Ausgabe: November-Dezember 2021
EditorialGemeinsames entdecken
Liebe Leserin, lieber Leser,
Synagoge – Moschee – Kirchturm. Davidstern – Halbmond – Kreuz. Tora – Koran – Bibel. Judentum – Islam – Christentum, die drei abrahamitischen Weltreligionen. Neben Abraham gibt es eine weitere Figur, die in allen drei Religionen eine entscheidende Rolle spielt: Jesus. Deswegen ist er es auch, der auf dem Cover in diese Ausgabe von Gemeinde creativ einlädt. Für uns Christinnen und Christen ist Jesus „Christus“, der Gesalbte, Sohn Gottes, der Messias. Der Islam sieht ihn nicht als Sohn Gottes, aber als wichtigen Propheten, als „Sohn der Maria“ (Īsā ibn Maryam) und als einzigen durch eine Jungfrau geborenen Menschen.
Jesus selbst war Jude und so waren es auch viele seiner ersten Anhänger. Unsere Wurzeln im jüdischen Leben und Glauben müssen wir uns immer wieder verdeutlichen, auch wenn über die Jahrhunderte vieles davon überdeckt worden ist.
Auf den nächsten Seiten geht es nicht darum, was die Religionen trennt, sondern darum, was sie verbindet und was sie gemeinsam für unsere Gesellschaft bewirken können. Außerdem: die gesellschaftlichen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, sind alle gleich, ob Christ, Jude oder Muslim. Ein merklicher Rechtsruck, Ausgrenzungstendenzen, Angst vor Fremden und dem Anderssein – damit müssen sich alle Religionsgemeinschaften befassen und Antworten finden.
Bis vor einigen Jahrzehnten haben die Religionsgemeinschaften bei uns mehr oder weniger nebeneinander her gelebt. Man kannte sich, man respektierte sich, aber wirkliche Berührungspunkte gab es wenige – im Interview erinnert sich die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, an diese Zeit. Und sie ist froh, dass das heute anders ist. Denn inzwischen gibt es einen echten Dialog, es gibt berührende Begegnungen, gegenseitige Unterstützung und gemeinsames Handeln.
Und natürlich halten die Beiträge in diesem Heft wie gewohnt auch dieses Mal wieder eine ganze Reihe an Ideen und Anregungen für Sie bereit, wie Sie auch in Ihrer Gemeinde den Interreligiösen Dialog fördern und mit Andersgläubigen ins Gespräch kommen können. Viele Orte bieten hier interessante Anknüpfungspunkte – bekannt sind Städte wie Augsburg als Stadt des Religionsfriedens oder dass in München-Freimann 1973 die erste Moschee in Bayern entstand – aber gerade auch in kleineren Gemeinden lassen sich gute Kontakte knüpfen. Gehen Sie auf Spurensuche und scheuen Sie sich nicht, Fragen zu stellen. Es gibt keine falschen Fragen, auch nicht im religiösen Kontext. Falsch sind nur die Fragen, die nicht gestellt werden.
Viel Freude beim Lesen und gute Anregungen für Ihre kirchliche Arbeit wünscht Ihnen
Alexandra Hofstätter, Redaktionsleiterin