Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: März-April 2021

Schwerpunkt

Ist da draußen jemand?

Foto: Vovan / Adobe stock

Diese Frage ist es, die in unzähligen Science-Fiction-Serien den Erstkontakt zu einer außerirdischen Lebensform herstellt. Aber, ist da draußen wirklich jemand und lassen sich der christliche Glaube und der Glaube an außerirdische Existenzen überhaupt miteinander vereinbaren?

Der Glaube an Gott und der Glaube an außerirdische Lebensformen ähneln sich in einigen Punkten. Einige Anhänger sind in beiden Glaubensrichtungen jeweils von deren Existenz fest überzeugt. Manche unter ihnen glauben, ihnen sogar bereits persönlich begegnet zu sein. Vereinzelte erwarten sich Erlösung. Armin Kreiner erklärt in seinem Buch Jesus, UFOs, Aliens (Herder, 2012) die Faszination darüber, den etwas in die Tage gekommenen christlichen Erlösungsglauben durch hochtechnisierte UFO-Besatzungen zu modernisieren und zu ersetzen. Skeptiker gehen bestenfalls von einer komplexen und hypothetischen Debatte aus oder sie verurteilen beide Bereiche als unseriös und unbedeutend. Dennoch: Die Erfahrung zeigt, mit der Frage, ob wir allein sind im Universum, füllt man jedes Klassenzimmer und jeden Gemeindesaal.

 Außerirdische existieren, zumindest in einigen Köpfen von Philosophen und Theologen. Diese Debatte fand in der Theorie schon in der griechischen Antike zwischen den Atomisten und Vertretern des geozentrischen Weltbildes statt. Für die einen war das Universum unendlich und ohne Zentrum, nichts ist einmalig. Für die Geozentriker hatte jede Bewegung ein Ziel und jedes Element einen festgelegten Ort. Luft geht nach oben, Erde nach unten. Daher kann es auch keine zweite Erde geben.

Die Herausforderung

In der Tradition des Christentums wurden Weltbilder theologisch interpretiert. Die biblische Erzählung vom Paradies, der Bund Gottes mit seinem Volk Israel und die Deutung von Leben, Tod und Auferstehung Jesu als einmaliges und unüberbietbares Erlösungshandeln Gottes erzählen eine Heilsgeschichte. In einem geschlossenen geozentrischen System ist das nachvollziehbar.

Sollten jedoch in einem homogenen unendlichen Universum noch andere Wesen existieren, denen Gott ebenfalls in all seiner Güte zugewandt ist, scheint das Christentum zu einem vereinzelten Homo-Sapiens-Club am Rande des Universums zu verkommen. Es wird zwar die Allmacht des Schöpfers unterstrichen, mehrere Welten zu erschaffen, in denen sein Name gerühmt wird, andererseits erschafft die Erwählung einige wenige Glückspilze und macht leider alle anderen im Universum zu Pechvögeln.

 In der Zeit der Aufklärung wurde dieses Spannungsverhältnis exemplarisch bei Thomas Paine (1737-1809) auf die Spitze getrieben. Sollte es andere Geschöpfe geben, die erlöst werden müssten, hätte „in diesem Fall die Person, die als Sohn Gottes und manchmal auch als Gott selbst bezeichnet wird, nichts anderes zu tun, als von Welt zu Welt zu reisen, in einer endlosen Folge von Geburt, Tod und Auferstehung und einer kurzen Zeitspanne des Lebens.” Da dies offensichtlich absurd ist, war der christliche Glaube als rein irdischer Lug und Trug entlarvt. Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis sich diese Erkenntnis durchsetzt und das Christentum letztlich untergeht.

Der britische Theologe Brian Hebblethwaite (1930-1994) löste den Zwiespalt auf andere Weise. Für ihn galt noch in den 1960er Jahren, dass die Einzigartigkeit der Inkarnation als die höchste und endgültige Offenbarung an die Menschheit der Beweis dafür wäre, dass keine andere Spezies, intelligent und in der Gnade Gottes stehend, existieren würde. Nun gibt es in Kalifornien das SETI-Institut, das sich auf die Suche nach Aliens macht. Mit nur einem einzigen Treffer wäre die gesamte Theologie eines Hebblethwaite hinfällig.

