Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: März-April 2021

Schwerpunkt

Viel für die Zukunft gelernt

Foto: Pat Christ

Etliche digitale „Erfindungen“ aus der Corona-Zeit sollen beibehalten werden.

Es war das Topthema des vergangenen Jahres: Wie gelingt es in kontaktarmen Zeiten, mit den Menschen in Verbindung zu bleiben? Viele digitale Ideen wurden entwickelt. Bereits Etabliertes wurde ausgebaut. Einiges von dem, was nun entstanden ist, soll auch in Zukunft übernommen werden. „Gezeigt hat uns die Krise auf jeden Fall, welchen großen Nachholbedarf die Kirche in Sachen digitaler Glaubenskommunikation hat“, konstatiert Walter Lang, Internetseelsorger im Bistum Würzburg.

Walter Lang musste nicht erst eine große Aktion starten, um während des Lockdowns im Frühjahr 2020 online mit den Menschen in Kontakt zu kommen: Das Bistum Würzburg zählt zu den Pionieren in Sachen Internetseelsorge. Im Herbst 1996 begann der Theologe Uwe Holschuh mit einer privaten Seelsorge im weltweiten Netz. Sein Ziel war es, insbesondere junge Menschen pastoral zu erreichen. Zwei Jahre später gründete Holschuh zusammen mit dem damaligen diözesanen Internetbeauftragten Walter Sauter die offizielle Einrichtung „Internetseelsorge“. Walter Lang ist seit 2015 für diese Seelsorgeform in der Diözese Würzburg zuständig.

Heute gilt die Überfülle an digitalen Angeboten als Problem. Das konnte sich vor 25 Jahren noch kein Mensch vorstellen. Uwe Holschuhs Initiative erregte damals weithin Aufsehen. In der Anfangszeit war Holschuh Einzelkämpfer. Heute gibt es 18 Internetseelsorger. Die werden monatlich zwischen 40 und 50 Mal angefragt. Im Vergleich zu 1996 hat sich das Angebot weiterentwickelt, berichtet Lang: „Wir bieten inzwischen auch Chats an.“ Im nächsten Schritt ist eine feste Chatsprechstunde geplant: „Denn wir haben beobachtet, dass gerade jüngere Nutzer möglichst rasch eine Antwort erwarten.“ Außerdem soll es in naher Zukunft Internetseelsorge auch über Video geben.

Die Corona-Pandemie machte deutlich, welche großen Chancen in der digitalen Glaubenskommunikation stecken. Foto: Pat Christ

Als das öffentliche Leben im Lockdown so streng reglementiert war, dass nicht einmal Gottesdienste live stattfinden durften, gingen viele Pfarreien daran, Online-Alternativen zu kreieren. Für Walter Lang war auch das nichts ganz Neues: Der 58-Jährige engagiert sich bei der 2016 gegründeten „Netzgemeinde da_zwischen“. Bei diesem Projekt kooperieren die Diözesen Speyer, Freiburg, Köln und Würzburg. Zweimal in der Woche wurde in der Vergangenheit ein Impuls über die Messengerdienste WhatsApp, Telegram, Notify und Facebook angeboten. Daraus gingen an Ostern 2020 Chatbot-Gottesdienste hervor: „Dafür haben wir inzwischen 3.500 Nutzer deutschlandweit.“

Im Auto oder im Wald

Dieses Angebot hat sich vorzüglich bewährt, ergab kürzlich die Untersuchung einer Bachelorstudentin zu virtuellen Gottesdiensten. „Es ist für die Menschen schön, dass sie einen Gottesdienst an dem Ort, der ihnen guttut, mitfeiern können“, sagt Lang. Das kann das eigene Wohnzimmer, es kann aber auch das Auto oder der Wald sein. Positiv ist für die Nutzer weiter, dass sie Chatbot-Gottesdienste nicht kontinuierlich mitverfolgen müssen. Wer nicht mehr kann oder mag, wer bei einem Punkt länger verweilen oder ein Lied noch einmal anhören möchte, unterbricht. Auch nach Corona, entschied das Team von „da_zwischen“, soll es dieses Angebot weiterhin geben.

