Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Januar-Februar 2022

Schwerpunkt

Kirche zu verkaufen?

Beitragsbild: Familien fordern vor dem Würzburger Dom den Erhalt der diözesanen Bildungshäuser. Foto: Pat Christ

In den Diözesen wird über die Umnutzung leerstehender Immobilien nachgedacht

Der finanzielle Spielraum verengt sich für die Kirche zusehends. Die Mitgliederzahlen brechen ein. Das pastorale Personal schrumpft. Diese Situation wirkt sich in vielerlei Hinsicht aus. Nicht zuletzt auf kirchliche Immobilien. Einige Kirchen, Kapellen, Pfarrhöfe und Pfarrheime sind kaum noch frequentiert. Schon vor Jahren wurde deshalb damit begonnen, besonders unrentable Liegenschaften umzunutzen. Aller Voraussicht nach wird das in Zukunft noch viel häufiger geschehen.

Dabei bleibt es eine umstrittene Frage, was mit leerstehenden Kirchengebäuden geschehen darf. Und was tabu sein soll. „Wir möchten weniger genutzte Liegenschaften einer Nutzung überführen, die im kirchlichen Sinn ist“, betont Nicolas Schnall von der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit im Bistum Augsburg. Bereits vor mehr als zehn Jahren wurden in der Diözese zwei Kirchen profaniert. Die ehemalige Kapuzinerkirche in Dillingen dient jetzt der dortigen Akademie für Lehrerfortbildung als Vortragssaal. Die Hofkirche in Günzburg wird für geistliche Konzerte genutzt. Beide Gebäude befanden sich allerdings bereits seit der Säkularisierung im Staatsbesitz.

Bei kirchlichen Gebäuden handelt es sich sehr oft um werthaltige Immobilien. Eben aus diesem Grund steigt die Nachfrage auf dem Immobilienmarkt, sagt Martin Gothier. Der Münchner Immobilienmakler hat sich auf den Verkauf von Baudenkmälern spezialisiert. Er selbst brennt für geschichtsträchtige Gebäude – vor allem auch für solche, die einst in Kirchenhand waren: „Oft haben diese Bauwerke eine sehr bewegte Vergangenheit.“ Zu den Käufern historischer Pfarrhöfe zählen zum Beispiel Ärzte, die Naturheilverfahren anbieten. Die meisten interessieren sich laut Gothier ausdrücklich für die – meist gut dokumentierte – Geschichte einst kirchlicher Immobilien.

Pfarrhäuser und Pfarrhöfe – hier ein ehemaliger Pfarrhof im unterfränkischen Burggrumbach – haben oft eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Foto: Pat Christ

Nachdem die Kirche wohl noch nicht die Talsohle durchschritten hat, werden Martin Gothiers Kunden in den kommenden Jahren gewiss reichlich mit Kaufangeboten bedacht werden. Gerade bei Pfarrhäusern, die nicht mehr tadellos in Schuss sind, muss bei mangelhafter Nutzung über eine anderweitige Verwendung nachgedacht werden, bestätigt Nicolas Schnall. Ist eine Instandsetzung nicht mehr zu rechtfertigen, würden die Objekte an Dritte veräußert oder im Erbbaurecht abgegeben. Laut dem Pressesprecher zählen sowohl Einzelpersonen als auch Familien, Gewerbetreibende und Kommunen zu den Kaufinteressenten von Pfarrhäusern und Pfarrhöfen.

Verkauf oder Vermietung?

Im Augenblick beabsichtigt die Diözese Augsburg, zirka 30 kirchliche Gebäude im Bistum abzugeben. Wobei es durchaus Alternativen zur Veräußerung gibt. So werden zu gering ausgelastete Pfarrzentren teilweise auch vermietet. In Augsburg nutzen zum Beispiel der Caritasverband, die Katholische Jugendfürsorge (KJF) sowie die Schwangerenberatungsstellen des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) Pfarrzentren mit. Auch psychologische Beratungsstellen für Ehe-, Familien- und Lebensfragen sowie die Ökumenische Telefonseelsorge sind zum Teil in Räumen von Pfarrheimen untergebracht.

Nun ist es noch vergleichsweise einfach, einen Schlussstrich unter die Nutzung eines Pfarrheims zu ziehen. Doch was soll mit nicht mehr ausreichend ausgelasteten Gotteshäusern geschehen? Dies betrifft Kirchen, in die zwar nach wie vor Menschen zum Beten und zum Feiern von Gottesdiensten kommen. Allerdings sind die Bänke niemals auch nur zur Hälfte gefüllt. In diesen Fällen kann die Kirche teilprofaniert werden, so Nicolas Schnall. In das Hauptschiff der Kirche St. Joseph in Augsburg-Oberhausen wurde zum Beispiel das Magazin des Bistumsarchivs eingebaut. Der frühere Altarraum der Kirche wurde baulich umgestaltet. Bis heute dient er als Kirchenraum.