 Die amerikanische Katholikin und Philosophin Marie I. George lehrt an der St. John University in New York und schlägt die Möglichkeit vor, dass zwar die Existenz von Außerirdischen nicht bestritten werden muss, sie jedoch nicht im Stand der Sünde stehen würden und daher keiner Erlösung durch den Kreuzestod auf Golgotha bräuchten. Abgesehen davon, wie so ein paradiesischer Planet in diesem Universum aussehen sollte, würde sie die Frage nach erlösungsbedürftigen Außerirdischen dem Lehramt überlassen. Dieses befürwortet die Existenz von Aliens sogar, weiß allerdings auf die Frage nach deren Verhältnis zu dem wahren Menschen und wahren Gott Jesus Christus keine plausible Antwort. Zu groß ist die Angst, auf diesem Feld zu einem Ketzer zu werden, wie es der Physiker Frank J. Tipler formuliert hat.

Inkarnation als Teil der Schöpfung

Angesichts dieser weltfremden Ratlosigkeit ist es nicht verwunderlich, dass die Frage nach der Existenz von Außerirdischen im Bereich der Theologie grundsätzlicher angegangen wird. Aus diesem Nachdenken entstand ein thematischer Arm innerhalb der spekulativen Theologie, der von dem Autor Steven Dick „Cosmotheology“ genannt wird, nach einer Studie von Ted Peters „Exo-Theologie“ nach dem Beispiel von „Exo-Biologie“, oder auch „Astro-Theologie“. Der Theologe Armin Kreiner, ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls für Fundamentaltheologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, rät jedoch von Astrotheologie wegen der begrifflichen Nähe zur Astrologie verständlicherweise ab.

Um dieser Ratlosigkeit Herr zu werden, hilft es, über das nachzudenken, was wir unter der Person und der Bedeutung von Jesus Christus verstehen. Damit führt der Weg über Außerirdische zur Kernfrage des christlichen Glaubens.

Die Probleme entstehen aus einem bestimmten Verständnis von Inkarnation. Nach Armin Kreiners Ansicht liegt das Problem in der ontologischen Kluft zwischen Inkarnation und Schöpfung, dem Gottmenschen und der Menschheit. Wenn es möglich wäre, die Inkarnation als ein tief in der Schöpfung selbst liegendes Prinzip zu denken, und Jesus Christus als Manifestation des Göttlichen gedacht werden könnte, dann sind weitere Manifestationen des Göttlichen im Universum nicht undenkbar. Die das Universum entscheidende Erlösungstat liegt nicht in einem einmaligen, historischen und unüberbietbaren Ereignis am Rande des Universums, sondern darin, dass das Göttliche wie eine andere Seite der Medaille in der gesamten Schöpfung erfahrbar werden kann. Auf diese Weise kann jedes Geschöpf im Universum an der Erlösung teilhaben, die nicht im Blutzoll am Kreuz auf Golgotha besteht, sondern in der Zuwendung eines bedingungslos liebenden Gottes.

In tiefere Beziehungen eintreten

Das Fazit der Debatte ist, dass nicht jede Form christlicher Überzeugungen mit der möglichen Existenz von Außerirdischen vereinbar ist. Dass Gott die Macht hat, ein unendliches Universum zu erschaffen, darüber sind sich die meisten einig. Die Lehrmeinung, Gott hätte nicht die Macht, mehrere Welten zu erschaffen, wurde schon früh in der Diskussion mit dem Anathema belegt, also als Aberglaube gewertet. Mittlerweile halten sich Theologen Gott sei Dank aus der Debatte heraus, was im Universum existieren darf und was nicht. Andererseits führt das Gedankenexperiment nicht unbedingt zu dem Schluss, dass das Christentum nun seinem Ende entgegen sehen muss. Die Frage, ob wir allein im Universum sind, kann auch Beziehungen beflügeln, warum nicht auch die Gott-Mensch-Beziehung. Unendliche Weiten.


Verfasst von:

Hannes Bräutigam

Redaktionsleiter