Eine gute und deutliche Aussprache ist das eine, die innere Anteilnahme das andere. Ein Beten ohne echte Beteiligung geht über die Köpfe hinweg und verhallt ungehört.
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Wie Liturgie verständlich und faszinierend sein kann
„Jetzt bin ich aber sprachlos“ – wer solches sagt, verwickelt sich sofort in einen Widerspruch. Schließlich sagt er ja doch etwas, ist also nicht wirklich sprachlos. Gemeint sind damit eher die eigene Ratlosigkeit und Hilflosigkeit oder auch Überraschung und Bewunderung. Der Satz macht deutlich, dass wir gerade eines unserer wichtigsten Kommunikationsmittel beraubt sind, der Sprache.
Natürlich sind wir Menschen in gleicher Weise visuelle Menschen, die viele Informationen über Bilder aufnehmen. Auch Sie selbst nehmen die zentralen Inhalte von Artikeln zunächst über die Bilder und vielleicht noch über die Bildunterschriften wahr. In Gemeinde creativ ist das nicht anders – da machen wir uns nichts vor. Und jeder halbwegs gut ausgebildete Marketingexperte wird in seinen Konzepten berücksichtigen, dass Produkte und Botschaften zuerst über Bilder verkauft werden.
Aber ganz ohne Worte kommt keine Werbestrategie, kommt kein gedrucktes Medium, ja nicht einmal das Fernsehen aus. Der Hörfunk sowieso nicht. Und sogar im Internet sind Details von Nachrichten nur über Sprache zu transportieren; und selbst bei vielen Videospots heißt es, man solle sie nicht stumm ansehen, sondern mit Ton.
Die Sprache ist und bleibt eine zentrale Kommunikationsform für uns Menschen. Sie ermöglicht uns ohne größeren Aufwand die spontane, aktive und kreative Gestaltung von Themen, um wichtige Aussagen zur Sprache zur bringen. Ja sie kann als Hilferuf sogar lebensnotwendig sein. Um ihr Ziel zu erreichen, ist sie aber gleichzeitig auf das Hören oder Lesen derjenigen angewiesen, die diese Botschaften erreichen sollen. Sie muss verstanden werden: akustisch, landessprachlich und natürlich auch inhaltlich. Sender und Empfänger müssen auf der gleichen Wellenlänge unterwegs sein.
SPRACHE LEBT
Diese Anforderungen treffen nicht nur auf die alltägliche Kommunikation der Menschen zu, sondern in gleicher Weise auf die Kommunikation in gottesdienstlichen Feiern. Sprache ist kein statisches Gebilde, sondern sie ist lebendig. Der tägliche Sprachgebrauch durch unterschiedliche Menschen verändert im Lauf der Jahre den mündlichen wie auch den schriftlichen Wortschatz. Das darf und kann die Liturgie nicht ignorieren.
Das Sprechen mit und zu Gott soll sich grundsätzlich ja nicht vom Sprechen mit den Menschen unterscheiden. Jesus selbst hat zu den Menschen im Grunde nicht anders gesprochen als zu seinem Vater. Im Gegenteil: Das „Vater unser“ ist das beste Beispiel für ein Gebet, das eine Sprache verwendet, die dem Menschen vertraut ist. Jesu Anrede an den Vater – „abba“ – ist von einer starken inneren, ja geradezu zärtlichen Nähe geprägt.
Diese wenigen Andeutungen lassen erahnen, dass es nicht nur darauf ankommt, was gesagt wird, sondern wie etwas gesagt wird. Bereits vor gut 200 Jahren wurde in wissenschaftlichen Beiträgen das „maschinenmäßige Bethen“ im Gottesdienst kritisiert. Ein eklatantes Problem der früheren Liturgie war der so genannte „Rubrizismus“. Er bezeichnet das formalistische Befolgen der in rot (lat. „ruber“) gedruckten Regieanweisungen in den liturgischen Büchern, allen voran dem Messbuch, ohne den darin enthaltenen Texten wirklich eine Botschaft zu verleihen.
Neben der inneren Anteilnahme ist für die Hörenden entscheidend, das Gesprochene überhaupt verstehen zu können, wozu neben einer klaren Aussprache und guten Akustik auch die Muttersprache zählt. Lateinische, über weite Strecken leise und ohne Esprit gesprochene liturgische Texte erfüllen diese Bedingungen nicht wirklich.
