl zu drucken. Die Bibel wurde das erste in so hoher Auflage gedruckte Buch der Welt – und ist bis heute eines der meistverkauften Bücher auf dem Globus geblieben.
„Die hohen Wohltaten der Buchdruckerei sind mit Worten nicht auszusprechen. Durch sie wird die Heilige Schrift in allen Zungen und Sprachen eröffnet und ausgebreitet, durch sie werden alle Künste und Wissenschaften erhalten, gemehrt und auf unsere Nachkommen fortgepflanzt“, schreibt Martin Luther in seinen Tischreden. Er hat den Wert und die Bedeutung der Erfindung Gutenbergs für seine eigene Vision erkannt.
Man schätzt die Gesamtauflage von Luthers hochdeutscher Bibelausgabe auf etwa eine halbe Million Exemplare. Das ist fast ein Drittel der deutschsprachigen Buchproduktion in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Damit hatte Luther ungeplant noch etwas erreicht: Die „Luther-Bibel“ hatte eine sehr große räumliche Verbreitung. Immer mehr Autoren orientierten sich daraufhin an seiner Sprache, dem sogenannten „Luther-Deutsch“ und verwendeten es in ihren eigenen Schriften. Allmählich bildete sich eine einheitliche deutsche Schriftsprache heraus. Martin Luther war also auch einer der Wegbereiter der modernen deutschen Sprache.
NACHWIRKUNGEN
„Kein Reich, keine Religion, kein Stern hatten größeren Einfluss auf die menschlichen Angelegenheiten als Buchdruck, Schießpulver und Kompass“, schreibt Francis Bacon im Jahr 1620 in seinem Novum Organum. Die tatsächliche Bedeutung des Buchdrucks für den Lauf der Geschichte wurde in der Folge immer wieder – teils sehr kontrovers – diskutiert. Fakt ist jedoch: Der Buchdruck ermöglichte eine exakte Reproduktion von Wissen in einem nie zuvor gekannten Ausmaß und trug damit auch zur Alphabetisierung der Bevölkerung bei. Wissen wurde allgemein zugänglich, Bildung war plötzlich etwas, das für nahezu jedermann zugänglich erschien. Und es begann mit der Bibel.