Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Mai-Juni 2021

Schwerpunkt

Glückliche, stolze und strahlende Kinderaugen

Foto: Ralf Sauer

Jugendarbeit in der Corona-Pandemie wichtiger und wertvoller denn je

Mit Beginn der Corona-Pandemie wurde unser aller Leben unvorbereitet und abrupt auf den Kopf gestellt. Alle Menschen in unserem Land waren und sind von den massiven Einschränkungen und deren Auswirkungen betroffen. Der Blick auf Kinder und Jugendliche kam mir im vergangenen Jahr dabei häufig zu kurz. Sie leiden unter dem Lockdown besonders. Schule im Distanz- oder Wechselunterricht, keine Freunde treffen, kein Sport mit Gleichaltrigen. Welche langfristigen Folgen die Pandemie für junge Menschen hat, ist noch unklar. Spuren hat sie aber jetzt schon hinterlassen. Eine zum Jahresanfang vom bayerischen Kinderschutzbund veröffentlichte Studie belegt, dass sich mehr als 70 Prozent der befragten sechs- bis 16-Jährigen durch die Corona-Pandemie besonders belastet fühlen. Dabei werden nicht mehr vorhandene Tagesstrukturen, Einsamkeit, Unsicherheit, Angst und Depression benannt. Immer mehr Kinder und Jugendliche haben das Gefühl, dass sie nur noch auf ihre Rolle als Schüler reduziert werden. Ihre biographische Entwicklung scheint in den gesellschaftlichen und politischen Diskussionen oftmals nicht vorzukommen.

Ein Stück des Weges miteinander gehen

Kinder- und Jugendarbeit hat heute oftmals die Rolle eines sozialpädagogischen Bildungsangebots und stellt eine wertvolle Unterstützungs- und Betreuungsfunktion für junge Menschen dar. Sie ist eine Form der alternativen Lebensweltgestaltung, eine Gegenerfahrung zum Schulunterricht und Familienalltag und somit integraler Bestandteil in der Biographie Heranwachsender. Die Jugendbildungsstätte Volkersberg im Bistum Würzburg zählte vor der Corona-Pandemie etwa 33.000 Übernachtungen und mehr als 5.000 Tagesgäste. 

Als Teil der kirchlichen Jugendarbeit des Bistums  Würzburg ist es uns wichtig, jungen Menschen in ihrer Lebenswelt zu begegnen, sie ein Stück auf ihrem Weg zu begleiten und ihnen Kraft zu geben, an sich, ihr Leben und Gott zu glauben. Unsere Angebote übersetzen die Frohe Botschaft Jesu Christi ins Leben junger Menschen, ermöglichen eine tragfähige Gemeinschaft, lassen Werte gewinnen und Lebenskompetenz entwickeln. Als ich Anfang März diesen Artikel schrieb, war uns durch die verschiedenen Phasen des Lockdown an mehr als 170 Tagen die klassische Kinder- und Jugendarbeit in Präsenzform untersagt.

Neue Wege beschreiten

Von Anfang an war es uns, wie vielen anderen Kollegen aus der kirchlichen Jugendarbeit, wichtig, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Mit verschiedenen Onlineformaten, wie beispielsweise virtuellen Aus- und Fortbildungsangebote für unsere ehrenamtlichen Jugendleiter, einer Kettenbriefaktion für Jugendliche, spirituellen Impulse in sozialen Netzwerken oder thematisch gestalteten Wanderwegen rund um unser Bildungshaus, konnten wir weiterhin Beziehungsarbeit zu jungen Menschen leisten. Besonders stolz macht mich, dass in den Herbstferien sogar ein fünftägiges, zirkuspädagogisches Angebot im virtuellen Onlineformat geglückt ist. 

Foto: Ralf Sauer

Hierzu trafen sich täglich 20 Kinder und Jugendliche zweimal täglich mit unserem zirkuspädagogischen Team auf einer Kommunikationsplattform im Internet. Vormittags ging es um das Basteln von Trainingsmaterial und das Einüben verschiedener Zirkustechniken wie Jonglage, Akrobatik, Clownerie oder Zauberei. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer übten tagsüber die neuen Dinge und zeigten sich die Ergebnisse am Nachmittag gegenseitig via Bildschirm. Am Ende der fünf Tage entstand über kleine zu Hause gedrehte Videos eine richtige Zirkusvorstellung. Bei der abschließenden Feier zu Hause wurde sogar über das Internet verbunden miteinander getanzt. Während der Durchführung hat sich schnell gezeigt, wie wichtig neben den zirkuspädagogischen Inhalten vor allem auch der gemeinsame Austausch war. Die Morgen- und Abendrunden mit Gesprächen über Gott und die Welt wurden immer länger. Die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen bestätigten uns, dass der Onlinezirkus partizipativer gestaltet war als die vielen Onlinekonferenzen aus Schule oder Studium. Man saß nicht nur passiv vor dem Bildschirm, sondern fühlte sich mitten drin.