Erschwerend kommt leider bis heute hinzu, dass manche liturgische Texte in einer abgehobenen Kunstsprache verfasst sind, die die Menschen nicht berührt. Das bedeutet kein Plädoyer für eine nachlässige Umgangssprache in der Liturgie. Aber ein Beten ohne echte Beteiligung geht über die Köpfe hinweg und verhallt ungehört. Umso wichtiger ist die Aufgabe für die Vorsteher, Lektoren und Kantoren eines Gottesdienstes, die jeweilige Botschaft überzeugend zur Sprache zu bringen.
Sprache kann dabei in unterschiedlichen Formen zum Ausdruck kommen: als Gebet, als Meditation, als Verkündigung oder als Gesang. Eine klare, verständliche Aussprache ist Grundvoraussetzung dafür, in den Menschen die Faszination für Gottes Botschaft und Jesu Nachfolge wecken zu können. Ebenso müssen für Schwerhörige oder Gehörlose die nötigen technischen Bedingungen für eine aktive Teilnahme stimmen.
Geregelte Abläufe und Riten geben Halt und vermitteln Sicherheit. Schon in der Vorbereitung einer Liturgiefeier sollten sich Vorsteher und Akteure auf wenige Themen fokussieren. Diese Maßgabe gilt auch und gerade für die Predigt. Selbst bei den Fürbitten bedeutet weniger mehr. Auch Christen können und müssen nicht in einer Stunde die ganze Welt retten. Die inhaltliche Fokussierung und die rituelle Sicherheit sollen gleichzeitig genügend Platz für Souveränität und Spontaneität lassen.
UNVERFÄLSCHTE BOTSCHAFT ZUM AUSDRUCK BRINGEN
Das Zweite Vatikanische Konzil wollte durch muttersprachliche und aussagekräftigere Texte wieder die unverfälschte Botschaft von der Nähe Gottes und der Erlösungstat Jesu Christi in den Vordergrund rücken. Deren Wucht kommt an zwei Stellen des Alten Testaments deutlich und klar zum Ausdruck: Adam, wo bist Du? (Gen 3, 9) und Kain, wo ist Dein Bruder Abel? (Gen 4, 9).
Dieser elementare Dialog Gottes mit dem Menschen zeigt, worum es Gott letztlich geht: ich biete Dir eine liebevolle Beziehung an und ich rate Dir deshalb, die Beziehung zu Deinen Mitmenschen sorgsam zu pflegen. Jesus Christus selbst ist der sichtbarste Ausdruck der Liebe Gottes zum Menschen (vgl. Phil 2, 6-11).
Gott nimmt den Dialog mit dem Menschen manchmal aber auch sehr unscheinbar auf. Die Berufung des Samuel (siehe Kasten) ist ein gutes Beispiel dafür. Es lohnt sich also, sehr genau hinzuhören, um Gottes Wort nicht zu überhören. Zeiten der Stille im Gottesdienst sind mitunter enorm wichtig.
Die Berufung des Samuel
Da rief der Herr den Samuel und Samuel antwortete: Hier bin ich. Dann lief er zu Eli und sagte: Hier bin ich, du hast mich gerufen. Eli erwiderte: Ich habe dich nicht gerufen. Geh wieder schlafen! Da ging er und legte sich wieder schlafen. Der Herr rief noch einmal: Samuel! Samuel stand auf und ging zu Eli und sagte: Hier bin ich, du hast mich gerufen. Eli erwiderte: Ich habe dich nicht gerufen, mein Sohn. Geh wieder schlafen! Samuel kannte den Herrn noch nicht und das Wort des Herrn war ihm noch nicht offenbart worden. Da rief der Herr den Samuel wieder, zum dritten Mal. Er stand auf und ging zu Eli und sagte: Hier bin ich, du hast mich gerufen. Da merkte Eli, dass der Herr den Knaben gerufen hatte.
1 Sam 3, 4-8
Die Liturgie will und kann dazu den Raum eröffnen. Sie ist ein Geschenk, ein Gnadengeschehen, weil Christus selbst ihr Träger ist: Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen (Mt 18, 20). Liturgie braucht somit das gemeinschaftliche Feiern der Gläubigen.
Entscheidend ist der innere Zugang zur zentralen Botschaft von Texten und Liedern. Nur wenn sie aus Überzeugung und Liebe zu den Menschen vorgetragen werden, können sie faszinieren. Paulus hält uns vor Augen: Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke (1 Kor 13, 1).