Die Umnutzung kirchlicher Gebäude rührt so manchen Katholiken im Innersten auf. Ist sie doch ein sichtbares Zeichen dafür, dass es immer weiter abwärts geht. In der Diözese Augsburg allerdings sieht man durchaus auch Positives in der aktuellen Entwicklung. Indem zum Beispiel christliche Dienste in Pfarrheime einziehen, könnten kirchliche Leistungen mit kurzen Wegen angeboten werden. Dies betrifft laut Nicolas Schnall auch die Cityseelsorge Memmingen, die in einem ehemaligen Augustinerkloster untergebracht ist: „Neben der Notwendigkeit der Reduktion ergibt sich vielfach die Chance der Verdichtung kirchlicher Leistungen.“

Tagungshäuser schließen

Das Bistum Würzburg will in der Rhön zwei kirchliche Tagungshäuser schließen, außerdem wird der Betrieb eines Tagungshauses im Landkreis Main Spessart eingestellt. Hier hatte es im Vorfeld massive Proteste gegeben, vor allem seitens der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB). Diese prangert an, dass die Bildungseinrichtungen nicht mangels Auslastung, sondern vor allem aus Spargründen abgestoßen werden. Für zwei der Häuser konnten bislang noch keine neuen Träger gefunden werden. Über den künftigen Betrieb des Hauses „Thüringer Hütte“ im Landkreis Rhön-Grabfeld wird gerade verhandelt.

Auch im Bistum Passau beschäftigt man sich mit dem Problem leerstehender Kirchenimmobilien. Profanierungen kommen laut der Pressestelle vereinzelt vor, seien aber insgesamt noch „kein großes Thema“. „Eine profanierte Kirche in Burghausen wird unter Beachtung der Würde des Raums sowie der früheren Bestimmung für Ausstellungen genutzt“, so eine Pressesprecherin. Eine bereits seit mehreren Jahren profanierte Seminarkirche sei zwischenzeitlich für die Nutzung durch das Bischöfliche Ordinariat in Büros umgebaut worden: „Dabei wurde eine kleine Kapelle integriert.“

Ein Beispiel für eine lange zurückliegende Profanierung: Die 1498 von Fürstbischof Lorenz von Bibra geweihte Hofkirche „Spitäle“, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, dient Künstlern aus Unterfranken seit vielen Jahren als Ausstellungsort. Foto: Pat Christ

Bayernweit steigt die Quote der profanierten Gotteshäuser nur sehr langsam. Doch es kommt immer wieder vor, dass Kirchen oder Kapellen aufgegeben werden müssen. Ein weiteres Beispiel ist das Passauer Maierhofspital. Das aus dem 11. Jahrhundert stammende Gebäude wurde zwischen 1905 und 1985 als Spital genutzt. Gläubigen Kranken stand eine Hauskirche zur Verfügung. „Im Oktober 2016 wurde die Kirche im Rahmen eines Gottesdienstes profaniert“, heißt es von der Pressestelle des Passauer Bistums. Dabei wurden die Reliquien aus dem Altar entnommen, der Tabernakel wurde geleert. Heute werden die Räume von einem Klinikum genutzt.

St. Koloman in Lenzing

Interessant ist auch die Chronik des barocken Kirchleins St. Koloman in Lenzing im Landkreis Straubing-Bogen. Um 1500 wurde die Kapelle erstmals erwähnt. Das Kloster Oberalteich erneuerte sie 1761. Vor fünf Jahren fiel die katholische Filialkirche an den Freistaat. Der Staatsbetrieb „Immobilien Freistaat Bayern“ suchte daraufhin nach einem Kaufinteressenten. „Im August 2019 wurde die Kapelle veräußert“, berichtet Geschäftsführer Dieter Knauer. Wie der Käufer die Kapelle derzeit verwendet, sei unbekannt: „Die Nutzung zu gottesdienstlichen Zwecken ist jedoch dinglich gesichert.“

Die Profanierung von Kirchen ist letztlich nichts, was alle paar Wochen vorkäme. „Bei uns im Bistum Eichstätt gab es das bisher noch gar nicht“, sagt Pressesprecherin Regina Greck. Im Rahmen eines von der Diözese initiierten Strategieprozesses sollen allerdings auch hier Immobilienkonzepte für alle Pastoralräume erarbeitet werden: „In diesem Zuge werden Fragen bezüglich der Gebäude perspektivisch diskutiert.“

Oberbürgermeister Jürgen Herzing, hier vor der historischen Kulisse der Aschaffenburger Stiftskirche, engagiert sich für eine sozial positiv wirksame Nutzung aufgegebener Kirchenimmobilien. Foto: Pat Christ

Kommunen, die einen Draht zur örtlichen Kirche haben, schauen, dass sie in die aktuellen Umstrukturierungsprozesse integriert sind. So ist das zum Beispiel in Aschaffenburg. „Bei einem Gebäude und einem Grundstück der katholischen Kirche haben wir jüngst das Vorkaufsrecht verlangt, nicht, um selbst zu kaufen, aber um die weitere Entwicklung beeinflussen zu können“, so Oberbürgermeister Jürgen Herzing. Auf diesem Grundstück entstünden nun ein Pflegeheim, Wohnungen in erster Linie für Senioren, eine Kita sowie Wohnungen für das Pflegepersonal des Klinikums.


Verfasst von:

Pat Christ

Freie Autorin