Onlineangebote können aber immer nur eine aus der Not geborene Alternative sein. Junge Menschen brauchen den echten Kontakt zu Gleichaltrigen und zu Erwachsenen, die sie außerhalb von Familie und Schule im Leben begleiten. Die Erfahrungen aus den Sommerferien 2020 bestätigen den großen Wert der Kinder- und Jugendarbeit in Präsenzform.

„Das hättet ihr sehen sollen. Glückliche, stolze und strahlende Kinderaugen in der Manege unseres Zirkus. Trotz Corona. Wegen Corona!“ - so stand es in einer Whatsapp-Nachricht, die ich zusammen mit ein paar Fotos am Ende der Sommerferien an meine Freunde schickte. In der Abschlussvorstellung unserer Zirkusfreizeit hatte ich Gänsehaut. In jeder Minute war die Lebensfreude und Dankbarkeit der Kinder und Jugendlichen zu spüren.


Das Wattenmeer und die Nordsee kennenlernen und am Ende des Sommers auf einem Surfbrett über die Wellen reiten können – bei der Freizeit auf Sylt hatten Jugendliche und Betreuer großen Spaß. Foto: Ralf Sauer

In den Sommerferien zählten wir auf dem Volkersberg an 54 Veranstaltungstagen mehr als 600 Kinder und Jugendliche sowie mehr als 100 Ehrenamtliche. Das Angebot war vielfältig: Ferienprogramm, erlebnispädagogische Freizeiten, Teamtage, Kletterangebote im Hochseilgarten, Kinderwochenenden, die Zirkusfreizeit und auch acht Tage an der Nordsee. Viele Kinder und Jugendliche kamen verunsichert zu uns. Die zurückliegenden Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen haben ihnen zu schaffen gemacht. Der Frühsommer war von Unsicherheit sowie fehlenden Kontakt zu Gleichaltrigen und Vertrauenspersonen außerhalb der Familie geprägt. Unsere Ferienangebote boten den jungen Menschen die Möglichkeit, diese Erfahrungen aufzuarbeiten, aber auch wichtige Freiräume, Erholung und selbstbestimmte Aktivitäten mit Gleichaltrigen. Die Sommerferien waren als Ferien erlebbar. „Ich spreche dem Volkersbergteam ein absolutes Lob aus. Mein Sohn kam jeden Tag mit einem Lächeln, total ausgeglichen und mit sich selbst zufrieden nach Hause. Sein Wortschatz an positiven Wörtern wurde ausgeschöpft“, so die Mutter eines siebenjährigen Teilnehmers. Der Vater eines 14-jährigen Jungen, der an unserer Nordseefreizeit teilnahm, schrieb uns: „Vielen Dank für die superschöne Zeit, die ihr meinem Sohn bereitet habt. Gerade in der schwierigen Zeit der Corona-Pandemie war das sehr wichtig“.

Bei allen Veranstaltungen wurden die Hygieneregeln, wie Abstand oder auch – da wo notwendig – das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung eingehalten. Wir haben alle Ehrenamtlichen vorab geschult und uns überlegt, welche Spiele und Angebote möglich sind, um keine Gefahr einer Virusübertragung einzugehen. Für jede Veranstaltung gab es ein eigenes Hygienekonzept.

Unsere Ferienangebote, wie auch die der kirchlichen Jugendarbeit an sich, haben gezeigt, dass eine verantwortbare Kinder- und Jugendarbeit auch mit den Rahmenbedingungen der Corona-Pandemie möglich ist. Die große Nachfrage wie auch die Rückmeldungen der Eltern und Kinder zeigen mir, dass unsere Angebote wertvoll und wichtig sind. Vielleicht sogar wichtiger als in der Zeit vor Corona?!


Titelfoto: Jongleure, Akrobaten und sogar Feuerspucker – die zirkuspädagogische Freizeit in den Sommerferien kam bei den jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmern sehr gut an. Alle Aktivitäten waren pandemiekonform.


Verfasst von:

Ralf Sauer

Stellvertretender Leiter der Jugendbildungsstätte Volkersberg