Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Juli-August 2021

Schwerpunkt

Nicht nur Unken lieben Totholz

Foto: Eyetronic / Adobe stock

In Bezug auf den Klimawandel bewegen wir uns inzwischen auf sehr dünnem Eis. Die zunehmende Trockenheit macht ganz besonders den Wäldern zu schaffen. Wobei die Situation innerhalb Deutschlands und Europas sehr unterschiedlich ist. „Wir haben ein starkes Nord-Süd-Gefälle“, sagt Würzburgs Stadtförster Karl-Georg Schönmüller. Im Norden Deutschlands, wo es viel Nadelforst gibt, sind die Schäden durch den Klimawandel bereits eklatant: „Während wir bisher glimpflich davongekommen sind.“

Doch natürlich schwebt das Damoklesschwert „Klimawandel“ auch über dem Würzburger Forst. Gerade die vergangenen drei Dürrejahre haben sich sehr negativ ausgewirkt. „Bei der Fichte haben wir massive Verluste“, so Schönmüller. Vor zehn Jahren war noch jeder zehnte Baum im Stadtforst eine Fichte. Heute liegt der Anteil bei unter einem Prozent. Es muss also etwas getan werden. Darum wurde das Projekt „Waldwassermanagement“ ins Leben gerufen. Wichtigstes Ziel ist es, die Wasserrückhaltung im Stadtwald zu verstärken. „Wir untersuchen zum Beispiel, welche Waldböden viel Wasser speichern“, zeigt der Förster auf. Im vergangenen Jahr wurde mit der Bodenkartierung begonnen.

Vor allem im Würzburger Naturwaldreservat „Waldkugel“ findet sich viel Totholz, das Tieren neuen Lebensraum gibt. Foto: Pat Christ

Bis der Fleiß hier Früchte trägt, wird es sicher noch ein wenig dauern. In anderer Hinsicht jedoch können Würzburgs Forstleute bereits schöne Erfolge vorweisen. „Wir konnten den Totholzanteil im Wald nach und nach erhöhen“, berichtet Schönmüller. Früher, erläutert er, wurde Wert auf einen „aufgeräumten“ Wald gelegt. Doch das ist weder mit Blick auf die Biodiversität noch in Bezug auf die Böden eine gute Sache. „Abgestorbenes Holz bietet neuen Humus, der wiederum das Wasser speichert“, erläutert der Waldexperte. Totholz fungiert im heißen Sommer darüber hinaus als Herberge für viele Tierarten: „Unken zum Beispiel leben, wird es heiß, nicht im Feuchtbiotop, sondern im feuchten Holz.“

Der Würzburger Forstingenieur und sein Team versuchen, die Vielfalt im Wald zu erhöhen, um dem Klimawandel zu trotzen. Fünf Männer umfasst das Team. Es ist jung und geht die aktuellen Herausforderungen mit Schwung an: „Unser Azubi ist 18, der älteste meiner Mitarbeiter 40 Jahre alt.“ Stolz ist Schönmüller, dass er einen Azubi hat. Denn es mangelt in der Branche massiv an Nachwuchs. „In den vergangenen 20 Jahren sind kaum junge Forstwirte nachgekommen“, sagt er. Auch, weil keine Lehrstellen angeboten wurden. Wie groß das Interesse junger Menschen am Beruf ist, wurde in Würzburg deutlich: „Auf unsere Lehrstelle bewarben sich zwei Dutzend junger Leute.“

Projekt „Waldwassermanagement“

Gerade junge Menschen machen sich heute viele Gedanken über ihre Zukunft, was die natürlichen Lebensgrundlagen anbelangt. Sie wollen etwas verändern. Als Forstwirte haben sie dazu eine ganz konkrete Chance. Im Projekt „Waldwassermanagement“ geht es zum Beispiel auch darum, die Entwässerungssysteme im Wald so umzubauen, dass der Waldboden besser mit Starkregen fertig wird. Früher war es üblich, zu entwässern, um Baumarten wie Kiefer oder Fichte anbauen zu können. Das jedoch ist schlecht, wenn die Temperaturen steigen. Dann wirken sich Entwässerungssysteme negativ auf den Wasserrückhalt und auf die Grundwasserneubildung aus.

