Ausgabe: Januar-Februar 2022
SchwerpunktVon hier aus kann‘s weitergehen
Christophorus-Gesellschaft bietet Obdachlosen und Ex-Häftlingen Betreutes Wohnen an
Im Oktober 2019 begann für Heinz G. ein neues Leben: Der heute 37-Jährige hatte endlich seine Haftzeit verbüßt. Nun wollte er noch einmal durchstarten. Besser. Ehrlicher. Gesetzestreu. Bei Werner Schühler, Leiter der Zentralen Beratungsstelle für Straffällige (ZBS) der ökumenischen Christophorus-Gesellschaft in Würzburg, fand der langjährige Kraftfahrer Hilfe. Bereits am Tag seiner Haftentlassung durfte Heinz G. ins ambulant Betreute Wohnen der Christophorus-Gesellschaft einziehen.
Um Männern wie Heinz G. zu helfen, hat die gemeinnützige Gesellschaft nahezu 30 Wohnungen in und um Würzburg angemietet. Ein Teil wird an Wohnungslose sowie an Menschen in unsicheren, von Obdachlosigkeit bedrohten, Lebenssituationen vermietet. Der andere Teil steht Haftentlassenen zur Verfügung. Wie intensiv jemand betreut wird, richtet sich nach dessen individuellem Bedarf. Manche Männer erhalten jede Woche Besuch von einem Mitarbeiter der Christophorus-Gesellschaft. In der Anfangszeit kann die Frequenz sogar etwas höher sein. Später ist sie oft geringer.
Weil Vermieter oft kein Pardon kennen, ist das Angebot des Betreuten Wohnen so wichtig: Menschen, die länger auf der Straße lebten oder schon mal im Gefängnis waren, werden als Mieter kaum akzeptiert. Auch Heinz G. stand nach zwei Jahren im Gefängnis ohne Job und ohne Wohnung da. Durch das Betreute Wohnen ging es bei ihm rasch aufwärts. Der junge Mann fand Arbeit. Und daraufhin auch bald eigene vier Wände. Werner Schühler hielt auch nach seinem Auszug den Kontakt zu ihm. Was ein großes Glück war: Wegen des Todes seiner Eltern stürzte Heinz G. in eine schwere Depression. Die Nachbetreuung half ihm, nicht wieder völlig aus der Bahn zu geraten.
Chancen für die Chancenlosen
Auch Ansgar P. (Name geändert) hatte auf dem Mietmarkt zunächst keine Chance. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände war er in eine extrem schwierige Lebenslage geraten. Michael Thiergärtner, der bei der Christophorus-Gesellschaft für Wohnungslose sowie für von Wohnungslosigkeit bedrohte Männer zuständig ist, eröffnete ihm im vergangenen Sommer die Möglichkeit, ins Betreute Wohnen einzuziehen. Ansgar P. gelang es bald danach, Arbeit zu finden. „Er wollte bis Ende des Jahres Geld ansparen und sich dann auf Wohnungssuche begeben“, erzählt Michael Thiergärtner.
Man braucht ein Quantum Frustrationstoleranz, um im Betreuten Wohnen tätig sein zu können: Das zeigt der Fall Ansgar P. Der war zunächst ein „Vorzeigeklient“, berichtet Michael Thiergärtner. Während sich andere Männer sehr schwer mit der Hausarbeit tun, war dessen Wohnung immer sauber gewesen. Ansgar P. fiel auch durch große Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit auf. Doch vor kurzem kam es überraschend zu einer Wende: Michael Thiergärtner erfuhr, dass sein Klient in U-Haft sitzt. Und das wahrscheinlich zu Recht, vermutet der Sozialarbeiter. Ansgar P. hatte die Wohnung plötzlich verlassen. Unaufgeräumt. Auch so etwas kommt vor.