Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: September-Oktober 2021

Schwerpunkt

Was das bringt? Sehr viel!

Foto: Pat Christ

Die Corona-Pandemie erschwert die Suche nach neuen Pfarrgemeinderäten

Die Pandemie hat viele Pfarrgemeinderäte fit für die Zukunft gemacht: Man begann, digitale Tools zu nutzen. Allerdings nicht überall. „Vielerorts hat die Digitalisierung noch nicht Einzug gehalten“, konstatiert Josef Peis, Geschäftsführer des Diözesanrats der Katholiken der Erzdiözese München und Freising. Er kennt Gremien, die aufgrund der Pandemie monatelang nicht mehr getagt haben. Was nicht zuletzt mit Blick auf die Pfarrgemeinderatswahlen 2022 sehr ungünstig ist.

Medienkompetenz ist in diesen Zeiten enorm wichtig. Doch viele besitzen sie nicht. „Darum haben wir als Diözesanrat Bildungsveranstaltungen organisiert“, berichtet Josef Peis. Pfarrgemeinderäte erfuhren in den Schulungen zum Beispiel, wie Zoom funktioniert, und welche weiteren Plattformen es zum virtuellen Austausch gibt. Viel, was bisher analog geschah, wurde den Räten vermittelt, ist auch via Web möglich. Zum „Renner“ wurde der Online-Stammtisch für Pfarrgemeinderäte, der unter der Überschrift „Den Faden wieder aufnehmen“ heuer im März Premiere feierte.

Schon bei der vergangenen Pfarrgemeinderatswahl 2018 gelang es nicht mehr überall, ausreichend Kandidatinnen und Kandidaten zu finden. Ein Grund ist laut Peis, dass sich die Menschen heute nicht mehr kontinuierlich engagieren möchten. Den meisten sind Projekte lieber. Noch schwerer wiegt, dass die krisengeschüttelte Kirche kein attraktives Engagementfeld mehr darstellt. Dass monatelang keine Präsenztreffen mehr möglich waren, sorgt für eine zusätzliche Hürde im Vorfeld der Wahlen. Ohne Veranstaltungen wie Feste oder Vorträge schwinden die Gelegenheiten, potenzielle Kandidaten anzusprechen.

Dass alles so schwierig ist, kann demotivieren und Schwung nehmen. Der Münchner Diözesanrat versucht, dem mit einem speziellen Angebot entgegenzuwirken. Unter dem Motto „Swing PGR, swing“, werden „Kraftabende“ angeboten. Die Veranstaltungsreihe motiviert für die Arbeit im Pfarrgemeinderat. Praxisbeispiele zeigen, was ein engagiertes Gremium alles auf die Beine stellen kann. Damit wiederum wird signalisiert: Es bringt etwas, sich einzusetzen!

Neue Horizonte

Dass sich durch die Pfarrgemeinderatsarbeit neue Horizonte vor einem auftun können, bestätigt Hilga Wolf. Die 80-Jährige engagiert sich seit mehr als 20 Jahren in der Pfarrei St. Gabriel in München-Haidhausen. Dort ist sie Schriftführerin, außerdem leitet sie den Sachausschuss „Caritas und Sozialarbeit“. Gerade die karitative Arbeit öffnete ihr in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Augen. „Ich habe gelernt, was dahinter stecken kann, wenn ein Mensch in Not gerät“, sagt die aus dem Bankfach kommende, agile Katholikin.

Trotz ihres Alters ist es für Hilga Wolf ganz normal, zu mailen, zu chatten oder per Video zu konferieren. Ihre Aufgeschlossenheit für neue Technologien half ihr, zumindest die karitative Arbeit, die ihr am meisten am Herzen liegt, auch in der Krise am Leben zu erhalten. Sowie das im letzten Jahr möglich war, besuchte sie betagte Geburtstagkinder auch wieder an der Haustüre, um persönlich zu gratulieren. Selbst ein Besinnungstag für Senioren konnte 2020 in St. Ottilien stattfinden. Daneben tat Hilga Wolf alles, um die Ehrenamtlichen in der Caritas- und Sozialarbeit bei der Stange zu halten. Und um neue Freiwillige zu finden – gerade auch für die Arbeit im Pfarrgemeinderat.

Hilga Wolf hat Power und sie ergreift die Initiative. Durch einen neuen Aushang gelang es ihr vor Kurzem, zwei Kandidaten für die Pfarrgemeinderatswahl im kommenden Jahr zu gewinnen. Seit März gibt es, ebenfalls von ihr initiiert, einen Newsletter. Mit ihrem Engagement ist die Münchnerin relativ alleine. Denn der 2018 gewählte, achtköpfige Pfarrgemeinderat schrumpfte im Laufe der Zeit auf vier Mitglieder zusammen. Von diesen vier waren während der Krise nur noch Hilga Wolf sowie ein einziger Mitstreiter aktiv. „Dafür arbeiten wir allerdings sehr gut mit der Seelsorge in unserer Pfarrei zusammen“, berichtet die rührige Seniorin.

