Kolumne
Zündende Idee
Nun ist es ja nicht so, dass Mann, 50 plus und alleinstehend, nicht mehr flirten, keine Dates mehr vereinbaren oder keine Beziehungen mehr zum weiblichen Geschlecht aufbauen dürfte. Im Gegenteil: schon in der Bibel lesen wir: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist“ (Genesis 1, 14).
Um dem Wunsch nach Zweisamkeit nachzukommen, bieten sich verschiedene Möglichkeiten: der eigene Freundeskreis, der aber vermutlich schon gecheckt wurde; spezielle Partys für Ältere, auf denen es meist einen Überschuss an paarungswilligen Männern gibt; Tanz- oder Fitnesskurse, die womöglich auch nicht den gewünschten Erfolg bringen; Urlaubs- und Ferienreisen, die allerdings in einem Ambiente ohne Alltagserfahrung ablaufen. Über Begegnungsmöglichkeiten in Lokalitäten mit eindeutigem Charakter soll hier nicht weiter spekuliert werden.
Den guten alten Annoncen „mit Herz“ in der Tageszeitung oder in anderen gedruckten Medien haben schon vor längerer Zeit so genannte „Dating-Portale“ im Internet den Rang abgelaufen. Hier gibt es eine ganze Reihe unterschiedlicher Optionen, sich zu präsentieren, die nicht selten von der Zielgruppe und oft auch von der Zielsetzung abhängen. Wer eine dauerhafte Partnerschaft eingehen möchte, wählt sich eine andere Plattform als derjenige, der eher auf eine kurzfristige Beziehung aus ist.
Allerdings trifft auf alle Formen der Anbahnung einer neuen Beziehung der Wunsch nach Echtheit und Ehrlichkeit zu. Beide, Frau und Mann, möchten schließlich wissen, auf wen man sich einlässt und mit wem man sich treffen will. Deshalb mutet es einigermaßen merkwürdig an, wenn ein 69-Jähriger erzählt, er möchte sich gerne verjüngen – nicht unbedingt medizinisch mit Face-Lifting oder ähnlichen Maßnahmen, sondern durch eine Manipulation seines Ausweises.
Es müsse doch möglich sein, sein Geburtsjahr um 20 Jahre nach vorne zu datieren, um damit 20 Jahre jünger zu sein. Auf dem Dating-Portal tinder.com (auf Deutsch: Zunder) würde schließlich nach den Ausweisdaten gefragt, um eben keine Fakeprofile präsentieren zu können. Aber als 69-Jähriger habe er einfach keine Chance, jüngere Frauen kennen zu lernen. Deshalb sei er förmlich gezwungen, sich jünger zu machen, so sein Klagelied.
Abgesehen vom Tatbestand einer Urkundenfälschung, die eine Ausweismanipulation strafbar macht, stellt man sich mit einem gewissen Amüsement vor, wie schnell das Treffen mit einer hübschen 45-Jährigen beendet sein wird, wenn sie anstelle des erwarteten 49-jährigen attraktiven Mannes einen ergrauten Fast-Siebziger vor sich sieht. Die vermeintlich zündende Idee dürfte so schnell erloschen sein wie ein Zündholz.
Ein Poller von Interesse
Sie haben ihm
viel zugemutet
Gleich mehrere Frachtkähne
an ihm festgemacht
Doch er liebt
die Herausforderung
Strotzt vor Kraft
Gibt alles
Ist auf dem Kai
der stille Star
Friedrich Hirschl (2017), Stilles Theater. Edition Lichtung.
Friedrich Hirschl wurde 1956 in Passau geboren,
studierte dort Philosophie und Theologie.