Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: März-April 2021

Schwerpunkt

Letzter Ausweg: Flucht

Foto: Jörg Böthling

Die Religionszugehörigkeit ist neben Krieg und politischer Verfolgung für viele Menschen ein Grund zur Flucht.

Wir leben im Zeitalter der Flucht und der Heimatlosigkeit: Noch nie zuvor mussten so viele Männer, Frauen und Kinder fliehen. Vor allem Kriege, aber auch politische Verfolgung und Naturkatastrophen bringen Menschen überall auf dem Globus scharenweise dazu, ihre Heimat zu verlassen. Doch es gibt noch einen weiteren Fluchtgrund: Menschen suchen weit weg neue Gemeinschaften, weil sie ihre Religion dort, wo ihre Heimat bisher war, nicht so frei ausüben können, wie sie das möchten.

Die Welt, in der wir leben, ist derzeit für viele Menschen ein Ort des Schreckens. Verzweifelt kämpfen sie ums Überleben. 79,5 Millionen Menschen waren Ende 2019 laut der UNO-Flüchtlingshilfe aufgrund von Krieg, Verfolgung oder Menschenrechtsverletzungen auf der Flucht. Den Vereinten Nationen zufolge werden weltweit circa 900 Millionen Menschen aus ihren jeweiligen Gesellschaften ausgegrenzt, benachteiligt und zum Teil auch verfolgt, weil sie einer ethnischen oder einer religiösen Minderheit angehören.

„Wie ein Krebsgeschwür“

In Afrika sind zum Beispiel die Bürger von Mali betroffen, sagt Barbara Brustlein vom Internationalen Katholischen Missionswerk missio in München. „In den Städten des Nordens gab es eine Weile wegen der Krise kaum noch kirchliches Leben“, berichtet sie. Aus der Stadt Gao mussten die Priester fliehen: „Derzeit kümmert sich eine engagierte Laiengemeinde um die Pfarrei.“ Tausende Menschen verlassen laut der Chefredakteurin des missio magazins ihre Heimatorte und ziehen in Richtung Malis Hauptstadt Bamako. Dort wachsen deswegen die Elendsquartiere: „Es sind ärmliche Notquartiere auf Müllkippen oder auf Bauruinen.“

Trotz aller Schwierigkeiten ist man um Dialog bemüht: hier ein Treffen von Persönlichkeiten der katholischen und protestantischen Kirche und des Islam in Mali. Foto: Jörg Böthling

Offiziell hat Mali seit dem Sturz der Diktatur 1991 eine demokratische Verfassung. Zwei Jahrzehnte lang galt das Land, in dem Schätzungen zufolge ein bis fünf Prozent Christen leben, aufgrund regelmäßiger Wahlen als gelungenes Beispiel für Demokratisierung. 2012 brach dann im Norden des Landes die Tuareg-Rebellion aus, erinnert Brustlein: „Es folgte der Aufstieg von Terrorgruppen wie al-Qaida im Maghreb, Ansar Dine, Islamischer Staat und einigen anderen.“ Der Terrorismus, äußerte Bischof Jonas Dembelé aus der Diözese Kayes in Mali, sei „wie ein Krebsgeschwür“: „Man bekämpft ihn an einer Stelle. Dann tritt er an einer anderen wieder auf.“

In Indien ist in den vergangenen Jahren ein Klima der Angst und des Misstrauens zwischen den verschiedenen Religionen entstanden. Das zeigt sich vor allem auch in Schulen. Ordensfrauen versuchen dem entgegenzuwirken. Foto: Fritz Stark

Christenverfolgung gibt es aber nicht nur in Afrika, sondern auch in Asien. „Zum Beispiel in Indien“, sagt Brustlein. Bereits in der ersten Amtsperiode des Hindu-Nationalisten Narendra Modi, seit Mai 2014 amtierender Premierminister, sei in Indien ein Klima der Angst und des Misstrauens zwischen den verschiedenen Religionen entstanden. „Leider steht zu befürchten, dass sich diese Entwicklung in den kommenden fünf Jahren noch verschärft“, so die Journalistin. missio-Projektpartner aus Indien berichteten, dass der Dialog zwischen den Religionen, der maßgeblich zum friedlichen Miteinander beigetragen habe, zusehends gefährdet sei.

Die Feindseligkeit gegenüber den Christen im Land nimmt allmählich überhand. „Die Provinzoberin der Apostolic Carmel Sisters in Mumbai, Schwester Nirmala Nazareth, berichtet zum Beispiel, dass sich die Verhältnisse an ihrer Schule massiv verändern“, schildert Brustlein. Hindu-Schüler wollten mittlerweile nicht mehr die Schulbank mit Christen teilen. Hindu-Lehrer nehmen nicht mehr an schulischen Feierlichkeiten teil. Im Land komme es immer öfter zu Gewalt – und zwar nicht nur gegen Christen. Wiederholt sei es in der Vergangenheit zu Lynchmorden gekommen, die sich gegen Muslime, aber auch gegen Dalit oder die indigene Bevölkerung richteten.

Eine Ende 2019 vorgestellte Charta der „New Alliance of Virtue“, einer Allianz verschiedenster Weltanschauungen, will versuchen, den Frieden in muslimischen Gesellschaften zu fördern. Religionsfreiheit wird in der Charta zur ethischen Verpflichtung erhoben, vor allem im Hinblick auf den Schutz von Andachtsstätten. Noch spürt man vielerorts jedoch kaum, dass es diese Charta gibt. So bleibt die Lage für Christen in Ägypten höchst unsicher. Zwar sucht der umstrittene Präsident Abdel Fattah al-Sisi die Nähe zu Kopten und Katholiken. Brustlein: „Aber gegen die marodierenden Terrorzellen auf der Halbinsel vermag der Staat nicht viel auszurichten.“


Titelfoto: Weil vielen Christen die Situation im Norden von Mali zu gefährlich wird, ziehen sie in Hauptstadt Bamako. Hier gibt es aktive christliche Gemeinden. Kardinal Jean Zerbo tauft im Rahmen einer Sonntagsmesse am „Tag des geweihten Lebens“.


Verfasst von:

Pat Christ

Freie Autorin