Ab November online

In St. Elisabeth in Würzburg gelang es auch in der Corona-Pandemie, das Gemeindeleben lebendig zu halten. Foto: Pat Christ

Wie wertvoll Basiswissen in Sachen Internet während der Pandemie ist, davon wissen die Pfarrgemeinderäte der Pfarreiengemeinschaft St. Elisabeth und Heiligkreuz in Würzburg zu berichten. Als nichts mehr ging, wurde auf Online-Meetings umgestellt, erzählt Stephan Specht, der dem fünfköpfigen „Offenen Vorstand“ des Gremiums angehört. Das war besser, als weitere Sitzungen ausfallen zu lassen. Doch so ganz glücklich, gibt er zu, war am Ende niemand mit der virtuellen Variante: „Die Tonqualität über das Konferenzprogramm war nicht so gut, außerdem empfand ich die Treffen als ziemlich steif.“ Jedenfalls im Vergleich zu den bisherigen, stets sehr lebendigen Sitzungen.

Trotz Corona konnte in St. Elisabeth bis Jahresende 2020 so einiges auf die Beine gestellt werden. „Ganz in der Nähe gibt es eine Quelle in einem Wasserschutzgebiet und so haben wir, weil ja an Ostern nichts ging, letztes Jahr im Sommer einen 'Gang zur Quelle' organisiert“, erzählt Pfarrgemeinderätin Marion Werner. Mehr als 20 Menschen machten mit. An der Quelle wurden alle von Marion Werner gesegnet. Die Aktion ging vom „AK Gemeinschaft gestalten“ des Pfarrgemeinderats aus. Sie zeigte: Der Pfarrgemeinderat ist noch da! Was mit Blick auf die Wahlen 2022 ein wichtiges Signal war. Denn auch in St. Elisabeth ist man darauf angewiesen, neue Personen für das Gremium zu gewinnen.

Fast nirgendwo mehr kommen heute Freiwillige in Scharen angeschwärmt. Ehrenamtliche müssen überzeugt und sie wollen begeistert werden. Am ehesten gelingt dies noch mit persönlicher Ansprache. „Dadurch bin ich selbst in den Pfarrgemeinderat gekommen“, erzählt Werner Schühler, der dem Gremium von St. Elisabeth seit der letzten Wahlperiode angehört. Der Sozialarbeiter will sich nächstes Jahr wieder zur Wahl stellen. Wie die meisten des insgesamt zwölfköpfigen Gremiums. Zwei Mitglieder allerdings werden wohl nicht mehr kandidieren. Für sie braucht es Ersatz. Nachdem eine echte Wahl stattfinden soll, würde sich Werner Schühler mindestens vier neue Kandidaten wünschen.

Nicht nur passiv sein

In früheren Zeiten nahm man einen Ehrenamtsposten fast überall mit Kusshand. Pfarrgemeinderat zu sein, sicherte Ansehen. Dem Gremium angehören zu dürfen, machte stolz. Heute dominiert die Frage: „Was bringt mir das?“ Für Christa-Maria Nisch ist sie einfach zu beantworten: „Als Pfarrgemeinderätin kann man das Gemeindeleben aktiv mitgestalten, man ist nicht nur ein passiver Gläubiger.“ Der Handlungsspielraum hängt freilich vom jeweiligen Pfarrer ab. „Wie das bei uns ist, das ist noch nicht ganz raus“, sagt Stephan Specht. Denn St. Elisabeth hat seit einiger Zeit einen neuen Pfarrer. Den man pandemiebedingt noch nicht so gut kennen gelernt hat.

Stephan Specht denkt jedoch nicht, dass es einen Zwist geben wird. Weitaus größere Sorgen bereitet ihm und den anderen Mitgliedern im Pfarrgemeinderat gerade die Frage, was die neuen pastoralen Räume für die Arbeit des Gremiums bedeuten werden. Für Specht ist klar, dass er auf keinen Fall in einem Verbundgremium mitwirken wird: „Das ist einfach nicht attraktiv für mich.“ Der Würzburger möchte vor Ort aktiv sein. Um die eigene Gemeinde lebendig zu halten. Und lebendig war und ist St. Elisabeth. Trotz Corona. Der Ü30-Gottesdienst zum Beispiel hat etliche Fans. Auch das Kirchen-Café wird von den Mitgliedern der Gemeinde sehr geschätzt.

Wenn sich Stephan Specht manchmal Luft machen muss, dann betrifft es fast nie die Pfarreiarbeit. Ärger kommt in ihm auf, wenn er sieht, was ganz oben in der Kirche vor sich geht. Aber auch mit der Bistumspolitik hadert er mitunter. Vor allem in der Corona-Pandemie hätte er sich mehr Unterstützung der Pfarrgemeinderäte gewünscht. Da sei fast nichts gekommen: „Wir wurden nur mit Verboten übersät.“ 


Titelfoto: Die Pfarrgemeinderäte (von links) Christa-Maria Nisch, Werner Schühler und Stephan Specht treffen sich zu einem Brainstorming über Möglichkeiten, neue Kandidaten für die Pfarrgemeinderatswahl 2022 zu gewinnen.


Verfasst von:

Pat Christ

Freie Autorin