Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: März-April 2021

Kolumne

Nachwuchsmangel

Foto: Sergey / Adobe stock

Vor einiger Zeit war auf den Seiten des Nachrichtenportals katholisch.de zu lesen, dass Exorzisten über Nachwuchsmangel klagten. Schätzungsweise 500.000 Menschen suchten allein in Italien jährlich die Hilfe durch ausgebildete Teufelsaustreiber, so die Mitteilung.

Viele Christen glaubten nicht mehr an die Existenz des Bösen. Tatsächlich steige aber die Zahl diverser Abhängigkeiten etwa in Sekten extrem an. Die internationale Vereinigung katholischer Exorzisten nannte als Grund eine steigende Zahl von Menschen, die „sich an Magier wenden, an Hexen, an Leute, die Karten legen“. Diese Vereinigung wurde Anfang 2014 von Papst Franziskus als private rechtsfähige Gesellschaft anerkannt und ist in rund 30 Ländern tätig.

Es wäre vermessen, darüber zu spekulieren, wer sich mit wem in Konkurrenz sieht auf dem Markt der vielen religiösen und pseudoreligiösen Wege, die nicht selten einem Labyrinth gleichen. Am Ende führen aber vermutlich doch nicht alle Wege zum Ziel der persönlichen Erleuchtung oder Erbauung.

Unbestritten dürfte jedoch sein, dass gerade die Auswirkungen der Corona-Pandemie gezeigt haben, wie schnell Menschen aus ihren gewohnten Sicherheiten gerissen werden und damit oft jeglichen Halt, jegliche Orientierung und jegliche Zuversicht verlieren. Das können reale Sicherheiten wie der Arbeitsplatz, die finanzielle Absicherung, die eigene Gesundheit oder die sozialen Beziehungen sein, genauso aber auch die psychische Stabilität. Wenn sie ins Wanken gerät, sind die Auswirkungen für die Betroffenen mindestens so schlimm wie fehlende gesundheitliche oder finanzielle Widerstandskraft.

Ob nun Exorzisten einen Beitrag zur Stabilisierung verunsicherter Menschen leisten können, darf bezweifelt werden. Ihr Metier ist eher die Heilung von Besessenheit und bösen Flüchen. Und selbst hier läuft es häufig nicht nach Plan. Nach den verheerenden Folgen des Exorzismus an der Studentin Anneliese Michel, die im Alter von 23 Jahren nach mehreren Exorzismen im Jahr 1976 an Unterernährung starb, kam es auch zu einer Änderung der Vorschriften im „Rituale Romanum“. Nun müssen Priester, die als Exorzisten tätig sind, bei der Begutachtung auch Mediziner und Psychiater hinzuziehen.

Experten im Bereich der kirchlichen Beratung wie der Theologe und Psychotherapeut Jörg Müller berichten vom Bedürfnis mancher Patienten, von dämonischer Besessenheit und bösen Flüchen geheilt zu werden. Die Mehrheit sei traumatisiert aus der Kindheit aufgrund von Missbrauch sexueller, physischer oder emotionaler Art. Das werde meistens verdrängt und könne später Symptome erzeugen, die bisweilen einer Besessenheit zugeordnet worden seien.

Nach der Aufdeckung zahlreicher Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche darf ernsthaft bezweifelt werden, ob gerade hier Exorzismen in irgendeiner Weise hilfreich sein könnten. So gesehen muss uns der Nachwuchsmangel bei Exorzisten nicht allzu viele Sorgenfalten auf die Stirn treiben.


Verfasst von:

Karl Eder

Dr. Karl Eder ist Geschäftsführer des Landeskomitees der Katholiken in Bayern sowie Vorsitzender der Aktion für das Leben e. V. Er ist promovierter Liturgiewissenschaftler.