Foto: Pat Christ

Auch für Schönmüller ist aufgrund der Pandemie kein business as usual möglich. „Wir konnten zum Beispiel nicht wie bisher Öffentlichkeitsarbeit in Form von Exkursionen machen“, sagt er. Das ist in Bezug auf all die Themen, über die der Forstingenieur Würzburgs Bürger gerne aufklären würde, bedauerlich. Auf der anderen Seite beobachtet Schönmüller, dass es die Menschen wie nie zuvor in die Natur und vor allem auch in den Wald zieht. Mehr noch als bisher erleben sie den Wald als einen Ort, wo sie Ruhe finden und sich erholen können. Wo sie in dieser derzeit sehr unfreien Welt noch frei sind. Und wo sie sich unbeschwert an der Schönheit der Natur erfreuen können.

Für Schönmüller ist das ein Hoffnungsschimmer. Möglicherweise findet dadurch ein Umdenken statt, so dass wir endlich zu einem nachhaltigeren Lebensstil kommen. In puncto „Wald“ würde dies auch bedeuten, dass beim Produzieren öfter auf Holz aus heimischen Wäldern zurückgegriffen wird. Nach wie vor, so Schönmüller, fällt eine Menge Holz, das aus tropischen Wäldern stammt, unserem Konsum zum Opfer. Ohne dass wir das wahrnehmen. Wer bei einem großen Online-Versandhändler etwas bestellt, das aus Asien geliefert wird, kann laut Schönmüller so gut wie sicher sein, dass der Pappkarton aus Tropenholz besteht.

Zertifiziertes Holz

Dass es trotz anhaltender Kritik an der Abholzung der Tropenwälder noch immer nicht zum Stopp der Entwaldung gekommen ist, das ist eigentlich unfassbar. Doch wie erkennt man nachhaltig produziertes Holz? Die vier Buchstaben PEFC helfen laut Schönmüller bei der Orientierung. Sie stehen für „Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes“. Auch das Holz aus Würzburgs Stadtwald trägt dieses Siegel. „Wir würden aber auch ohne Probleme die Kriterien jedes anderen Zertifizierungssystems erfüllen können“, ist sich der Forstingenieur sicher. Etwa die der „Naturland Richtlinien zur Ökologischen Waldnutzung“.

Um Gutes für den Wald zu tun, unterstützen Firmen oft Aufforstungen in Indien oder anderen Ländern. Auf diese Weise wollen sie ihren CO2-Ausstoß kompensieren. Für Schönmüller ist dieses Engagement in weit entfernten Ländern grundsätzlich nachvollziehbar: „Bei uns kann man keine großen Aufforstungen mehr machen.“ Allerdings sollte man genau hinschauen, welche Projekte man unterstützt. So kam die Organisation „Plant for the Planet“ in Verruf. Recherchen der „ZEIT“ deckten auf, dass mit fragwürdigen Zahlen um Geld für den Klimaschutz geworben wurde. Nachhaltig war vieles offenbar nicht. Womit wir bei einem interessanten Stichwort sind.

Wer Holz aus heimischen Wäldern verwendet, tut etwas für den Umweltschutz. Foto: Pat Christ

Die Tradition der nachhaltigen Waldpflege reicht bis in das 18. Jahrhundert zurück und ist damit viel älter als das moderne Schlagwort, das heutzutage mitunter inflationär verwendet wird. Hans Carl von Carlowitz hat es geprägt. Damals, so Schönmüller, ging es vor allem um ökonomische Nachhaltigkeit: „Heute sind wir sehr stark ökologisch nachhaltig orientiert.“ Es geht darum, den Wald so widerstandsfähig zu machen, dass sich trockene Sommer nicht allzu negativ auswirken – und zwar nicht nur auf den Wald selbst. „Ohne den Stadtwald wäre es bei uns in Würzburg zwei bis vier Grad wärmer“, so Schönmüller. Hitzewellen wären vorprogrammiert. Wodurch Senioren sterben könnten.

Weil sein Team einen guten Job macht und die Stadt Würzburg ausreichend Mittel bewilligt, sieht Schönmüller zuversichtlich in die Zukunft: „Ich bin überzeugt, dass unser Wald erhalten bleiben wird.“ Er werde sicher sein Gesicht verändern. Werde „wilder“. Doch er wird nicht sterben. Mehr als 30 Baumarten sorgen schon jetzt dafür, dass Würzburgs Stadtwald deutlich widerstandskräftiger ist als andere Wälder. Besonders stolz ist Schönmüller auf ein Waldjuwel, für das er nebenbei verantwortlich ist: Den „Stiftungswald Heiligenhölzchen“ der Kirchenstiftung Sankt Maternus in Güntersleben. Der gewann beim Bayerischen Biodiversitätspreis 2016 den zweiten Platz.


Verfasst von:

Pat Christ

Freie Autorin