Nach wie vor gibt es Kritiker, die, wie sie selbst es ausdrücken, so einen „Quatsch nicht mitmachen“ möchten: Religiöse Online-Angebote sind in ihren Augen überflüssig oder gar kontraproduktiv. Tatsächlich stellte sich bei einer Umfrage des Würzburger Diözesanrates heraus, dass einige Gläubige seit dem Lockdown nicht mehr in die Kirche kommen, weil sie sich daran gewöhnt haben, Gottesdienste „bequem“ dann zu feiern, wenn es ihnen passt. Doch wer sich dem Digitalen verweigert, so Walter Lang, schneidet sich ins eigene Fleisch: „Die Menschen sind nun mal in den Medien unterwegs und wenn Kirche dort nicht erscheint, verliert sie den Kontakt.“

Solche Worte sind Wasser auf den Mühlen des Pfarrverbands Obergiesing im Erzbistum München und Freising. Hier ist Digitales inzwischen Alltag. Gerade in letzter Zeit unternahm man eine Menge, um digital attraktiv zu werden. So wurde die Homepage neu gestaltet. „Seither stieg die Nutzung exorbitant“, berichtet Gerhard Wastl, Pastoraler Ansprechpartner der Pfarrei. Viele Online-Angebote halfen den Gemeindemitgliedern, im Shutdown ihre Isolation zu überwinden: „Zum Beispiel der tägliche Mittagsgruß als Video, das Angebot Zeit für mich als tägliches Audiofile oder die Online-Gebetsanliegen.“

Mittagsgruß per Video

Kirche muss, um den Anschluss nicht zu verlieren, das World Wide Web mitdenken. Foto: Pat Christ

Die Seelsorger der Pfarrei St. Helena propagieren offensiv eine auch künftig stärker digital ausgerichtete Glaubenskommunikation. „Uns macht bleibend nachdenklich, wie viele und welche anderen Menschen wir auf den neuen Wegen erreichen“, sagt Wastl. Im Schnitt wird die Homepage der Pfarrei täglich 75 Mal angeklickt, in Spitzenzeiten tummeln sich 400 Besucherinnen und Besucher am Tag auf der Seite. Am häufigsten wird der Mittagsgruß per Videobotschaft frequentiert. Den gibt es jeweils mittwochs und sonntags unter dem entsprechenden Menüpunkt auf der Homepage ab 12 Uhr.

Die Erfahrungen aus der Pandemie führen zwangsläufig dazu, dass umgedacht wird: Die Uhren lassen sich nun mal nicht mehr zurückdrehen. „Auch wir werden sicher nicht alles wieder so machen wie vorher“, sagt Wastl. Im Lockdown habe man erleben können, dass „nichts in Stein gemeißelt“ ist: „Keine der gewohnten Formen muss so bleiben, wie sie vermeintlich schon immer war.“

Während der Lockdown bei Älteren zumindest kurzzeitig zur Orientierungslosigkeit geführt hatte, konnten die Jungen ihre großen Kompetenzen in Sachen Digitalität sofort nutzen. Wobei man sich nicht täuschen darf: Auch für Jugendliche und junge Erwachsene ist der persönliche Kontakt letztlich etwas Unersetzliches. „Auch uns ist die Entscheidung, unsere Diözesankonferenz digital abzuhalten, deshalb nicht leichtgefallen“, sagt Jana Sommer von der KjG-Diözesanstelle Bamberg. So einiges an „Verbandsfeeling“ sei dabei verloren gegangen: „Aber es hat dennoch überraschend gut funktioniert.“

Schneller online abstimmen

Bei analogen Konferenzen erhalten Verbände oft eine Absage von Ortsgruppen, die weit weg wohnen, weil diese die Anfahrtswege scheuen. „Bei unserer digitalen Diözesankonferenz haben sich die Ortsgruppen mal untereinander kennen gelernt“, so Sommer. Falls dieser Bedarf weiterhin besteht, wird die KjG dies auch künftig anbieten. Schließlich wurden auf der Konferenz sehr positive Erfahrungen mit einem Online-Voting-System gesammelt. Das hat die Wahlen nicht nur viel einfacher und schneller gemacht: „Sondern auch Papier eingespart, was uns als Verband, der sich viel mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt, freut.“

Auch wenn die Jungen in Sachen Digitales nicht so viel nachzuholen hatten wie die Älteren, lernten auch sie eine Menge aus der Krise. Die KjG Bamberg arbeitete bei ihrer Konferenz zum Beispiel zum ersten Mal mit dem Programm „Antragsgrün“. Das Programm hilft, eine größere Zahl von Anträgen, Änderungsanträgen und Kommentaren übersichtlich, nutzerfreundlich und effizient darzustellen. „Wir konnten dadurch Anträge schon vor der Konferenz bearbeiten und ändern“, erklärt Jana Sommer. Das sparte sehr viel Zeit während der Tagung: „Auch hier werden wir uns nochmal zusammensetzen und überlegen, ob das nicht etwas für die Zukunft wäre.“


Titelfoto: Walter Lang engagiert sich bereits seit 2015 in der Internetseelsorge der Diözese Würzburg.


Verfasst von:

Pat Christ

Freie Autorin